Problem von Anonym - 17 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Hallo liebes Kuka-Team!
Das ist jetzt mein zweiter Versuch & ich hoffe, dass es diesmal funktioniert.
Ich weiß, dass sehr viele dieses oder ein Ähnliches Problem haben, aber doch nicht ganz genau und mir wäre unglaublich geholfen, wenn ihr mir einen Rat geben könntet.
Also es ist so. Ich bin seit über 2 Jahren in einen Jungen aus meiner Klasse verliebt. Nach ca. einem Jahr hab ich meinen ganzen Mut zusammen genommen & ihm das gesagt (also geschrieben). Wie erwartet war es für ihn nicht mehr als Freundschaft, aber trotzdem hat es mich sehr verletzt. In der Schule war mir das unheimlich peinlich und dadurch dass ichs ihm geschrieben hab, war ich nicht zufrieden also hab ich ein paar Wochen danach nochmal persönlich mit ihm geredet & da hat er mir zwar wieder das gleiche gesagt, aber es war doch etwas besser. Trotzdem geht es mir seitdem immer noch schlecht und das ist jetzt über ein Jahr her. Und immer wenn ich denke ich habs verarbeitet und versuchen will eine Freundschaft aufzubauen (er ist zudem auch noch ein wahnsinnig unzugänglicher/verschlossener Mensch und will immer nur die coolen Mädchen beeindrucken), stürzt wieder alles zusammen und ich könnte einfach nur heulen. Aber ich komme einfach nicht von ihm weg und ich will das auch nicht, das ist mein Problem. Außerdem sehe ich ihn ja jeden Tag in der Schule und wenn er mal mit mir redet, macht mich das unglaublich glücklich. Wir verstehen uns ja auch grundsätzlich sehr gut und sind auch Freunde irgendwie, aber es ist einfach so schwer an ihn ranzukommen, ich hab immer das Gefühl, nicht einmal die Chance zu bekommen, ihn richtig kennen zu lernen. Und wenn ich mal zufällig mit ihm allein bin, hab ich wieder keinen Plan was ich mit ihm reden soll, was wiederum ein Grund ist, warum ich mich nicht fragen traue, ob wir mal was miteinander machen. Recht viel komplizierter gehts ja eigentlich nicht mehr.
Ich habe wirklich versucht neue Menschen kennenzulernen, mich auch mal fernzuhalten, mir einzureden es ist alles cool, aber es funktioniert einfach nichts. Und jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich keine Kraft mehr habe und nicht mehr will. Aber ich will auch nicht loslassen müssen, wir gehen immerhin noch ein Jahr gemeinsam in die Schule. Was soll ich denn machen? Ich bin völlig ratlos, bitte helft mir!
Lg

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

das Wesentliche an deinem Problem hast du ganz klar benannt: Du hast ihn noch kein bisschen aufgegeben. Du willst ihn immer noch. Es ist schmerzhaft für dich, weil er deine Gefühle nicht erwidert - aber es ist auch nicht gerecht, wenn du etwas von dir verlangst, dass du im Augenblick noch nicht leisten kannst. Du hast noch immer Gefühle für ihn, du möchtest ihn immer noch gewinnen. Und weil er dir gesagt hat, dass von Seite nicht mehr ist, wirfst du dich hin und her zwischen zwei Vorhaben, die sich widersprechen: Das eine ist, ihn zu erobern; das andere ist, über ihn hinweg zu kommen. Das Erste glaubst du nicht zu können, das Zweite schaffst du mit Sicherheit nicht, wenn du weiterhin um ihn kämpfen willst.

Jetzt ist es so: Wer sagt denn, dass das letzte Wort gesprochen ist, nur weil er zurzeit keine Gefühle für dich hat? Warum solltest du das akzeptieren? Es ist dir nicht verboten, dich um ihn zu bemühen - zumindest, solange er dir nicht klipp und klar sagt, dass du ihn in Ruhe lassen sollst. Ich finde, man kann es ihm hoch anrechnen, dass er ehrlich zu dir war und es dir auch im direkten Gespräch noch einmal vermittelt hat, dass er nichts von dir will. Aber was nicht ist, das kann noch werden. Warum also nicht mal mit ihm ins Kino gehen? Du kannst es freundschaftlich auffassen, und er wird das vielleicht auch; vielleicht kannst du ihn aber auch beeindrucken, und seinen Sinn ändern. Solange du ihm nicht permanent im Nacken sitzt und ihn nicht unter Druck setzt, sondern entspannt bist und maßvoll, kann das schon etwas bewirken. Du musst dich trauen, das ist klar - aber würde dir das nicht möglicherweise leichter fallen, wenn du dir nicht gleichzeitig selbst verbietest, um ihn zu werben? Du musst in deinem Kopf mal Ordnung schaffen, in welchem Modus er sich gerade befindet: Bist du im "Okay - er hat keine Gefühle für mich, aber vielleicht kann ich die Freundschaft zu welchen entwickeln, wenn ich klug vorgehe" - oder steckst du im "Oh, er will mich nicht, es ist alles ganz schrecklich, ich bin nicht gut genug, ich will ihn vergessen"? Im Moment hast du zwei Gänge gleichzeitig geschaltet. Entscheide dich für einen. Das wird dir auch erleichtern, etwas gegen deine Situation zu unternehmen. Denn beide Haltungen verlangen unterschiedliche Vorgehensweisen.

Wenn du ihn vergessen möchtest, dann zählt vor allem eines: Ihm so wenig Raum wie möglich in deinen Gedanken zu schaffen. Da hinein, wo er sonst war, kannst du Englischvokabeln packen, ein Konzert mit deiner Freundin, eine Radtour, einen Serien-Marathon - wichtig ist nur, dass du deinem Kopf Input gibst, der den Gedanken an deinen Schwarm überlagert, dich freier atmen lässt. Wenn du aber eigentlich noch nicht einsiehst, warum in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen sein sollte, dann sind andere Dinge gefordert. Mach ihn auf dich aufmerksam. Lache, rede mit ihm, lade ihn ein, sei freundlich und humorvoll und schlagfertig. Dräng dich nicht auf, sondern versuche vielmehr, einfach in allem präsent zu sein: Im Unterricht, in den Pausen, im Gespräch - nicht so, dass du ihn ständig anquatschst oder anstarrst, sondern einfach bei allem mitmischst. Ob es ist, weil du einen Witz machst, über den dein Kurs lachen muss, ob es ist, weil du mal Klamotten trägst, die für dich untypisch sind, ob du ein beeindruckendes Referat hältst: All das und viel mehr sind Möglichkeiten. Und sie beziehen sich nicht darauf, ihm die ganze Zeit auf die Pelle zu rücken, sondern einfach alles mitzunehmen, dein Leben auszugeben, zu zeigen, dass du was drauf hast, dass du interessant bist, in deinem Leben was los ist. Warum haben Menschen, die eher zurückgezogen sind, so oft Probleme, jemanden zu finden? Ganz einfach, weil sie ihrer Umgebung kein Gefühl geben, wie interessant und vielseitig sie eigentlich sind. Und das müsstest du tun. Nicht so, als wolltest du ihn beeindrucken (das willst du natürlich schon), sondern so, als hättest du beschlossen, dass jeder Tag ganz besonders sein muss, dass man über dich staunen muss. Es ist nicht einfach, wenn man eher zurückhaltend ist - und es ist auch nie sicher, ob man gut ankommt, auch das ist mir klar. Aber es kann dein Selbstbewusstsein nur stärken, wenn du nach der Enttäuschung, dass er dich nicht liebt, mal was Neues ausprobierst, und dich was traust. Bei Liebeskummer geht es vor allem darum, sich abzulenken; du hingegen, wenn du ihn erobern willst, musst das Rad nicht neu erfinden, sondern dich einfach auf das besinnen, was dich ausmacht, was du schon länger überlegst: Habe ich meinen Sport nicht vernachlässigt? Wollte ich nicht ewig schon mal so eine Bluse haben? Wollte ich nicht immer schon da- oder dorthin? Wollte ich es nicht mal... in Französisch zeigen? Mit einem Wort: Sei du selbst. Entdecke dich neu. Gewinne Profil, nicht um dich abzulenken, nicht, um den Schmerz zu betäuben, sondern um mit dir ins Reine zu kommen, und ihn auf dich aufmerksam zu machen. Dann kann er noch einmal nachdenken, ob er wirklich so gar nicht mit dir... oder doch? Und falls nein, dann wirst du um die Erfahrung reicher sein, dich nach einem Korb nicht verkrochen zu haben, sondern nur noch stärker betont zu haben, was für ein toller Mensch du bist. Denn das bist du nämlich - ob dein Schwarm dich möchte oder nicht, es hat das nichts zu heißen. Sei mutig.

Denn wenn ihr dann die Schule abschließt, und es ist nichts geworden, wirst du in der Gewissheit gehen, dass du alles getan hast. Und, was mindestens ebenso wichtig ist: Dass du deine eigenen Gefühle berücksichtigt hast. Man hat darüber nur bedingt Kontrolle, wann und wie sehr man etwas verwindet. Dein Herz entscheidet, nicht dein Kopf, wie viel Bedeutung du einer Liebe beimisst, ob es dir sogleich gelingt, sie zu verwinden, oder erst später. Es kann lange dauern. Sehr lange. Ist das schlimm? Ich würde sagen, nein. Willst du lieber viele nichtssagende Beziehungen, flüchtige Erlebnisse haben, oder eine Reihe von tiefen Geschichten, die dich prägen? Liebeskummer ist für unser Leben manchmal der größere Gewinn als schnelle Erfüllung, die aber nicht von Dauer ist. Ganz egal, wie es ausgeht, du kannst etwas für dich mitnehmen. Welcher Weg bleibt dir übrig, jetzt, wo du dich ganz unten fühlst, als der Angriff nach vorn? Vertrau mir - das ist so schlecht nicht. Aber auch der längste Weg braucht einen ersten Schritt.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul