Problem von Anonym - 15 Jahre

Schwester bevorzugt

Ich habe immer mehr das Gefühl das meine Eltern meine Schwester bevorzugen. Klar sie ist erst 5 aber meine Eltern machen ziemlich viel mit ihr und immer weniger mit mir. Ich fühle mich einfach schlecht. Und ich will aber nicht mit meinen Eltern reden zu mindestens habe ich es schon mal gemacht. sie meinten es wäre tatsächlich so (ich denke es war ironisch). Sie meinen ich wäre immer schlecht gelaunt obwohl das nicht stimmt, in der Schule bin ich immer fröhlich aber zuhause fühle ich mich dann immer schlecht. Da meine Schwester und alle mich sehr sehr nerven. es tut mir einfach im Herzen weh...

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

ich kann deine Empfindung sehr gut verstehen. Ich habe selbst eine kleine Schwester und als ich in der Pubertät war, beschlich mich genau dieses Gefühl...

Auf der anderen Seite kann ich deine Eltern genauso verstehen. Und ich glaube, dass es dir im Prinzip auch so geht. Vom Verstand her weißt du, dass deine Schwester noch aufmerksamkeits - und schutzbedürftiger ist - zumindest kann sie noch nicht so frei herumstromern wie du, allein wichtige Entscheidungen treffen, Situationen überblicken und entsprechend handeln. Dafür ist sie noch auf deine Eltern angewiesen.
Und trotzdem: Du brauchst auch Aufmerksamkeit, sie äußert sich nur anders. Du musst nicht ständig begleitet werden im Alltag, hast vielleicht nicht mehr das drängende Bedürfnis nach Körperkontakt. Viel wichtiger ist dir vermutlich die generelle Bestätigung durch deine Eltern, dass du mit ihnen reden kannst, ihr miteinander verbunden seid, ohne dauernd kuscheln und "aufeinanderhocken" müsst. Es ist eben ein tolles Gefühl, wenn man als Jugendliche jederzeit zu Mama und Papa kommen kann, um etwas Spannendes zu erzählen - um nach 10 Minuten wieder im eigenen Zimmer verschwinden zu dürfen, ohne gleich Ärger zu kassieren. Oder sich mal kurz anzulehnen, aber sich nicht durch`s Haar wuscheln zu lassen (schließlich ist man ja schon zu alt dafür!). Oder sich einen Tipp rund um Freunde und Schule einzuholen, ohne dass gleich eine Standpauke oder eine Moralpredigt folgt.

Aus der Perspektive deiner Eltern betrachtet bietet sich vermutlich folgendes Bild: Sie haben eine pubertierende Tochter, die schon bald ihre eigenen Wege gehen wird, aber zur Zeit oft übellaunig ist. Es gibt viele Tretminen, also lieber vorsichtig sein und sich zurückhalten. Schließlich ist es einfach unangenehm, angemault zu werden, nur weil einem der Nachwuchs nicht egal ist und bestimmte Rechte und Pflichten in der Familie und im Haushalt eben gelten sollen.
Dagegen ist es mit der kleinen Schwester leichter, weil sie berechenbarer ist: Als Mutter und Vater ist relativ klar, was sie braucht, um zufrieden zu sein. Plötzliche Stimmungsschwankungen und Streitereien sind nicht zu erwarten, außer es geht um feste Bereiche rund um Essen - Spielen - Schlafen... da kann man als Eltern aber gut Strategien entwickeln, um für ausgeglichene Stimmung zu sorgen. Anderes bei Teenagern: Auch wenn Eltern etwas lieb meinen, kann es böse nach hinten los gehen. Kann, muss natürlich nicht. Doch gerade wenn du z.B. gestresst aus der Schule kommst (was völlig verständlich ist, finde ich), eskalieren Situationen häufig, weil das Fass sowieso schon fast voll ist. Du bist eventuell überreizt, brauchst deine Ruhe, Zeit zum Runterkommen. Und dann noch gemeinsames Mittagessen, wo alle etwas von dir wollen, deine Eltern sind mitunter selbst genervt - und wenn dann noch die kleine Schwester herumalbert... eine heikle Konstellation!

Deine Eltern sehen wahrscheinlich hinter deiner Genervtheit nicht, was du momentan so vermisst. Sie sehen einen bald erwachsenen Menschen, der nach Autonomie strebt. Das ist gut und wichtig. Die Kehrseite davon ist, dass sie nicht so leicht bemerken (können), dass du dennoch ihre Liebe und Aufmerksamkeit spüren möchtest. Auch wenn du ihnen natürlich auf andere Weise nahe sein willst als deine Schwester.
Es kann durchaus sein, dass sie selbst den (unbewussten) Wunsch haben, wieder mehr innige Momente mit dir zu verbringen. Nur fällt es ihnen vielleicht schwer, das deutlich zu machen (aus Angst, abgewiesen, angefaucht zu werden? Aus ihrer Sicht eine nachvollziehbare Sorge!).

Ich rate dir aus diesem Grund, den ersten Schritt zu machen, damit deine Eltern wissen, woran sie sind. Am besten wäre es, wenn dir ihnen so einfach und klar vermitteln würdest, wie es dir aktuell geht und was du dir wünschst. Ein für sie bestimmt sehr heilsamer Satz wäre ganz schlicht: "Ich habe euch lieb!"
Über deine Bedürfnisse solltest du erst einmal selbst nachdenken - also ob du z.B. mit beiden Elternteilen exklusiv Zeit verbringen möchtest (d.h. ohne deine Schwester) oder ob es dir schon reichen würde, wenn sie dir mehr zuhören würden, wenn du etwas von dir erzählst. Es kann auch um Freizeitaktivitäten gehen, welche ihr früher öfter gemacht habt als jetzt und die dir fehlen. Oder Rituale, die du noch kennst aus deinen Kindertagen und die dir immer noch wichtig sind (und deine Eltern nicht mehr durchführen, weil du ja schon "groß" bist...).
Guckt doch zum Beispiel gemeinsam einen Film, auf den ihr drei richtig Lust habt - natürlich erst, wenn die Kleine im Bett ist. So hast du deine Eltern ganz für dich und musst nicht fürchten, dass deine Schwester "dazwischenfunkt".
Aber auch viele Ausflüge und Aktionen, die ihr zu Viert macht, schweißen euch zusammen. Wenn du zwischendurch ein Stimmungstief hast, ist das total normal und ok. Nur solltest du versuchen, es nicht an den Anderen auszulassen. Sag stattdessen: "Ich klinke mich mal eben für ein paar Minuten aus und laufe hinter euch, ich brauche gerade Zeit für mich..." oder "Seid mir nicht böse, ich bin gerade überfordert..." usw.

Übrigens kann es deinen Eltern auch helfen, wenn du dich bewusst mit deiner Schwester beschäftigst. So haben sie insgesamt mehr Freiraum, was die Chance erhöht, dass sie sich besser auf dich konzentrieren können. Außerdem zeigt es ihnen, dass du Verantwortung in eurer Familie übernehmen willst und dir nicht alles egal ist. Das kann sozusagen eine "Kreislauf des Guten" in Gang setzen.

Und eines möchte ich dir noch verraten: Es ist so vieles im Wandel, vor allem in der Pubertät und bei deiner Schwester. Was heute noch nervig und anstrengend ist, kann morgen schon aufregend sein. Ihr könnt noch viele schöne Momente als Familie verleben. Es kommt darauf an, in Kontakt zu bleiben und sich gegenseitig zu respektieren. Das ist mindestens die halbe Miete!

Alles Liebe,
Nuala