Problem von Anne - 20 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter...

Hallo,
ich bin zur Zeit als Aupair in Irland bei einer super lieben Familie. Ich bin jetzt seit gut 3 Monaten hier und die ersten zwei Monate lief alles gut.
Die Kinder sind spitze und ich hab sie richtig lieb. Die Eltern meinten auch, dass die Kinder mich lieben und noch nie ein Aupair so schnell angenommen haben.
Nur nach zwei Monaten hatte ich eine Art Autounfall in meiner freien Zeit. Ich habe auch die Kinder immer zur Schule gefahren und abgeholt.
Jedenfalls bin ich an einem Samstag zum Bahnhof gefahren und irgendwie links gegen das Metalltor gefahren. Ich verstehe immer noch nicht wie oder warum das passiert ist! Wirklich! Ich war nicht abgelenkt oder extrem schnell. Ich bin einfach gegen das Tor gefahren.
Ich hab dann natürlich gleich die Eltern angerufen und sie sind gekommen um es sich anzuschauen. SIe waren soo nett und haben mich getröstet, weil ich natürlich völlig am Ende war und geheult habe.
Mein Gastvater meinte er würde mich jetzt zwar gern zusammenstauchen, aber da er selbst im Dezember einen Autounfall verursacht hat, kann er nicht wirklich etwas sagen.
Und meine Gastmutter hat mich gleich umarmt.
Das war für mich echt schlimm. Ich hatte noch nie einen Unfall und dann war mein erster mit einem fremden Auto in einem fremden Land auf der falschen Straßenseite...
Eine Woche später meinten meine Gasteltern, dass ich zuviel Internet verbraucht habe und sie eine Rechnung bekommen haben die sehr hoch war.
Das war für mich ehrlich gesagt irgendwie ein Schock. Ich meine nach fast drei Monaten, dachte ich, dass mit dem Internet alles in Ordnung ist. Vor allem als sie dann meinten, dass ich schon einmal 10 EUR über dem Limit war, sie aber nichts gesagt haben. Da dachte ich nur, ich kann ja nicht hellsehen. Ihr müsst mir so etwas sagen, dann achte ich auch darauf.,.
Das war natürlich auch wieder echt blöd. Dann gab es einen Vorfall, wo ich den kleinen Sohn zu spät zum Mittagsschlaf hingelegt habe und er schreiend aufgewacht ist und ich ihn nicht beruhigen konnte und den Vater angerufen habe. Da waren sie wirklich enttäuscht bzw. sauer.
Und jetzt habe ich aus Versehen irgendwie das Bad geflutet... Dazu muss ich erklären, dass ich oft kein Wasser habe in meinem Bad oben. Also ich öffne den Hahn und es kommt nichts. Dann warte ich oft eine Weile und mache ihn wieder zu. Nur muss ich es dieses Mal vergessen haben und als dann Wasser kam, war der Abfluss (der schon immer langsam war) von meinen Haaren zusätzlich verstopft und so muss das Waschbecken übergelaufen sein und hat einen ziemlichen Schaden angerichtet.
Jetzt hatten wir gerade ein Gespräch und sie meinten, wenn die Kinder mich nicht so lieben würden, würden sie mich nach Hause schicken.
Aber wegen den Kindern geben sie mir noch eine Chance, mich 2 Wochen lang zu beweisen.
Ich verstehe das. Natürlich vertrauen sie mir nicht mehr ganz, nach allem was war.
Mein Problem ist, dass ich nicht verstehe, wie das alles passieren konnte.
Warum passieren mir diese ganzen schlimmen Dinge?! Ich dachte 2 Monate lang, dass alles gut läuft und jetzt das! Ich habe das Gefühl das alles um mich herum zusammenbricht.
Ich will so unbedingt alles richtig machen! Aber es geht schief. Und es gehen immer die richtig schlimmen Sachen schief!
Was stimmt nicht mit mir?

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anne,

jetzt wo ich dir schreibe, ist die Frist von zwei Wochen schon verstrichen, die deine Gasteltern dir gesetzt hatten. Wie ist es ausgegangen? Vielleicht, wenn du Lust hast, würde ich es gern erfahren.

