Problem von Katy - 13 Jahre

Meine Eltern verbieten mir den Kontakt zur meinem Freund, weil er Moslem ist!

Hallo. Es wäre unglaublich, wenn geantwortet wird! Also... Ich habe schon seit längerer Zeit ein sehr sehr angespanntes Verhältnis zu meinen Eltern. Eigentlich seit fast 2 Monaten, genau seit dem ich einen Freund habe. Er ist 16 und Türke. Ich bin Griechin also Christlich Orthodox. Mein Vater will mir den Kontakt zu ihm verbieten. Es gibt nichts anderes auf der Welt, dass ich mehr liebe als ihn, doch ihn Interessiert das nicht. Ich bin der Meinung, dass ich ihn Heiraten werde und er auch. Aber wie sollen wir die Beziehung richtig weiter führen, wenn meine Eltern es mir verbieten. Sie haben mir mein Facebook weg genommen, andere Apps gelöscht, mein Handy haben sie mir auch weg genommen und geben es mir nur zurück, wenn ich irgendwo raus gehe (und das voll selten) und sonst darf ich nicht dahin gehen wo er auch ist. Ich muss immer alles heimlich machen. Abgesehen davon wollen wir, dass ich mal wieder zu ihm geh, dass wir wieder Zeit für uns haben, unter uns sind, alleine und unsere Ruhe haben. Mein Vater nimmt mir auch ab und zu mein Laptop weg, mit dem ich eh nicht viel machen kann. Ich schreibe meinem Freund immer durch meiner Mutter ihr Facebook. Ich weis zwar nicht ihr Passwort aber sie ist im iPad eingeloggt. Doch mein Vater hat rausgekriegt, dass ich mit ihm noch Kontakt habe und blockt ihn auf meiner Mutter ihr Facebook. Aber wie soll ich ihm denn schreiben, wo sollen wir uns treffen? Mein Vater hat mich auch das letze mal geschlagen, er wollte mir eine Ohrfeige geben und hat meine Nase getroffen. Am gleichen Tag bin ich von zu Hause abgehauen und habe mein Handy mitgenommen, was auf dem Schreibtisch meines Vaters lag, bin zum supermarkt gerannt, habe meinen Freund angerufen und uns dort getroffen. Dann hat mich mein Freund zur vernunft gebracht und wir haben mein Vater angerufen, dass er mich abholt. Ich darf nie raus, ich werde immer Kontrolliert. Mein Vater beleidigt ihn und Urteilt komplett falsch über ihn nur wegen seiner Religion! Das ist doch schon Rassistisch. Er frägt mich immer für welcher Seite ich wäre wenn Griechenland und Türkei Krieg führen würden. Er kommt immer mit Kriege, Politik und dem Koran. Dabei ist er nicht so streng Muslimisch. Ich verstehe das nicht warum geben sie ihm keine Chance. Bitte, bitte könnt ihr mir helfen und auf meinem Problem antworten. Ich weis es ist ein sehr langer Text aber ich bin davon überzeugt, dass es mehreren Menschen genauso geht. Aber ich finde, dass die Liebe über die Religion steht. Denn es steht sowohl in der Bibel als auch im Koran, dass man keine Liebe brechen soll. Wenn meine Eltern doch so streng christlich sind können sie auch auf die Bibel eingehen, dass man keine Liebe brechen soll. Ich liebe ihn wirklich sehr und ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Wir werden es beide eh nicht zu lassen, dass mein Vater unsere Beziehung und Liebe bricht, sowas wird er niemals schaffen, aber wir wollen mehr Zeit miteinander verbringen und das muss nicht immer heimlich ablaufen denn wenn es raus kommt gibt es noch größere Probleme. Denn auch wenn mein Vater sagt erst wenn ich 18 bin kann ich machen was ich will, soll doch mein Kind deren Großeltern von ihrer Mutter die seite kennen und ich werde sicherlich Unterstützung brauchen um Erwachsen zu werden und auf eigenen Füßen zu stehen. Abgesehen davon brauche ich mein Segen meiner Eltern die Unterstützung meiner Mutter mein perfektes Hochzeitskleid zu finden und meinen Vater der mich zum Altar führt. Alsooo... BITTE hilft mir, gibt mir paar Tipps oder sonst was. Ich wäre euch wirklich SEEEEHR dankbar. Ich bedanke mich schonmal im Vorraus. Liebe Grüße, Katy!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Katy,

es tut mir leid für dich, dass deine Eltern so unnachgiebig sind! Zudem liegst du richtig: Du bist mit deinem Problem nicht allein. Hier im Kuka haben sich schon einige Menschen, Mädchen und Jungs, zu Wort gemeldet, denen es sehr ähnlich ging. Allerdings, das muss ich zugeben, waren die meisten älter als du. Ich werde versuchen, dir ein paar Gedanken mitzugeben - doch muss ich gleich zu Anfang deutlich machen, dass ich eine wirkliche Lösung auch nicht habe. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, deine Eltern umzustimmen. Aber wenn sie wirklich so wütend dagegen sind, wie du es geschildert hast, stehen die Chancen auch nicht allzu gut. Nun aber erstmal der Reihe nach.

Mir ist eines besonders wichtig: Man merkt deinem Text an, dass du sehr in deinen Freund verliebt bist. Du träumst von eurer Hochzeit, von einer gemeinsamen Zukunft, und umso mehr leidest du deshalb unter der Uneinsichtigkeit deiner Eltern. Es ist wirklich schön, dass du diese Wünsche und Träume hast, dass du deine Liebe leben möchtest. Auch scheint mir, dass dein Freund sehr vernünftig ist, in der Situation vor dem Supermarkt hat er sich meiner Meinung nach sehr gut verhalten. Denn was wäre gewonnen, wenn du jetzt irgendwo da draußen wärst? Eher wenig. Noch wohnst du zuhause, gehst zur Schule und bist auf deine Eltern angewiesen. Dein Ärger und deine Verzweiflung sind daher gut verständlich - denn du hast vollkommen recht, die Liebe ist etwas sehr Achtsames, das man ernst nehmen sollte, und das man eigentlich auch nicht verbieten kann.

Was ich dir jetzt sage, wirst du trotzdem vermutlich nicht gern hören: Du bist noch sehr jung. Ob eure Beziehung - so sehr ihr euch auch liebt - für immer andauert, ob ihr gemeinsam leben werdet - das kann man jetzt noch nicht sagen. Es liegt noch zuviel Zeit dazwischen. Als ich vierzehn Jahre alt war, war ich wie du in der Situation, dass meine Eltern meine Beziehung nicht gut geheißen haben. Es hat mich viel Mühe gekostet, es irgendwie hinzukriegen; gehalten hat es dann letztendlich doch nicht. Es geht mir hier überhaupt nicht darum, deine Gefühle für deinen Freund schwach zu nennen, oder deine Eltern zu unterstützen - keines von beidem, auf keinen Fall. Dennoch solltest du im Blick behalten, dass es noch lange dauert, bis du auf eigenen Beinen stehen wirst. Darum ist es leider unerlässlich, dich mit deinen Eltern irgendwie zusammen zu raufen. Ich kann dir nicht wirklich sagen, wie es gelingen kann, sie von eurer Liebe zu überzeugen; aber vielleicht habe ich ein paar Anregungen für dich, wie ihr einander besser verstehen könntet.

Dass ihr aus Griechenland stammt, macht die Sache zusätzlich kompliziert. Griechenland und die Türkei haben geschichtlich ein sehr schwieriges Verhältnis, und haben es bis heute. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zum Beispiel für deine Großeltern sehr erschreckend wäre, einen Türken (und überdies eines Muslim) als deinen Mann zu sehen. Oder auch nur als deinen Freund. Und in seiner Familie mag es ähnlich sein. Ich möchte dazu den Satz aufgreifen, mit dem du deinen Text beendet hast: "... brauche ich den Segen meiner Eltern, die Unterstützung meiner Mutter, mein perfektes Hochzeitskleid zu finden, und meinen Vater der mich zum Altar führt." Hier wieder: Du liebst ihn! Und zwar so richtig. Das finde ich toll, das freut mich - dieses Gefühl sollte nicht geschmälert oder verachtet werden. Es ist, wie ich finde, sehr wichtig, im Leben so starke Gefühle durchlebt zu haben, und eine solche Liebe zu erleben. Du darfst dich sehr glücklich schätzen, dass du das für deinen Freund empfindest, und er für dich. Trotzdem, und jetzt kommt das große Aber: Das, was du beschrieben hast, das Bild von deiner Hochzeit, ist sehr christlich geprägt. Aber, Katy - wird dein Freund dich in einer Kirche heiraten? Darf er das? Will er das? Ich weiß es nicht. Nur du kannst es beantworten. Vielleicht ist seine Familie nicht streng religiös - sagen wir, er, seine Eltern, Geschwister. Aber wie sieht es bei ihm mit der restlichen Verwandtschaft aus? Würden sie das akzeptieren? Würde er dir zuliebe die Religion wechseln? Oder würdest du das tun? Wenn du religiös heiraten willst, musst du diese Frage für dich beantworten. Und wie sieht es mit Kindern aus: Werden sie christlich oder muslimisch sein? Und wie werden sie dann aufwachsen? Werdet ihr alle Ansprüche zufrieden stellen können? Vielleicht merkst du an dieser Stelle: Das Thema ist doch umfangreicher, als du denkst. Denn du hast zwar völlig recht damit, dass zwei verschiedene Religionen eine Liebe zueinander weder verbieten können noch verhindern sollen. Aber die Liebe selbst, das Gefühl, ist eben nur die Spitze des Eisbergs. Wenn man gemeinsam leben will, gilt es, viele Menschen mit einzubeziehen, Traditionen zu beachten oder zu verwerfen, Erwartungen zu erfüllen.

Wenn du sagst, dass dein Freund nicht streng religiös ist: Was heißt das konkret? Denn es ist sehr schwer zu bewerten, was noch "freiheitlich" ist, und was nicht mehr. Als Mann hat man vor einem religiösen Hintergrund zumeist mehr Freiheiten, egal ob christlich, muslimisch oder etwas Anderes. Ich kenne auch genügend Kinder aus christlichen Familien, die es bestimmt sehr schwer hätten, wenn sie sich in jemanden verlieben würden, der einen anderen Glauben hat, oder auch nur einer anderen Kirche angehört - oder in jemandem vom eigenen Geschlecht. All die Vorwürfe, die meistens nur gegen Muslime erhoben werden, müssten sich sehr viele Christen auch einmal gefallen lassen. Wir sind nicht "die Guten" oder "die Besseren". Aber das ändert nichts daran, dass du wahrscheinlich bisher mehr Freiheiten hattest, als viele (nicht alle) Mädchen mit muslimischem Bekenntnis. Ich kenne viele junge Muslimas, die ihren Glauben sehr selbstbewusst leben, die mit Stolz ein Kopftuch tragen, zum Teil auch ganz freiwillig, und die die Erwartungen an sie auch nicht stören, sondern die sie mit besonderer Sorgfalt annehmen. All das ist die ganz bunte, ganz und gar vielfältige Wirklichkeit. Jedoch solltest du dich trotzdem vergewissern, wie es bei der Familie deines Freundes aussieht: Würden sie es begrüßen, wenn du dich dem Islam zuwendest? Würden sie erwarten, dass dein Freund das Geld verdient, du den Haushalt und Kinder als dein Teil ansiehst? Hat dein Freund Schwestern, Kusinen - tragen sie ein Kopftuch? All diese Sachen müssen noch nicht bedeuten, dass jemand schlecht behandelt oder gar unterdrückt wird. Doch es heißt durchaus, dass bestimmte Erwartungen, bestimmte Moralvorstellungen vorhanden sind, die man nicht gerne verletzt sieht. Es gibt nicht nur "streng" und "nicht streng", sondern sehr viele feine Farbtöne dazwischen. Was für einen weist die Familie deines Freundes auf? Es gibt deutsche christliche Mädchen, deren Eltern keineswegs religiös sind, die aber trotzdem nicht lange raus dürfen. Oder auch gar nicht. Einfach, weil die Eltern sich denken, das braucht es nicht, oder das gehört sich nicht, egal was der Rest der Gesellschaft dazu meint. Und andersherum gibt es muslimische Mädchen, die Regeln folgen müssen, die wir als einengend empfinden mögen, die - im Vergleich - aber noch locker sind, und von ihnen auch nicht als schlimm empfunden werden.

Im Moment ist der Konflikt zwischen dir und deinen Eltern regelrecht eskaliert. In dieser Lage könnte es nützlich sein, das Ganze erst einmal ein bisschen "runterzukochen". Du musst den Kontakt mit deinem Freund nicht abbrechen, aber vielleicht entscheidet ihr euch, dass ihr für eine kleine Weile still halten wollt, bis ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist. Hast du darüber nachgedacht, ob ihr euch Briefe schreiben könntet? Dass mag jetzt sehr altmodisch klingen, aber sieh mal: Man kann sich dafür Zeit nehmen, sie schön gestalten - und ihr habt danach eindrückliche und romantische Erinnerungen an diese für euch schwierige, aber auch prägende Zeit. Vielleicht wird es möglich sein, mit deinen Eltern noch einmal darüber zu sprechen, wenn sie nicht mehr so massiv damit beschäftigt sind, euch auseinander zu halten. Ich würde dir empfehlen, mit deinem Freund das zu klären, was ich oben beschrieben habe: Wie stellt ihr euch das Weiter vor, die Zukunft - wenn ihr sie denn plant? Versuche auch, das Thema Religion anzuschneiden, es ist wichtig. So wirst du ein Bild davon gewinnen, wo es noch Klärungsbedarf gibt, wo in Zukunft Streit entstehen könnte - denn den gibt es nun mal in jeder Beziehung früher oder später. Das Nächste ist, dass es gut sein könnte, wenn dein Freund mit seinen Eltern offen über eure Liebe spricht. Wenn er sich sicher ist, dass es für sie in Ordnung ist - okay, das ist jetzt nicht einfach, aber ich schlage es dir dennoch vor: Ich könnte es mir wirksam vorstellen, wenn man eure Eltern ins Gespräch bringen würde. Meinst du, ihr könntet seine Eltern bitten, die deinen anzurufen? Dann wäre vielleicht Manches zu klären, und eines ist klar, mit wirren Sätzen von Krieg und Unterdrückung wäre es schnell vorbei. Man sagt sowas in der Regel nicht, wenn man die Menschen direkt vor sich hat (oder am Ohr), um die es geht. Und so hart, dass sie es doch tun würden, stelle ich mir deine Eltern nicht vor. Sie alle wissen, dass ihr zwei jung seid, dass gegen die Liebe kein Kraut gewachsen ist; und ich denke, eine Möglichkeit besteht, dass sie einsehen, dass es besser ist, das Ganze sich entwickeln zu lassen, statt es zu verbieten, was eure Entschlossenheit doch nur vergrößert. Wie ich oben schon schrieb: Über die Zukunft lässt sich nichts sagen, dafür ist es einfach zu früh. Erfreue dich an deinen Träumen, aber wenn Schwierigkeiten auftauchen, sei dir auch darüber klar, dass das allen so geht, und dass das, was du jetzt fühlst, nicht für alle Zeiten gelten muss. Ich sage dir das nicht, weil ich eure Liebe nicht gut finden würde - im Gegenteil, es freut mich, dass ihr diese Schranken überwinden möchtet! Doch ich sage es dir, weil ich das jedem Mädchen in deinem Alter schreiben würde, die vor ähnlichen Problemen steht, ob der Religion wegen oder aus anderen Gründen. Lasse auch der Zeit die Möglichkeit, zu wirken - dann wird es vielleicht halten, vielleicht nicht; in jedem Fall aber wird es für dich schön sein, lehrreich, und, falls es nicht hält, auch nichts, dessen du dich je schämen müsstest. Nur: Behalte die Wirklichkeit im Auge. Darum bitte ich dich, denn so sehr es mich begeistert, dich so entschlossen und logisch argumentieren zu sehen - wenn du dich gegen jeden Widerstand in eine Sache verbeißt, dann entsteht auch ein großer Leidensdruck und eine Gefahr für dich.

Mein Rat ist daher: Versucht - ihr beide - die Eskalation zu beenden, und dann, spielt mit offenen Karten, seid ehrlich zueinander, versucht, seine Eltern ins Boot zu holen, oder andere Verwandte, auch von dir. Nur: Nehmt Rücksicht aufeinander, und schützt euch selbst, wenn es gar nicht geht. Oder, wenn ihr unabhängig von dieser Sache in Streit geratet: Seid so ehrlich zu euch selbst (besonders du), dir einzugestehen, wenn du keine Kraft mehr hast. Diese Liebe ist es wert, für sie zu kämpfen, Katy, aber - wenn es nicht klappt, ist es auch nicht dein Schicksal, sie allem zum Trotz zu behaupten. Daran denke bitte stets! Es geht um dich und dein Wohlergehen, seelisch, körperlich - und es ist nicht auf Gedeih und Verderb an deine jetzige Beziehung geknüpft. Dies alles für den Fall, dass alles nichts hilft, wie gesagt! Im Übrigen bleibt mir nur, euch viel Kraft und Glück zu wünschen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul