Problem von Tobi - 18 Jahre

Alles von Vorne

@ Paul G.

Hallo,
Lang ist es her, seit dem ich dir geschrieben hab, knapp 2½ Jahre ist die Geschichte mit dem muslimischen Mädchen jetzt her, ich hab gekämpft, hab mich gefangen, ich bin von ihr so gesehen ,,geheilt".
Ich kann sogar von mir behaupten, dass es mich in gewisser Weise stark gemacht hat.

Einiges hat sich geändert, ich hab neue Freunde gefunden, eine ist jetzt sogar meine beste Freundin, wir bauen uns gegenseitig auf.
Ich lerne in letzter Zeit viele Leute kennen, Schüchternheit ist kein Problem.
Doch ich bekam nie dass, nach was ich mich wirklich sehne: Liebe.
Ironischerweise bin ich Schuld dran, dass andere jetzt zusammen sind. Was ich dehnen auch gönne.

Und so beginnt die Geschichte:
Es war ein Donnerstag, ich hatte Berufsschule, meine beste Freundin auch. Ich unterhielt mich im Zug mit ihr über ein Mädchen - Sandra. Sie war mir sofort aufgefallen, sie war anders als die anderen Mädels, sie hatte so eine Anziehung auf mich.

Ich hatte auf jeden Fall schon um 12 Schulschluss, meine BF erst um 4. Ich hatte die Wahl, so stand ich mit ein paar Kumpels am Bahnhof und wartete auf den Zug nach Hause. Doch dann hatte ich total Lust in die Stadt zu gehen, und so stieg ich einfach in den Zug Richtung Innenstadt ein, mein Kopf sagte es mir einfach.
So bin ich durch die Stadt, was Essen, was gekauft. Den Zug um kurz vor 3 wollte ich nach Hause nehmen, verpasste ihn aber. Dann dachte ich mir, nimmst du halt den um Viertel nach Vier.

Dann eine Durchsage: alle Verbindungen fallen wegen eines Unfalls aus. Hat mich total geärgert. Dann fiel mir meine BF ein, die jetzt Schule aus hat. Also fuhr ich mit dem Bus zurück zur Schule. Sie wartete schon auf mich - mit Sandra.
Der Schienenersatzverkehr war nur ein Bus, der wahr total überfüllt, meine BF bekam noch einen Platz. Nicht aber ich und Sandra. Es war so eng, dass wir uns sehr nah kamen, und das 1 Stunde lang! Ich hab mich mit ihr Unterhalten, lief ganz gut, sie lachte viel, sah mir immer wieder tief in die Augen.

Als wir am Bahnhof ankamen, stiegen wir aus, dort trennten sich unsere Wege, sie drehte sich nochmal um, ich werde dieses Gesicht und dieses lächeln nie vergessen.
Wir schrieben uns den ganzen Tag in Facebook, dann hat sie mir ihre Nummer gegeben, weil ich meinte Whats APP währe besser.
Das waren die glücklichsten Tage seit 2½ Jahren.

Dann kam die Zeit in der ich keine Schule habe, in dieser Zeit traf sie meine beste Freundin im Zug, sie haben sich oft über mich unterhalten, und plötzlich meinte sie, dass sie nie mit mir Zusammen sein wolle und dass ich einfach nur ein Zeitvertreib im Zug war? Dass ich nicht ihr Typ wäre? Sie kennt mich doch fast nicht.

Ich hab mit ihr seitdem kaum geredet.
Alle sagen wir würden das perfekte Paar abgeben. Ich bin wieder am Boden. Ich dachte ich bekomme endlich mal ne Chance auch diese ganzen tollen Seiten der Liebe kennenzulernen, stattdessen bereitet sie mir wieder nur Kummer.
Mir fehlt das alles einfach so, einfach die ganzen Zärtlichkeiten, Wärme. Ich dreh noch durch......

Ich komme Teilweise nicht damit klar, sich küssende Paare zu sehen. Es macht mich traurig.
Ich versuche meine Sorgen einfach alle zu verdrängen, doch selbst in der Arbeit fragen schon Kollegen ob alles OK bei mir sei, weil ich ab und zu so verträumt bin.

Nächsten Samstag sehe ich Sandra auf ner Grillfeier wieder, ihr wurde extra nicht gesagt, dass ich auch komme, mal schauen wie deprimiert ich danach wieder bin.
Schon ein komischer Zufall wie ich sie kennengelernt habe.

Naja, es ist ja nicht das erste mal, dass ich von der ach so tollen Liebe einen Schlag in die Fresse bekomme, aber ich weiß zumindest schon, dass ich es überlebe. Ich stumpfe mit der Zeit nur immer mehr ab.

Viele sagen, ja, du bist doch erst 18, hast noch so viel Zeit.....
Ich habe neulich ein Mädchen kennengelernt, wo sich rausstellte, dass sie unheilbar krank ist. Vermutlich überlebt sie ihren 25 nicht, was soll die dazu sagen......
Oder ein Kollege, wahr noch junge 20, stirbt mit 2 anderen auf dem Weg zur Arbeit bei nem Unfall.
Man weiß nie, wann es mit uns zu Ende geht, und man sollte einfach des beste daraus machen, aber so wies grad is, wird das schwierig bei mir.

MFG
Tobi

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Tobi,

hello again! Du wirst, was Sandra betrifft, vielleicht schon mehr wissen, wenn ich dir schreibe. Ergänze es gern, wenn ich also völlig daneben liegen sollte. Ich will versuchen, dir eine Einschätzung deiner Lage zu geben, die für dich zukunftsfähiger ist, als sie sich dir selbst darstellt. Denn als so verfahren und niederschmetternd, wie du das alles einordnest, muss es gar nicht gesehen werden.

Wir haben uns jetzt ja schon einige Male geschrieben, Tobi - und ich kann offen sagen: Ich habe dich gern. Und ich habe inzwischen auch das Gefühl, eine gewisse Vorstellung gewonnen zu haben, wie du fühlst. Vielleicht ist es nötig, dass ich dir in der jetzigen Sache ein bisschen "den Kopf wasche" - nimm es bitte nicht persönlich.

Tobi, du hast deinen Titel vollkommen richtig gewählt. Denn leider bist du im Begriff, denselben Fehler nochmal zu machen. Du bist ein sehr lieber und umgänglicher Mensch, aber du hast (scheint mir) den Zug, sehr schnell sehr schwarzseherisch zu werden. Dinge, die schmerzhaft sind, wachsen so ins Unermessliche. Du wirst dir nicht helfen, wenn du selbst dich immer wieder herabsetzt, weil deine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind. Ich sage noch einmal: Miss dich nicht an Anderen. Du führst dein eigenes Leben, und nachdem du so viel geleistet hast, immer wieder Kontakte geknüpft, Freundschaften geschlossen, dein Leben neu geordnet und dir Lob erworben - da bin ich mir absolut sicher, dass du dein Glück finden wirst. Nur darf es nicht mehr so sein, dass Rückschläge (wenn du sie so empfindest) dir Anlass zur Trauer geben. Im Gegenteil, sie müssen dir Grund sein, noch eifriger und zielbewusster zu werden.

Folgendes ist passiert: Du hast über deine beste Freundin ein Mädchen kennen gelernt, die du echt toll findest. Oder besser gesagt, du bist in sie verliebt. Ihr kennt euch wenig, habt euch aber gut unterhalten und geflirtet. Mag sein, dass sie nach dieser Erfahrung nicht unbedingt sagen kann, dass du überhaupt gar nicht ihr Typ bist; andererseits, du kannst doch auch nach so kurzer Zeit schon sagen, dass du auf sie stehst? Ihr seid euch sympathisch, aber es hat bei ihr noch nicht "Klick" gemacht. Das hat sie dir über deine Freundin mitgeteilt. Und du bist traurig darüber. Verständlich, aber: Was heißt das schon? Wer sagt dir denn, dass sie nicht diese Erfahrungen in sich bewegen, und das in einem Monat ganz anders sehen wird? Wer sagt dir, dass du nicht morgen etwas tun wirst, bei dem sie sich, ohne dass du es beabsichtigst, denkt: "OMG... er ist sooo süß!" Das alles kann sein. Du wirst es nur erfahren, wenn du unerschrocken in die Zukunft blickst, und einfach weitermachst wie bisher: Kontakt suchst, dich unterhältst, Menschen offen begegnest. Du hast viele gute Eigenschaften, bist für Mädchen vielleicht öfter der Kumpeltyp - aber immerhin, ein guter Anfang ist das. Du darfst jetzt auf gar keinen Fall den Kopf in den Sand stecken. Hör auf, die Tage zu zählen, die du ohne Partnerin verbringst, und schwadroniere nicht über den Tod, ehe er da ist. Nimm jeden Tag als Kunstwerk für sich an, als Herausforderung - und lebe ihn so, dass du, wenn du zu Bett gehst, sagen kannst: "Das war voll. Ich habe gelebt, heute." Denn was du suchst, lässt sich nicht finden, es findet dich - man weiß nicht, wie und wann. Doch du hast den großen Vorteil, dass du dich bereits überwunden hast, mit Leuten nicht nur auskommst, sondern einen Freundeskreis pflegst und auf Sympathien stößt. Hier im Kuka wirst du so viele Geschichten finden, die mal sämtliche Klischees zu bestätigen scheinen (was Frauen wollen... wie Männer ticken...), dann wieder ihnen völlig zuwider laufen. Es gibt Zahlen - dein Alter; die Paare um dich herum; und vieles mehr - und es gibt die komplexe Wirklichkeit. Wir wissen gar nichts über den morgigen Tag, wir wissen nicht, was die Leute verbergen, die uns glücklich scheinen, wissen nicht, wie ekelhaft die sein können, mit denen wir uns super verstehen. Nicht wissen heißt aber auch: Alles ist möglich. Und du darfst nicht zulassen, dass es wieder anfängt, dir hohl zu klingen. Dein Leben muss viel zu spannend sein, um überhaupt Raum für diesen Gedanken zu lassen.

Letztlich kannst du dem Leben nicht entkommen. Wenn ich morgen tot wäre, wäre ich dann mit meinem Leben zufrieden? Sicher nicht mit allem. Und dieser Gedanke ist es doch, der uns immer wieder aufrütteln kann - anstatt uns verzweifeln zu lassen: Kann ich sagen, dass ich alles gegeben habe? Solange noch Leben in mir ist, um meine Ziele zu verfolgen, und ich diese Kraft nicht nutze - solange, nein. Du bist in genau der Gefahr, die du selbst schon erkannt hast, Tobi: Unterscheide nicht mehr zwischen heiß und kalt, Verzweiflung und bebender Hoffnung, sondern zwischen Kampf... und der Ruhe, die man sich gönnen muss. Kampf klingt so pathetisch, so brutal, doch gemeint ist nur, das Leben nicht immer an Bedingungen zu knüpfen, ab deren Erfüllung alles endlich besser werden soll. Wenn man mal in einer Beziehung ist... ja, dann fangen die Probleme oft erst an. Diese ewigen "Wenn ich erst..., dann...!", die man sich so vorbetet, sind Käse, denn es läuft nie alles wie geplant, wie gewünscht. Man tritt einfach nicht irgendwann über die magische Grenze ins Licht, nein. Und so wirst du dich immer wieder vor ganz neue Aufgaben gestellt sehen. Wenn du dich selbst deiner Trauer auslieferst - die für sich genommen erstmal völlig okay ist, denn du bist ein Mensch mit starken Gefühlen - dann trauerst du nicht mehr nur, dann bist du dabei, abzuschließen. Willst du das? Nein, oder? Alles in dir schreit doch nur nach noch mehr Eifer, nach noch mehr Beißen... es ist nur der Frust des Augenblicks, der dich zurückwirft. Lasse ihn zu, da er menschlich ist, aber lasse ihn nicht herrschen. Das ist ein Unterschied. Solange du nur in einer Emotion leben willst, einer guten oder einer schlechten, stehst du vor dem großen Problem Wirklichkeit. Sie kennt nicht bloß absolute Gefühlszustände, sondern viele, viele Verwicklungen und überraschende Wendungen. Kannst du sie voraussagen? Dann sei nicht so schnell mit der Absage an dein Leben bei der Hand. Du hast doch, wenn du es mal positiv zu betrachten versuchst, auch viel Gutes zu vermelden: Du kannst gut mit Frauen, kommst ins Gespräch, erweckst Gefallen (wenn auch nicht bis zum Äußersten, bis jetzt) - man interessiert sich für dein Liebesleben, mögliche Verbindungen. Tobi, bleib da dran! Es geht nicht immer Knall auf Fall! Wenn du jetzt beißt, nicht aufgibst, wer weiß was morgen geschieht. Nur darfst du dich nicht dieser absoluten Weltsicht, dem Pendelspiel zwischen Licht und Schatten ergeben, das du allzu oft zulässt, und wodurch deine Enttäuschung natürlich jedes Mal noch größer wird. Du kannst es als Schlag in die Magengrube sehen - oder als nicht völlig geglückte, aber im Endeffekt doch motivierende Begegnung auf dem Weg zum Ziel. Denn was weißt dieses Erlebnis denn mehr aus, als dass du auf einem sehr guten Weg bist? Überleg es dir. Man kann es auch so sehen. Und ich glaube, wenn du dir diese Sichtweise erlaubst, wird es immer weitergehen können.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul