Problem von Anonym - 14 Jahre

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Also, ich habe sehr lange darüber nachgedacht ob ich hier von meinen Problemen schreiben soll. Normalerweise fresse ich einfach alles in mich hinein, weil ich anderen nicht wirklich vertraue. Ich habe zwar Freunde, die mich so akzeptieren wie ich bin, aber ich vertraue ihnen trotzdem nicht. Ich weiß nicht warum. Meine Familie ist muslimisch. Sie wirken auf andere wahrscheinlich sehr integriert und wertvoll für die Gesellschaft. Meine Geschwister studieren und mein Vater arbeitet meine Mutter kümmert sich um den Haushalt. Ich gehe schon seit 8 Jahren jedes Wochenende zur Moschee. Früher habe ich das liebend gerne gemacht. Meine damalige Moschee war zwar sehr streng, jedoch hat mich der Glaube an Gott immer wieder motiviert hinzugehen. Bis ich dann mit 13 den Glauben an Gott verlor. Bitte kommt mir jetzt nicht mit Sprüchen
wie:
"Du wirst den Glauben an Gott schon wieder finden !! 1111! 1"

Ich habe selbst lange darüber nachgedacht und kam zu einem Entschluss. Ich bin Atheistin, aber das ist an sich ja kein Problem. Ich habe nichts gegen religiöse Menschen. Jeder soll einfach an das glauben, was er möchte.
Solange keine anderen Menschen dabei in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Doch meine Familie denkt anders. Ich hielt es nicht mehr in dieser strengen Moschee aus. Das einzige was mich dort hielt war meine Freundin.
Doch sie wechselte irgendwann die Moschee. In dieser Zeit habe ich mich sehr einsam gefühlt. Ich nahm meinen Mut zusammen und sagte
meinen Eltern, dass ich nicht mehr zur Moschee gehen möchte. Sie waren natürlich total geschockt und sagten das ich hingehen muss.
Also ging ich weiter dort hin. Ich konzentrierte mich irgendwann garnicht mehr in der Moschee. Ich machte alles nur noch halbherzig und fing an das Wochenende zu hassen. Irgendwann erzählte meiner Schwester, dass ich nicht an Gott glaube. Sie hat es natürlich meinen Eltern erzählt. Naja, war auch zu erwarten. Sie sind total durchgedreht. Sie sagten, dass ich vom Teufel besessen bin. Meine Schwester, die 26 jahre alt ist,
weinte wie ein Baby. Meine Eltern wollten es auf keinen Fall akzeptieren. Sie suchten bei irgendwem die Schuld. Sie gaben letztendlich der viel zu strengen Moschee die Schuld. Sie sagten, dass ich meine Meinung auf jeden Fall ändern muss. Nach der Meinung meiner Familie, bin ich viel zu jung, um meine Religion selbst auszusuchen, nach deren Meinung darf ich mir eigentlich überhaupt nicht meine Religion aussuchen, egal wie alt ich bin. Das war nur eine billige Ausrede. Jedenfalls hat mich meine Schwester zu einer Hoca gebracht. (Hoca = Gelehrte/r im Islam) Sie
hat dann, über das typische Zeugs geredet. Halt das der Teufel mir irgendwas zuflüstert. Meine Mutter sagte auch noch, dass sie mich nicht als ihre Tochter akzeptieren würde, wenn ich keine Muslima bin. Das zerbrach mir das Herz. In diesem Moment verlor ich jegliche liebe zu meiner Mutter. Der Rest meiner Familie reagierte auch nicht besser, aber so etwas hätte ich echt nicht erwartet. Meine Schwester stimmte ihr auch
noch zu. Mein Bruder wollte mich sowieso einfach nur die ganze Zeit schlagen. Er hat sich zurück gehalten und mich wie eine Fremde behandelt. Ich weinte, sehr lange im Badezimmer. Ich weine nicht gerne neben anderen. Monate vergingen, meine Familie fing an Witze über mich zu machen. Ich weiß nicht, ob es aus Verzweiflung war, aber es freute mich. Ich konnte es etwas mit Humor nehmen. Ich verließ meine alte Moschee. Monate lang blieb ich Zuhause, aber meine Familie ließ natürlich nicht locker. Sie sagten, dass sie mich nur nicht zu Moschee schicken damit ich über mein fehl Verhalten nachdenken konnte. Das hieß:
"Wir warten darauf, dass du deine Meinung änderst. Also beeile dich lieber damit und sei froh, dass wir dir soviel Zeit geben. Wir sind ja so eine gute Familie !"
Meine Familie wurde immer aufdringlicher. Sie ließen mich nicht mehr alleine Zuhause, weil ich angeblich im Internet irgendwas satanistisches lese oder so. Wenn ich längere Zeit in meinem Zimmer blieb, sagten sie, dass ich neben ihnen sitzen soll.
Das war mir unangenehm. Sie raubten mir langsam meine Privatsphäre. Ich verstand, wenn ich meine Meinung nicht ändere, dann werden sie mich nie in Ruhe lassen. Also log ich sie an. Ich sagte, dass ich wieder zu Gott fand. Meine Eltern glaubten mir das, ob mir meine Geschwister glauben, weiß ich nicht, aber mein Alltag wurde nach einer gewissen Zeit wieder halbwegs normal. Meine Familie hielt diese Angelegenheit
natürlich geheim. Sie sagten, dass ich es auf keinen Fall weiter erzählen darf, weil mich dann meine Freunde abstoßen würden, aber hauptsächlich damit niemand schlecht über unsere Familie denkt. Ihnen sind die Meinung der Nachbarn wichtiger als meine Meinung. Jedoch erzählte ich es bereits einigen meiner Freunde. Wie gesagt ich vertraue nicht wirklich jemanden, aber ich liebe meine Freunde dennoch. Sie sind besser als meine Familie. Ich habe nur Vertrauens Probleme. Trotzdem erzählte ich drei meiner Freunde davon. Natürlich nicht so detailliert, wie hier. Ich erzählte immer nur Bruchstücke. Doch es half mir die Situation besser zu verarbeiten. Es ist schwer neben meiner Familie zu sein. Meine Familie lebt nachdem Prinzip:
"Wir sind echt tolerante Menschen! Wir akzeptieren Ungläubige, Schwule und Lesben, aber nur außerhalb der Familie."
Naja, ich bemerkte es zwar etwas später, aber ich bin Bisexuell. Wenn meine Familie das wüsste, dann wäre ich wirklich tot, aber das werde ich ihnen sowieso niemals erzählen. :)
Ich verliebte mich in ein Mädchen. Sie ist eine gute Freundin von mir. Sie leidet unter Depressionen und hat ähnliche Probleme, jedoch ist sie definitiv heterosexuell. Sie erzählt mir immer von einen Jungen den sie liebt. Ich höre ihr gerne zu. Solange es ihr hilft. Ich liebe sie schon seit einem Jahr und versuche meine Gefühle für sie zu vergessen. Meine Freundin ist nämlich sehr empfindlich. Wenn sie wüsste, dass ich sie liebe, dann hätte sie starke Schuldgefühle, weil sie meine Liebe nicht erwidern kann. Sie hat schon genug Probleme. Ich will sie auf keinen Fall, damit belasten, jedoch weiß ich nicht wie ich diese Gefühle unterdrücken soll, oder wann sie aufhören. Dann ist da noch dieses Mädchen, sie nutzt mich immer wieder schamlos aus. Jedoch kann ich mich nicht dagegen wehren. Sie ist eine Psychopathin. Damit meine ich nicht diese Serien Killer. Falls es euch interessiert, googlet den Begriff einfach, dann versteht ihr es besser. Es gibt noch viel mehr Dinge, die mich bedrücken, wie zum Beispiel, dass meine Familie mich immer wieder Fett und hässlich nennt. Dabei bin ich weder Fett noch hässlich. Ich zweifelte lange selbst daran, ich zweifele immernoch an vieles. Ich wollte mich schon seitdem ich denken kann umbringen, aber ich werde es nie tun. Manchmal fühle ich mich so leer, aber dann wieder doch nicht. Ich hasse mich, aber ich liebe mich. Ich weiß nicht so ganz, was ich fühle. Meine Freundin fragte mich mal, was ich über meine Eltern denke. Ich weiß es nicht. Ich will sie nicht hassen, aber ich kann sie nicht lieben. Ich habe nicht das Recht dazu mich zu beschweren. Sagt mir immer wieder meine innere Stimme. Sie sagen so vieles. Ich führe immer wieder diese Selbstgespräche. In letzter Zeit rede ich laut mit mir selbst. Ich kann es nicht kontrollieren, es kommt einfach. Sie erinnern mich immer wieder an schlechte Erlebnisse. Ich verspüre den Drang mich selbst zuschlagen. Meine Laune ändert sich dauernd. Mit einen Psychologen reden ? Auf keine Fall. Meine Familie würde es nicht erlauben. Ich möchte auch nicht mit irgendeiner Vertrauensperson reden. Eigentlich weiß ich, was ich machen muss. Dieser ganze Post ist sinnlos. Es tut mir leid, dass ihr eure Zeit damit verschwendet habt, das hier zu lesen. Ich muss einfach nur unabhängig werden und wegziehen. Jedoch sagen meine Eltern, dass ich nicht aus dem Haus ziehen darf, bis ich heirate. Ich möchte aber nicht heiraten. Ich möchte vorallem keine türkische Hochzeit ! Ich fange an diese Kultur zu verabscheuen. Ich will nichts mit ihr zutun haben. Ich will mit alldem nichts zu tun haben. Lasst mich einfach in Ruhe....
Manchmal glaube ich, dass ich bis zum Tod meiner Eltern, nicht wirklich frei sein kann. Ich warte auf diesen Tag. Mich macht der Gedanke nicht wirklich traurig. Sollte ich traurig sein ?

Bin ich undankbar ?

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

dein Text endet mit der Frage: Bin ich undankbar?

In dieser Frage wird für mich deutlich, wie groß die inneren Kämpfe sind, die du leidest. Ich verstehe es auch gut, denn: Es ist dir nicht anders vorgelebt worden. Aber es gibt eben nicht nur schwarz oder weiß. Mit meiner Antwort würde ich dir gern helfen, diese scheinbaren Widersprüche für dich aufzulösen, die eigentlich gar keine sind.

Deine Eltern und Geschwister sehen es so: Ihr Glaube ist der bestmögliche, und auch, wenn sie auf die religiösen Vorstellungen und das Leben der meisten Menschen keinen Einfluss nehmen können - in ihrer eigenen Familie wollen sie keine Ausnahmen machen. Man kann ein nach außen hin vorbildliches Leben führen - ein offenes Haus haben, einen tollen Job, seine Kinder auf die Uni schicken - und trotzdem sehr strenge und unbewegliche Ansichten haben. Das ist kein Widerspruch. Nach den erstgenannten Dingen zu urteilen, ist deine Familie tatsächlich sehr integriert - im Übrigen aber sehr starr. Worauf zielt deine Frage "Bin ich undankbar?" denn ab? Denn undankbar bist du ja nicht dafür, dass deine Mutter dich geboren hat, dass du unter ihrem Dach gewohnt hast, mit ihnen gegessen hast, dass sie für deine Kleider, die Schulsachen und so weiter aufgekommen sind - all dem gilt ja nach wie vor deine Dankbarkeit. Oder? Andernfalls würdest du dich ja nicht fragen, ob das, was du empfindest, Undankbarkeit ist. Denn tatsächlich ist es das nicht. Aus der Tatsache, dass du ihr Kind bist, können deine Eltern nicht das Recht ableiten, dass du ihre Gedanken und ihr Weltbild teilen müsstest. Wenn sie es trotzdem tun, dann nur, weil sie es nicht einsehen. Ihrer Meinung nach kommt gar nichts Anderes in Frage, als dass du ihre Erwartungen erfüllst, denn sie haben dir das Leben, wie du es hattest, ermöglicht. So einfach liegt die Sache aber nun mal nicht.

Vielleicht ist der größte Fehler, den Eltern machen können, genau das: Zu glauben, sie hätten die beste aller Welten erschaffen, und dann blind dafür zu werden, wenn ihre Kinder das anders sehen. Was sollen sie auch tun, wenn sie gar keine Erklärung dafür haben, wie jemand eine andere Meinung haben kann? Leute, die es nicht so gelernt haben (denken sie sich), für die gilt das möglicherweise - aber meine eigenen Kinder? Und damit denken sie falsch. Denn Gut und Böse, richtig und falsch, sind oft sehr schwer zu fassen. Ich kenne jede Menge Leute, deren Eltern glaubten, die beste aller Welten geschaffen zu haben: Leute, bei denen alles ökologisch sein musste, fleischfrei, zuckerfrei, gesund - und die in ihren Einstellungen ziemlich links waren. Ihre Kinder sind das Gegenteil... du kannst dir die Einzelheiten denken. Dann kenne ich noch radikale Atheisten: Deren Töchter, in deinem Alter etwa, mir heute weismachen wollen, dass Homosexualität eine Sünde sei und man jungfräulich in die Ehe gehen müsse. Es gibt Menschen, die schließen sich aus Protest gegen ihr Elternhaus Sekten an, oder im schlimmsten Fall, Terroristen; was aber machen deren Kinder, wenn sie damit nicht einverstanden sind? Vielleicht bekehren sie sich zum Christentum. Dir ist es so ergangen, dass die strenge Religiosität deiner Familie dich eingeengt hat. Du hast hinterfragt - durftest aber nicht. Und damit haben deine Eltern letztlich das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten. Es ist ihre Schuld, nicht deine. Denn ihr Eltern-sein berechtigt sie nicht, in dir einen Menschen nach ihrem Vorbild haben zu müssen. Sie können dir das mitgeben, was sie selbst für richtig halten - ob du dich danach richtest, ist aber ganz allein deine Sache. Vielleicht wärst du eher dazu bereit, hätten sie dir damals die Wahl gelassen und die Freiheit, die du dir gewünscht hast. So aber kam es nicht - nun bist du da, wo du stehst. Und das ist sehr gut so. Du hast die Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, wie es dir gefällt. Du hast auch die Freiheit, eine Frau zu lieben, wenn das dein Weg ist. Deshalb bist du noch lange nicht "undankbar". Du folgst nur dem, was sich für dich am besten anfühlt. Daraus allein folgt noch kein Hass gegen deine Eltern. Der kommt erst, wenn sie dir nicht erlauben wollen, was dir zusteht. Denn warum solltest du jemanden vermissen, der nicht ist wie du, wenn sie dich nicht vermissen wollten, als du anders warst als sie? Man erntet, was man sät. Und wer einen Menschen in enge Mauern sät, bekommt trotzdem eine große Pflanze heraus. Nur weiß er nicht, in welche Richtung sie sich wendet. Daran hätte er aber denken können. Das gilt genauso für deine Eltern.

Selbstverständlich hast du das Recht, dich zu beschweren. Denn zwar haben deine Eltern gut für dich gesorgt, aber das heißt nicht, dass sie fehlerfrei sind. Es gibt den einfachen Grundsatz, dass jeder gegenüber jedem nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat. Auch in der Familie gilt das. Natürlich soll man Vater und Mutter ehren. Und das tust du doch. Deine Überlegungen, ob du undankbar wärst, beweisen ja, dass du dich selbst genau beobachtest, und die Dinge gegeneinander abwägst. Du bist dankbar für alles, was deine Eltern dir Gutes erwiesen haben (auch wenn das von Eltern erwartet werden kann); du wehrst dich jedoch gegen das, was deine Eltern dir Ungutes tun (wozu sie kein Recht haben). Du bist nicht verpflichtet, ein Weltbild zu haben, das du ablehnst - deine Eltern sind nur Menschen. Ihre Ansichten mögen daher für sie stimmig sein, müssen aber nicht die einzig richtigen darstellen. Du musst es dir ganz fest einprägen: Deine Eltern sind nur Menschen. Auch wenn Eltern immer das Beste für ihr Kind wollen, ist nicht sicher, ob es auch das Beste ist, was sie sich vorstellen. Bleib bei deinen Ansichten, lass dich nicht kaputt machen. Dieses dein Leben gehört ganz allein dir.

Vielleicht sollte den zehn Geboten ein elftes hinzugefügt werden: "Halte dich an das, was du predigst!" Kann ein Mensch wirklich behaupten, Gott auf seiner Seite zu haben, wenn er nicht einmal in Erwägung zieht, sich falsch zu verhalten? Wozu hätte es dann diese Art Anweisungen gebraucht? Sie sind dazu da, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Du tust das, deine Familie nicht. Sie kennen es nicht anders. Sie haben es nicht besser gelernt. Hab Mitleid mit ihnen. Ihr Glaube mag für sie sehr befriedigend sein, ich weiß es nicht; es ist auch nichts Falsches daran, solange man ihn anderen Menschen nicht aufzwingt. Doch du bist auch einer von diesen Menschen. Und deshalb tun sie dir Unrecht. Die beste aller Welten gibt es nicht, allerhöchstens für einen Einzelnen. Deine ist nicht ihre, und das können sie nicht ertragen. Traurig ist es vor allem für sie, weil sie verlernt haben, auch sich selbst zu richten. Du dagegen tust es, obwohl sie dich unterdrücken - wer ist nun der Unbelehrbare, sie oder du? Jetzt kannst du dir selbst die richtige Antwort geben. Wenn jemand überzeugt ist, die Lösung für alle Probleme zu kennen (in eurem Fall die Religion), dann kann alles, was abweicht, für ihn nur vom Teufel stammen. In Wirklichkeit ist "der Teufel" nur das Wort, dass sie für die unbequeme Wahrheit haben, nicht fehlerfrei zu sein, nicht als Einzige ein lebenswertes Leben zu führen. Wie hilft sich jemand, der sieht, dass ein Anderer ohne Gott kann? Er nennt ihn oder sie "besessen". Dass das, was er glaubt, nur auf seiner persönlichen Entscheidung aufbaut, und nur deshalb, weil es ihm passt, nicht das Beste von allem ist - das kommt ihm nicht in den Sinn. Es sieht nicht gerade so aus, als könntest du auf einen Stimmungswandel deine Familie hoffen. Daher solltest du dir Gedanken machen, wie es für dich weitergehen könnte.

Du hast deine Entscheidung eigentlich schon getroffen: Du willst nicht nach dem Muster leben, das sie für dich vorgesehen haben. Du willst dich nicht in die Erwartungen fügen, die sie an dich als Tochter haben - den Glauben, die Heirat, Familienleben... was bedeutet das? Es bedeutet, dass du zu einem bestimmten Zeitpunkt aussteigen musst. Wann wird das sein - wenn du volljährig bist? Oder schon früher? Das liegt an dir. Ich habe das Gefühl, dich an einem Punkt angetroffen zu haben, an dem du in einem großen Denkprozess steckst. Ich will dir noch nicht direkt raten, dich ans Jugendamt zu wenden, oder nach Möglichkeiten zu suchen, wo du unterkommen könntest - das sind Schritte, die dann erwogen werden müssen. Aber noch bist du sehr jung, auch wenn du das nicht gerne von mir hören wirst. Mein Rat ist: Versuche dir ein Netzwerk von Personen zu schaffen, denen du vertraust - Freunde, Lehrer, oder auch eine Beratungsstelle. Hierzu ist unsere Soforthilfe aufschlussreich. Du bist an einem Punkt angekommen, an dem du nicht mehr fragen darfst: "Was wird mir erlaubt oder nicht?", sondern nur noch "Was will ich - was will ich nicht?" Deine Eltern haben Pläne und Ansichten, die du nicht annehmen willst und kannst. Das steht dir auch zu. Vielleicht wird es noch eine Weile lang sinnvoll sein, zumindest im Groben den Rhythmus zu leben, der ihnen richtig scheint; aber der eigentliche Bruch ist, zumindest innerlich, bei dir ja schon vollzogen. Und wenn sich nicht deutlich etwas ändert - von ihrer Seite - solltest du daran festhalten.

Ich glaube nicht, dass es sinnlos war, deinen Text zu verfassen. Du hast dir von der Seele geschrieben, was dich beschäftigt hat und noch immer beschäftigt. Und eigentlich weißt du auch, wie das Ganze enden muss, auch wenn es für dich schwer ist und für deine Familie skandalös... oder? Doch dann haben sie weiterhin ihre Welt, die beste von allen, wenn es nach ihnen geht - und du erschaffst dir deine. Du bist nicht undankbar. Bist du nicht. In Not, Krankheit, Alter und Einsamkeit könnten deine Eltern jederzeit auf dich zählen. Wenn... ja, wenn sie dafür die Tochter lieben würden, die sie haben, und nicht die, die sie gerne hätten. Diesen Preis darfst du verlangen - er ist nicht zu hoch, sondern recht und billig. Und wenn der Handel nicht akzeptiert wird, dann darfst nur noch du selbst dir wichtig sein.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul