Problem von Ethan - 13 Jahre

meine mutter nimmt mich nicht ernst

Liebes Kummerkasten Team
Ich bin transgender und habe mich heute am 12.6.16 bei meinen Eltern geroutet, bzw. bei meiner Mutter. Ich habe es mit einem Video gemacht, wo ich meine Gefühle und was mit mir los ist geschildert habe. Sie kam in mein Zimmer und fragt mich, was das für ein Scheiß ist und meinte, ich hänge zu viel am Handy und ich rede mir das alles nur ein. Sie meinte auch, ich will nur Aufmerksamkeit und suche mir deswegen immer Gründe aus um im Mittelpunkt zu stehen. Es tat weh das von seiner eigenen Mutter zu hören. Ich habe auch schon seit längerem das Gefühl das ich meinen Eltern egal bin. Sie interessiert es nur das ich gute Noten habe und so. Ich habe deswegen auch "down Phasen" und Suizidgedanken.

Was soll ich jetzt tun? Zum Psychologen will ich nicht gehen, weil er mich bestimmt auch nicht versteht.

Judith Anwort von Judith

Lieber Ethan

Erstmal vielen Dank für Dein Vertrauen. Es tut mir leid zu lesen, wie unsensibel Du Dich von Deinen Eltern behandelt fühlst. Das ist sicher enttäuschend: Man öffnet sich, teilt etwas mit, das einen sehr bewegt und beschäftigt, und man wird nicht ernst genommen.

Ich werde versuchen, Dir differenziert zu raten.
Erstmal allgemein: In der Pubertät passiert viel. Man verändert sich seelisch, emotional, intellektuell und körperlich. Man stellt sich und die Welt in Frage – das ist völlig normal! Man grenzt sich von seinen Eltern ab, man rebelliert ein wenig, aber man möchte auch verstanden, anerkannt und ernstgenommen werden.

Auch sie sexuelle und Genderidentität wird entwickelt. Wir werden nicht mit einer vorprogrammierten und einheitlichen Orientierung geboren, sondern was man empfindet, was man anziehend bei anderen Personen findet und wie man sich selbst identifiziert, unterliegt einem Prozess. Und der setzt in der Pubertät ein. Auch wenn Du vielleicht heute das Gefühl hast, allein mit Deinen Gefühlen zu sein, kann ich Dir versichern, dass das nicht so ist. Für manche Jugendliche ist die Selbstfindung der geschlechtlichen und sexuellen Identität ein recht schneller Prozess – aber für andere ist es eben nicht so! Und beides ist völlig okay. Und: Es kann sich auch wieder ändern im Laufe des Lebens. Entgegen der allgemeinen Meinung, ist das alles nicht so schwarz/weiss.

Was heisst das für Dich?

Lieber Ethan. Du bist noch sehr jung. Ich nehme Deine Genderidentifizierung ernst, aber gebe Dir auch zu bedenken, dass es in Deinem Alter durchaus noch sein kann, dass Du Dich wieder änderst. Es ist kein „entweder/oder“, wenn man im Teeniealter ist, sondern eine Entwicklung.

Und daher stell Dir doch mal ein paar andere Fragen:

- Fehlt Dir generell etwas Aufmerksamkeit? Geh doch mal in Dich und überlege, ob Du allgemein zufrieden bist mit dem Umgang mit Deinen Eltern, mit Eurer Beziehung, mit Deinem Umfeld. Manchmal flüchtet man sich auch in Dinge hinein, um anderen, unangenehmen Themen aus dem Weg zu gehen.
- Lehnst Du Deinen weiblichen Körper ab, weil er Dir fremd wird? Musst Du Dich vielleicht erst daran gewöhnen? Das geht vielen Mädchen so – Menstruation etc. sind anfangs schon gewöhnungsbedürftig.
- Hast Du negative Erfahrung mit Deiner körperlichen Weiblichkeit gemacht? Gewalt oder Übergriff? Auch das kann dazu führen, dass man traumatisiert seinen Körper ablehnt. Dann musst Du bitte dringend Hilfe in Anspruch nehmen.

Ich finde es wichtig, dass Du Deine Gefühle lebst und zu ihnen stehst. Versuch nicht, jemand zu sein, um anderen zu gefallen! Daher rate ich Dir, Dich mit anderen Jugendlichen auszutauschen, die transgender sind. Als erste Anlaufstelle rate ich Dir Lambda. Das ist das schwul/lesbisch/bi/trans Jugendnetzwerk Deutschlands. Die beraten in Bezug auf Dein Problem – auch telefonisch oder per Email. http://www.lambda-online.de/index.php/beratung/in-out-jugendberatung

Und dann setz Dich bitte nicht zu sehr unter Druck. Es ist in Ordnung auf der Suche zu sein. Es ist völlig okay, sich anders als andere zu identifizieren. Und es ist ebenfalls in Ordnung, seine Meinung und Überzeugung diesbezüglich nochmal zu ändern- oder eben nicht. Lass Dich nicht beschämen, sondern steh zu Dir uns Deinen Empfindungen!

Alles, alles Gute!!

Judith