Problem von Antonio Iván - 19 Jahre

Wie mache ich mit meiner depressiven Fernbeziehung Schluss?

Hallo,
Ich weiß nicht genau wie ich anfangen soll.. fangen wir mal damit an, dass ich seit 2 Jahren eine Fernbeziehung führe. Meine Freundin (17) und ich (19) wohnen 8-9 Stunden voneinander entfernt. Leider können wir uns meistens nur am Wochenende sehen und immer bin ich derjenige der zu ihr fahren muss, da ich ein Führerschein besitze und sie von ihren Eltern aus nicht alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu mir fahren darf. Telefonieren tun wir so oft es geht, aber meistens finden wir keine Zeit, da sie sich auf ihr Abitur und ich mich auf meine Ausbildung konzentrieren muss. Trotzdem haben wir die Sache ehrlich gesagt gut im Griff. So, das WAR alles mal. Nun kommt das Thema, was mich in letzter Zeit sehr stark bedrückt. Meine Freundin ist seit ihrem 12. Lebensjahr wegen Mobbing depressiv und ich wusste am Anfang der Beziehung nichts davon, da man auch nichts gemerkt hat. Erfahren habe ich das als wir bereits 1 Jahr zusammen waren, doch ich hatte beschlossen für sie da zu sein. Wir regelten das alles sehr gut und ich hatte ihr oft verziehen obwohl sie immer wieder Versprechen gebrochen hatte und außerdem war ich nächtelang mit ihr wach, wenn sie Sorgen hatte. Seit 6 Monaten hat sich aber alles verschlimmert. Wir streiten jeden Tag heftig miteinander (z.B ignorieren wir uns bereits seit 3 Tagen) und ich habe sie auch überhaupt nicht mehr unter Kontrolle. Sie hatte z.B damals für mich mit dem Ritzen aufgehört und jetzt hat sie angefangen ihre Hand an Wänden blutig zu hauen. Sie wird schon lange nicht mehr gemobbt und hat keine familiären Probleme. Sie kann sich anscheinend selber nicht erklären warum das alles so schlimm wird. Wir streiten nur, hatten bis jetzt nur ein Treffen und da herrschte auch nur Streit, wir telefonieren und schreiben nur um zu streiten, skypen tun wir gar nicht mehr. Einmal meinte sie mitten im großen Streit ''Ich liebe dich mehr als alles andere und wenn du dich von mir trennen würdest, dann würde ich mich wieder ritzen und in ein tiefes Loch fallen''. Ich muss jetzt ganz ehrlich sein: Ich habe keine Gefühle mehr für sie. Das klingt gemein, aber ich bin total unglücklich, habe an nichts mehr Spaß und kann mich auf nichts mehr konzentrieren, weil ich mich trennen will, aber es nicht wagen kann. Sie macht mich nicht mehr glücklich und sagte mir sogar noch vor 3 Tagen ich solle das ''verdammt nochmal akzeptieren, dass sie ihr Leben lang tief depressiv sein wird''. Ich habe nicht vor das gerade zu biegen, weil diese täglichen Streitereien in diesen 6 Monaten mir gezeigt haben, dass ich das mit ihr alles nicht mehr will und es nicht mehr geht, aber ich befürchte, dass ihre Situation sich verschlimmern wird. Wir ignorieren uns ja bereits seit 3 Tagen und ich brauche dringend Rat.. Wie kann ich mit ihr Schluss machen? Wie soll ich das am besten machen ohne sie tief zu verletzen? Per SMS Schluss machen ist eh ein bekanntes Gesellschafts-Tabu und generell ungeeignet, aber extra zu ihr hinfahren um Schluss zu machen ist auch nicht der Knaller.. Ich brauche wirklich Hilfe. Danke im voraus.

Anna Anwort von Anna

Lieber Antonio,

vielen Dank für Dein Vertrauen uns gegenüber und auch vielen Dank für Deine Offenheit und Deine Ehrlichkeit, was Deine Gefühle angeht. Du scheinst da momentan in einer Situation gefangen zu sein, die sich für Dich als nicht mehr erträglich anfühlt und wenn ich es richtig verstanden habe, stehst Du nun nicht vor der Entscheidung Schluss zu machen, sondern auch davor, es "richtig" zu machen, dabei möglichst wenig Schuldgefühle haben zu müssen, brauchst irgendwie die Bestätigung, dass es okay ist, wenn Du Dich von Deiner Freundin trennst.

Als Außenstehende würde ich sagen: Natürlich ist es okay, wenn Du Dich von ihr trennst. Das ist Dein Leben und Du sagst, Du liebst sie nicht mehr. Irgendwie habt ihr beide, neben dem Problem, dass das Ganze eine Fernbeziehung ist, Schwierigkeiten miteinander, seid nur noch am streiten und nichts lässt darauf hoffen, dass es besser wird. Du bist unglücklich und traurig und fühlst Dich mit ihrem Problem der Depression überfordert.
Aber scheinbar gibt es in DIR eine Stimme, die vielleicht daran zweifelt, Schluss zu machen, die sich fragt, ob das wirklich die einzige Lösung und ob es wirklich die richtige Entscheidung ist, das Ganze einfach sein zu lassen, sie zu verlassen.
In Deinem Text sind mir einige Passagen und Formulierungen aufgefallen:
"Ich wusste am Anfang der Beziehung nichts davon, da man auch nichts gemerkt hat... doch ich hatte beschlossen für sie da zu sein."
"...ich hatte ihr oft verziehen, weil sie immer wieder Versprechen gebrochen hatte und außerdem war ich nächtelang mit ihr wach, wenn sie Sorgen hatte."
"Sie hatte damals für mich mit dem Ritzen aufgehört"
"Ich habe sie auch überhaupt nicht mehr unter Kontrolle"
"Sie macht mich nicht mehr glücklich"
Wenn ich das so lese, fällt mir auf, dass in eurer Beziehung ein starkes Ungleichgewicht herrscht. Sie ist diejenige mit "dem Problem", die Depressive, und Du derjeige, der "immer für sie da war". Für Dich hat sie mit dem Ritzen aufgehört, Dir hat sie Vieles versprochen und doch war sie diejenige, die dann doch immer zu schwach war, um das alles durchzuhalten. Was Deine Freundin mehr als einmal bewiesen hat, ist, dass sie weiß, dass es ihr oft schlecht geht und dass es Dich und die Beziehung belastet und immer wieder für Dich Dinge versprochen hat, damit endlich alles besser wird. Doch SIE hat darin versagt und nun macht SIE Dich nicht mehr glücklich. Ich glaube Dir, dass es sehr schwer ist, mit einem depressiven Menschen zusammen zu sein, doch sagst Du ja selbst, dass man das das erste Jahr eurer Beziehung überhaupt nicht gemerkt hat. Und dann ist irgendwas passiert, vielleicht seid ihr euch innerlich viel näher gekommen, sie hat sich Dir anvertraut, sich geöffnet und all der Mist der letzten Jahre ist über ihr zusammen gebrochen und damit wurde sie für Dich zur Anstrengung, zum Pflegefall, zur Dauerbelastung, zu jemandem, der Dinge verprechen muss, auf die er vielleicht gar keinen Einfluss hat und somit immer wieder nur enttäuschen kann, zu jemandem, der nicht einfach wegen sich selbst geliebt wird, sondern zu jemandem, der "glücklich machen muss".
An dieser Stelle solltest Du mal auch Deine eigene Rolle und Position in der Beziehung überdenken. War es auch mit Dir immer leicht? Hast Du nie Probleme? Und wie gehst Du mit Deinen eigenen Problemen um? Was bedeutet Liebe, Nähe, Glück überhaupt?

Lieber Antonio, wenn Du sagst, Du liebst sie nicht mehr, dann ist es natürlich die richtige Entscheidung Schluss zu machen. Aber ob Du Dich von ihr trennst oder nicht, beende diese Beziehung nicht, ohne nicht auch Dein eigenes Verhalten reflektiert und hinterfragt zu haben. Selbst wenn Du Dich von ihr trennst, Du wirst für Dich viel davon mitnehmen können.
Und beim Trennen selbst, kann ich Dir leider nicht helfen. Ich denke, wenn Du ihr am Telefon richtig erklären kannst, warum Du es als das Beste erachtest und ihr vielleicht länger darüber redet, wird es schon gut ausgehen.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Glück und Mut dabei.

Viele Grüße,

Anna

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