Die Frage, die du zum Abschluss deines Textes formuliert hast, macht deine Verzweiflung deutlich. Es wird dich vielleicht wundern, was ich dir jetzt sage, aber: Mach dich locker. Selbst wenn der für dich schlimmste Fall eingetreten ist, dass du nach Deutschland zurück musstest - wonach du dich jetzt wahrscheinlich noch elender fühlst: Deine Empfindungen sind nachvollziehbar, die Scham und der Ärger, wirklich, absolut. Nur fände ich es wichtig, dass du nicht zu sehr die Enttäuschung deiner Gasteltern, so nett sie auch sein mögen, zu deiner eigenen machst. Für dich sind es "richtig schlimme Sachen", die da schief gelaufen sind; meiner Meinung nach sind all diese Dinge eher Kleinigkeiten. Damit meine ich nicht, dass dein Frust darüber ungerechtfertigt wäre, ganz im Gegenteil. Ich meine eher, du solltest die Reaktion deiner Gasteltern vor dem Hintergrund der Tatsache sehen, dass du eben noch nicht so lange bei ihnen warst, trotz allem nicht voll zur Familie gehörst, und als Aupair eben... nun ja, austauschbar bist. Es ist edel von dir, dass du dir solche Vorwürfe machst, aber sie sind in dieser Schwere, wie ich finde, dir selbst gegenüber ungerecht. Und unschön ist es, dass man es dir so vorhält - das meine ich. Bitte verstehe mich nicht so, dass ich deine Gastfamilie schlecht machen will, das ist bestimmt nicht meine Absicht. Doch so ärgerlich die Vorfälle waren, was danach passiert, beruht immer auf Gegenseitigkeit.

Lass es mich nochmal aufzählen: Du hast einen Autounfall gehabt - konkret, einen Schaden am Auto verursacht. Keinen Totalschaden, und was noch wichtiger ist, kein Personenschaden. Du fährst noch keine halbe Ewigkeit Auto, du bist nicht die erste, der sowas passiert, ohne dass du es dir erklären kannst. Ich kenne viele in unserem Alter, die, obwohl sie sichere Autofahrer sind, schon solche Erfahrungen hatten. Und du warst überdies in einem anderen Land mit Linksverkehr, und peinlich darauf bedacht, dass ja nichts passiert - zu große Achtsamkeit kann auch zur Gefahr werden, davon hat man schon gehört... Fall Nummer zwei: Du hattest Schwierigkeiten, ein Kind zu beruhigen. Liebe Anne, Verzeihung, aber die Mutter, die ihr Kind immer pünktlich zum Mittagsschlaf legt und es immer unter Kontrolle hat, möchte ich mal sehen. Was du erlebt hast, ist doch wohl eine Situation, die beim Umgang mit Kleinkindern regelrecht normal ist, die immer wieder mal vorkommt, mit der man auch rechnen muss. Ich finde es überheblich, dir das vorzuwerfen - vielleicht haben sie eine eher strenge Auffassung; aber wenn du mich fragst, hätte man nach dem "Warum?" überhaupt nicht fragen sollen (woher weiß man denn bitte, dass es daran lag?), sondern die Sache im Wesentlichen übergehen, das Kind beruhigen und dir anschließend danken, dass du nicht versucht hast, es unbedingt allein zu lösen. Du zeigst Verantwortungsbewusstsein - und anschließend wird dir vorgeworfen, dass dir etwas passiert, was mit Sicherheit jeder jungen Mutter schon passiert ist, und von dir auch gar nicht erwartet werden kann, dass du es IMMER souverän hinkriegst. Du hast als Aupair zwar Aufgaben, die du den Eltern abnimmst, das heißt aber noch lange nicht, dass du sie meisterlich beherrschen musst. Erstens, weil das so gut wie niemand tut, zweitens, weil es für dich neu ist, in dieser Rolle zu sein. Vielleicht hast du Babysitter-Erfahrung von früher; auch das wäre aber kein Grund, dir diese absolut banale, zwar unschöne, aber leider nur zu alltägliche Situation zum Vorwurf zu machen.

Auch das mit dem Internet - Anne, machen wir uns doch nichts vor: Wir sind jung, das Internet ist für uns normal, und man nutzt es manchmal so intensiv, dass man die Kosten aus dem Blick verliert. Auch hier gilt - zwar ist es nicht besonders toll, aber ein Weltuntergang gewiss nicht. Das hätte dir auch daheim passieren können, und zwar wirklich aus Unachtsamkeit, dort zumal - wo du im Ausland bist und möglicherweise viel mit Freunden über deine Erfahrungen kommunizierst, auch deinen Schmerz teilen willst. All das ist verständlich. Ich würde die Sache mit der hohen Rechnung unter diejenigen Begebenheiten einordnen, die vorkommen, wenn man jung ist, die ein paar mahnende Worte verdienen, aber keine riesige Aufregung. Auch hier gilt wieder: Du bist eben in einer besonderen Stellung, sie schließt nicht aus, dass sie dich sehr schätzen und sich mit dir gut verstehen - aber bei "der Aupair" nimmt man eben manches anders wahr, als... ja, wie es vielleicht wäre, wenn du die Tochter der Familie wärst, mit deren Schussligkeiten und Leichtsinnigkeiten (wie sie jeder junge Mensch hat) man sich halt arrangieren muss? Bitte versuche, dich hier nicht zu sehr selbst zu quälen. Du hast dich mehr als genug selbst ins Gebet genommen, nun wäre es falsch, dich selbst zu schimpfen, ohne dass du es wirklich verdienst. Es ist gut und wünschenswert, wenn man nach einem Fehltritt erschrickt, sich ärgert und vornimmt, dass es nicht mehr vorkommt. Nun sind hier aber ganz verschiedene Sachen vorgefallen, und dass die unangenehmen Ereignisse sich so gehäuft haben, ist wohl wirklich ein unglücklicher Zufall. Ich kann verstehen, wenn deine Gasteltern etwas entnervt sind - aber wenn sie tatsächlich "schwer enttäuscht und sauer" waren, dann hört mein Verständnis für sie im Grunde auf. Es ist eine Sache, dass sie auf dich nicht angewiesen sind, dass sie dich auch nicht bei sich lassen müssen, wenn vieles vorfällt; aber dass es der Grundsache nach eben keine Katastrophen sind, auch wenn sie es so darstellen, das sollte nicht vergessen werden.

Das mit dem Bad war wirklich ärgerlich, das kann ich mir vorstellen. Doch auch das ist eine menschliche Sache. Du hattest eben das Pech, dass es mit den anderen Dingen zusammen getroffen ist und deinen Stand noch schwieriger gemacht hat. Wie ich sagte: Es ehrt dich, wenn du dich selbst so ins Gebet nimmst. Doch du hast nicht verdient, dich so schlecht zu machen. Du hast eine Pechsträhne gehabt und das, obwohl du doch so bemüht warst, alles richtig zu machen. Ich kann dir nicht sagen, woran es lag; zu einem Teil (wie etwa bei dem Badezimmer) wohl auch daran, dass die Gegebenheiten nicht dem entsprachen, was man kennt (wie hier das mit dem Wasserhahn). Ein anderer Grund mag sein, dass du in deinem Eifer, nichts falsch, ja, alles besonders gut zu machen, gerade erst fahrig und unsicher geworden bist. Das reicht von kleinen Momenten der Überreiztheit (wie vielleicht bei dem Unfall) bis hin zu regelrechter Angst, die dich einengt und das Unglück noch herausfordert (wie bei der Unachtsamkeit mit dem Wasser).

Ich würde nicht sagen, dass etwas nicht mit dir stimmt. Im Gegenteil! Deine Mühe und deine selbstkritische Haltung beweisen doch, dass du viele gute Züge hast. Was darüber hinaus besteht, ist teilweise vielleicht Schussligkeit oder Unbedarftheit, aber daran lässt sich arbeiten. Ich kann dir nur raten, dass du die Ereignisse bei aller Scham auch als das siehst, was sie waren: Menschlich. Und keineswegs tragisch. Sie wirken im Zusammenspiel und, wenn man vielleicht wirklich nicht so viel Geld hat, sehr verärgernd; jedes für sich genommen ist aber alles nichts, was dich zu einem schlechten Menschen macht, Anne. Ich hoffe sehr, dass in der Zwischenzeit nichts weiter vorgefallen ist, und du eine schöne Restzeit in Irland verbringen darfst! Falls nicht: Kopf hoch! Diese Erfahrung wird dich begleiten, und dir auf jeden Fall etwas bringen. Das Verkehrteste, was du tun könntest, wäre, dich jetzt von dir selbst abzuwenden. Denn du bist kein Taugenichts und eigentlich auch keine Pechmarie, sondern dir ist nur das Menschliche nicht fremd. Und in Zukunft wirst du bei all diesen Sachen ja Acht geben, oder? Insofern wünsche ich mir für dich, dass es nicht zu einem auf Dauer schlechten Selbstbild von dir führt. Denn bei allem Frust und allen Selbstzweifeln, denen du dich so bereitwillig ausgesetzt hast (und woran man gerade dein gutes Wesen erkennt), wäre das nicht fair und nichts Rechtes.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul