Problem von Aley - 19 Jahre

Verliebt in schüchternen Klassenkameraden

Also, das Ganze hat in meinem Fachabi-Jahr begonnen, allerdings ein wenig anders. Ich hab da einen Jungen näher kennengelernt, der dann in meine Klasse kam; ich mache noch ein Jahr weiter, um das vollwertige Abitur zu bekommen. Jedenfalls stand ich auch auf diesen Jungen und ein paar Jungs, seine Freunde, wussten es dann auch. Ich habe versucht, an ihn ranzukommen, nach Treffen gefragt, wurde allerdings gekorbt. Dann kam Fasching und ein Freund von ihm, ebenfalls in unserer Klasse, kam mir etwas näher. Wir haben uns nicht geküsst oder so, nur stundenlang gekuschelt und geredet, wobei er am Anfang vom Kuscheln zu mir meinte: "Ich hab gehört, dass du auf A stehst." Ich bin nur ausgewichen, aber wir haben weiter gekuschelt und uns auch mehrmals beinahe geküsst. Später hat er meine Hand genommen, unsere Finger fest ineinander verschränkt und mich nicht mehr losgelassen. Er wollte mich auch nicht gehen lassen und beim Verabschieden haben wir uns fest und lang umarmt. Von dem Tag an haben wir angefangen zu schreiben. Nach den Ferien war das Verhältnis zwischen uns ziemlich peinlich und angespannt, aber wir sind langsam aufgetaut und haben angefangen, miteinander zu reden - so über Schulzeug eben. Mir ist dann auch aufgefallen, dass er total schüchtern ist und sehr wenig Selbstbewusstsein hat. Er läuft schnell rot an, wenn er die gesamte Aufmerksamkeit bekommt oder bekommt Panik, wenn wir Klausuren zurück bekommen. Irgendwann hat er angefangen, mich schüchtern und ganz leise zu grüßen. Ich habe ihn auch schon dreimal gefragt, ob wir uns mal treffen wollen. Er hat bejaht, aber das eine Mal hat er abgesagt, weil seine Oma dann im Krankenhaus war. Seitdem kam aber nichts zustande, aber ich will nicht schon wieder die sein, die fragt. Wir haben im Prinzip unsere Karten fast schon offen gelegt. Er weiß, dass ich ihn attraktiv finde und ihn auch mag, genauso wie ich weiß, dass er mich sehr hübsch findet. Seit zwei Wochen haben wir auch angefangen, offensichtlich in der Klasse zu flirten. Er macht lauter so Sachen vor seinen Schulfreunden, die langsam auch kapiert haben, was zwischen uns läuft. Eigentlich hört sich das alles positiv an. Aber wir tun seit 3 Monaten rum und es passiert einfach nichts. Ich verliebe mich immer mehr ... Einerseits verstehe ich, dass er keine großen Schritten gehen will. Aber trotzdem fände ich ein Treffen okay, auch wenn wir in 4 Wochen Abi haben. Gegen ein Treffen spricht ja nichts. Eine Beziehung würde jetzt keinen Sinn machen, weil uns die Zeit fehlen würde, die wir füreinander bräuchten, weil wir lernen müssen. Aber so bin ich verunsichert und aufgewühlt. So wird meine Angst, verletzt zu werden, nur noch mehr verstärkt und meine Zweifel wachsen immer mehr an. Dass wir zu lang gewartet haben. Dass er eigentlich gar nicht will. Das Problem ist auch, dass ich einfach Beziehungsängste habe, aber für ihn wäre ich bereit, ein Risiko einzugehen. Mir war es noch nie mit einem Jungen so ernst wie mit ihm. Und das ist eben auch das, was mir so Angst bereitet. Er wäre mein erster, richtiger Freund. Ich weiß jetzt einfach nicht ... soll ich einfach warten, bis nach den Abiprüfungen, ob er sich rührt? Und ihm so viel Mut zutrauen, dass er mal nach einem Treffen fragt? Oder soll ich es doch selber in die Hand nehmen? Ich weiß grad einfach gar nichts ...

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Aley,

tja, wir Jungs sind schon kompliziert, was? Ich gebe dir vollkommen Recht: Im Grunde hast du schon mit einem ganzen Gartenzaun gewunken. Nur in einem Punkt möchte ich einhaken: Wieso ist es denn so verständlich, dass er keine großen Schritte gehen will? Oder andersrum gefragt, was sind denn "große Schritte"? Falls er dich auch mag, in dich verliebt ist, läge es ja nahe, Tatsachen zu schaffen, und besonders schwer dürfte das ja nicht fallen. Du wirst vielleicht auf seine Schüchternheit hinweisen - aber inzwischen dürfte er ja wissen, dass er nichts von dir zu befürchten hat, im Gegenteil. So ganz erklärt sich mir also nicht, so wie dir auch nicht, warum er zögert. Noch präziser gesagt: Ich frage mich ernsthaft, was das eigentlich sein sollte, was ihn hält.

Ich könnte mir mehrere Dinge denken. Entweder - und diese Möglichkeit musst du auch in Betracht ziehen - funkt ihr weiterhin aneinander vorbei. Es mag sein, dass er merkt, wie du Interesse an ihm hast; vielleicht - sofern du es ihm noch nicht eindeutig gesagt hast - hat er aber trotzdem noch nicht eins und eins zusammen gezählt, und gemerkt: "Sie STEHT auf mich! Sie kann meine FREUNDIN sein, wenn ich will!" Möglicherweise merkt er zwar, dass er Eindruck auf dich macht, ordnet eure Flirts und Gespräche aber nach wie vor unter die Kategorie "kameradschaftlich, unverfänglich" ein. Auch wenn du aus deiner Sicht klare Zeichen sendest, kannst du dir manchmal nicht sicher sein, ob sie auch verstanden werden. Ich selbst zähle mich auch zu dieser Gruppe Männer, die das Offensichtliche nicht sehen, wenn man sie nicht beiden Händen darauf stößt: Dass jemand sich in sie verliebt hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein Gespräch mit meiner ersten Freundin, das für sie und mich gleichermaßen eindrücklich war. Zu dem Zeitpunkt waren wir schon eine Weile zusammen; sie erzählte ein bisschen über das Kennenlernen und wie das alles ablief, wie es Verliebte halt so machen. Und ich war völlig überrascht, was es aus ihrer Sicht alles für "total eindeutige Zeichen" gegeben hatte, die mir vermitteln sollten, dass sie an mir interessiert war. Sie sagte mir das auch so, dass es sie zeitweise richtig verzweifelt gemacht hat, weil sie nicht wusste, wie sie es noch versuchen sollte. Heute weiß ich die Antwort, und ich gebe sie dir auch für deinen Schwarm: Denk in solchen Dingen nicht wie eine Frau. Das ist gefährlich. Ich bin nun wirklich niemand, der Geschlechterklischees stark macht, bitte versteh mich da nicht falsch. Aber meine Erfahrung ist, Männer werden in der Liebe gern vor vollendete Tatsachen gestellt. Damit können wir besser umgehen. Und du wirst vermutlich keine Klarheit bekommen, ob vor oder nach dem Abi, wenn du dich nicht vor ihn stellst und ihm sagst: "Mensch, ich hab mich in dich verknallt!", oder etwas in dieser Art.

Gut möglich auch, dass du dir das gar nicht vorstellen kannst, dass es so ist. Deswegen schicke ich gleich hinterher: das betrifft, so unmöglich es dir vorkommen mag, auch die Dinge, die von ihm ausgehen. Man kann flirten und nicht wissen, dass man es tut. Man kann seinem eigenen Verständnis nach Kumpel sein und ganz anders wahrgenommen werden - was alles durchaus nicht heißt, dass er nicht in dich verliebt sein muss. Vielleicht ist er es, nimmt aber dennoch nicht wahr, dass in euch zwei Verliebte einander genau das kommunizieren. Die Betonung liegt auf zwei. Genauso wie du dich fragst, wie jemand, dem du so begegnest wie ihm, nicht merken kann, wie es von deiner Seite zu verstehen ist - genauso versucht er vielleicht mit dem, was er tut, dich zu beeindrucken. Und registriert nicht, dass er offene Türen einrennt.

Ich gebe dir ein anderes Beispiel, aus einem ganz anderen Feld: Viele Verbrecher waren so lange erfolgreich in ihrem Tun, weil sie ihren Mitmenschen erfolgreich vermittelt haben, was diese bei einem ehrlichen Menschen erwarteten - und ausgelassen haben, was diese bei einem unehrlichen Menschen erwarteten. Das alles hat aber noch nichts zu heißen. Als durchschnittlicher Mensch denkst du dir bei deinem Nachbarn das schlechte Gewissen hinzu, das auch du hättest, wenn du tätest, was er hinter seiner Wohnungstür tut. Und da du nichts von den Zeichen wahrnimmst, die du bei einem solchen Menschen erwarten würdest, erscheint er dir auch unschuldig. Und weil du das denkst, nimmst du die Zeichen, die es tatsächlich gibt, nicht als solche wahr. Der springende Punkt ist nämlich: Er hat kein schlechtes Gewissen. Er tritt nicht auf, wie du es für einen seines Schlages erwarten würdest. Er scheint dir rechtschaffen, und dass er es nicht ist, merkst du nicht, weil du es nicht erwartest. So kann es passieren, dass Leute über Jahre Tür an Tür mit Wohnungen leben, in denen die schrecklichsten Dinge vor sich gehen, es aber nicht merken. Weil sie instinktiv erwarteten, dass der Andere so tickt wie sie. Tut er aber nicht.

Wie gesagt, dass war jetzt nur ein Gedankenausflug. Ich will dir damit nur klar machen, dass du möglicherweise einen Fehler begehst, wenn du bei deinem Schwarm voraussetzt, dass er, was du tust und sagst, so verstünde, wie du es verstehen würdest. Das muss ja im Ende auch gar nichts damit zu tun haben, dass er ein Kerl ist; es genügt, dass er eine andere Persönlichkeit hat.

Die andere Möglichkeit ist natürlich, dass er deine Gefühle nicht erwidert. Dann könnte er es dir aber auch sagen. Sofern er weiß, was los ist. Auch hier kann es wiederum sein, dass er nicht merkt, wie er auf dich wirkt, und ebenso nicht, wie du auf ihn wirken möchtest. In diesem Fall ist der einzig sichere Weg abermals, dass du ihm eine klare Ansage machst. Man kann sich jetzt fragen, warum er sich bislang nie mit dir treffen wollte - vielleicht ist es aber wirklich so, dass bisher immer etwas dazwischen kam, und er entweder nicht verstanden hat, was es für dich bedeutet hätte, oder nicht weiter darüber nachgedacht hat. Ich kann verstehen, dass es dir lieber wäre, wenn du ihm erst etwas näher kommen, weiter mit ihm flirten könntest, bevor du ihm deine Gefühle gestehst; so hätte ich es unter anderen Umständen auch geraten. Aber den Königsweg zur Liebe gibt es nun mal nicht. Würdest du dich mit deinem Abistress nicht besser fühlen, wenn du wenigstens irgendwas von ihm wüsstest - und sei es, dass er nicht in dich verliebt ist? Ich denke, dass er Klarheit braucht, um zu reagieren - schaden wird es ihm nicht. Du hast danach noch immer die Option, ihm nach einem Treffen zu fragen. Und ich denke auch nicht, dass du dir Möglichkeiten verbauen würdest, ihn für dich zu gewinnen, sollte er nicht in dich verliebt sein. Immerhin hast du es schon in vielfältiger Weise versucht. Trau dich also - es sieht nicht so aus, als ob du von ihm etwas zu fürchten hättest, oder? Das wenigstens kann man sagen, ob es jetzt aus Schüchternheit kommt oder aus Unverbindlichkeit.

Letztendlich ist es dir überlassen, ob du dir bis nach der Prüfungsphase Zeit lässt. Bedenke aber auch: Eure gemeinsame Zeit läuft ab. Und du weißt nicht, was danach kommt. Nach dem Abi kann alles auf einmal ganz schnell gehen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich wäre eher dafür, dass du es jetzt probierst. Natürlich kannst du ihn auch erst nach einem Treffen fragen, wenn dir das lieber ist; nur blendest du damit aus, dass ihr ja wirklich schon per Flirt auf Tuchfühlung seid, und riskierst wiederum ein großes Hin und Her. Er scheint nicht so der spontane Typ zu sein - dass kann einen aber auch schrecklich langsam und schwer fassbar machen. Was du ihm sagen möchtest, ist ja nichts Schlimmes - und die Vorzeichen, "was ich dir noch unbedingt sagen wollte, bevor wir raus ins Leben gehen" haben sogar etwas Romantisches, oder? Ich habe in meinem Freiwilligen Sozialen Jahr nach dem Abi etwas ganz Ähnliches erlebt: Ich hatte mich in meine Arbeitskollegin verliebt. Was zwischen uns so hin und her flog - vielleicht war es manchmal mehr denn freundschaftlich, ich weiß es nicht. Auch wenn sie mir als Freundin so wichtig war, dass ich stets versichert habe, da sei nicht mehr. War es aber. Und ich glaube, sie hätte mich verstanden. Sie hätte nicht mit mir gebrochen, auch falls es für sie unverfänglich war. Tja, zu spät: Sie studiert eine ganze Weile weg, wir haben uns lange nicht gesehen. Weiß ich, was mittlerweile mit ihr los ist? In jedem Fall bin ich traurig, dass ich nicht den Mut hatte, zu sagen, was doch nicht schlimm ist. Es erscheint nur so schwierig, weil es gerade etwas so Schönes ist, verliebt zu sein. Würdest du mir da nicht zustimmen?

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul