Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

du stellst deine Frage nicht zu Unrecht. Ich kann absolut verstehen, dass du dich gerade fühlst, als könntest du nichts richtig machen. Das Problem ist vermutlich, dass hier zwei Sichtweisen zusammentreffen, die sich nichts schenken. Welche ist falsch, welche richtig? Die Antwort ist: Die, die du für richtig hältst! Die sich für dich richtig anfühlt! Und das ist nicht die Sichtweise deines Freundes.

Du hast es nicht erwähnt, aber deine Schilderungen wecken in mir die Vermutung, dass dein Freund einen anderen kulturellen Hintergrund hat. Wenn das so ist - aber auch, falls nicht: In seiner Sicht ist nichts Falsches daran, es von dir zu fordern. Und du wirst dir auch schwer tun, ihm das Deine zu vermitteln. Seine Auffassung mag die sein, dass ihr als Paar, das sich liebt, einfach keine Bedürfnisse außer euch selbst haben solltet. Er sorgt für dich, du wohnst bei ihm, er verdient das Geld - und du bist für ihn da. Das bringt es mit sich, dass du das auch lebst. Andere Aktivitäten könnten das behindern. Du nennst es übertriebene Eifersucht, Wahnsinn, Druck, schlechte Behandlung - all das ist es auch. Für ihn aber ist es normal, dass das Teil der Frau das Haus ist, dass sie ihre meiste Kraft darauf verwendet, Beziehung, Ehe und Familie in Harmonie zu halten, und besonders mit anderen Männern nicht so stark in Berührung kommt. Schminken, schöne Schuhe, shoppen - all das ist doch normal, sagen wir, sind Aktivitäten, die man sich gönnt. Für ihn muss es eher zweckmäßig sein: Wozu noch ausgehen, wenn du ihn bereits gefunden hast? Wieso shoppen, wenn keine nötige Anschaffung ansteht? Man kann so leben. Und vielen Frauen bietet es auch durchaus Sinn, Geborgenheit und sie betreiben es mit Ehrgeiz. Auch der Mann - wenngleich er oft mehr Freiheiten hat - hat es in diesem Rollenverständnis nicht leicht: Er soll für alles aufkommen, beruflich erfolgreich sein, geachtet, informiert, politisch aktiv und stets bedacht, dass ja nichts falsch läuft. Manche nennen es Unterdrückung der Frau, Bevorzugung der Männer; ich für meinen Teil wäre nicht glücklich, wenn ich nicht kochen dürfte, außer zuhause nicht an einem Tisch mit meiner Frau sitzen, wenn ich meinen Kindern nicht die Zeit und Zärtlichkeit widmen könnte, die sie verdienen. All das wird in Anspruch genommen durch Arbeit und Aufwartung und den ständigen Druck, alles sauber und geordnet und vorbildlich zu präsentieren. Kein Weichei zu sein, kein Träumer und kein Tunichtgut, sondern immer auf dem Weg der Mitte. Kein Platz für was Verrücktes, für Träume. Manche Männer lassen sich daran genügen. Was aber, wenn man kein Glück hat? Schulden, Streit, Krankheit einen treffen, oder wenn man arbeitslos ist? Das ist der Grund, warum wir flexible Rollen für besser halten: Weil jeder sich das suchen kann, was für seine Person am besten passt. Aber auch das Modell, in dem alles so funktioniert, wie seit vielen Generationen, hat natürlich etwas für sich: Es gibt Sicherheit und sagt dir eindeutig, was du zu tun und zu lassen hast. Wie viel Energie könnten wir nicht sparen, wenn wir uns keinen Partner suchen müssten - sondern unsere Eltern uns verlobten! Das ist nur ein Beispiel. Aber damit ist es vorbei, und wir sind doch ganz glücklich so, oder? Manche entscheiden sich freiwillig für den Weg der Tradition, andere brauchen Zeit und Kraft, um sich daraus zu lösen. Für dich entscheidend ist: Du willst es gar nicht. Dann tu es auch nicht. Trenne dich von ihm.

Dein Freund hat dir Bedingungen gestellt, die für dich nicht akzeptabel sind. Darunter leidest du. Es geht nicht darum, festzustellen, wer im Recht ist und wer nicht. Wäre man darüber so sicher, würden wir nicht gerade heute wieder die Köpfe heiß diskutieren, wie das mit den Frauenrechten eigentlich bei UNS ist und ob das gar so wichtig ist... Es fühlt sich nicht richtig an, und du kannst es nicht leisten. Dein Freund macht seine Liebe, so sagt er, von diesen Opfern abhängig, die du für ihn bringen sollst. In Wahrheit liebt er dich natürlich schon, denke ich, aber er kann es nicht vertragen, wenn er - so ist sein Empfinden, seine Prägung - nur ein Faktor unter vielen in deinem Leben ist. Schließlich soll auch er als der Mann alle Kraft darauf verwenden, seiner Familie aufzuhelfen. Kannst du diesen Kompromiss, wenn man das so nennen kann, hinnehmen? Ich denke, nein. Du willst nicht aus Liebe zu ihm dein Leben in einer Weise ändern, die dir unrichtig, einengend und bedrohlich vorkommt. Das ist unsere Sichtweise darauf - viele Frauen dieser Welt würden dir etwas Anderes erzählen. (Schließlich könnten diese Dinge nie bestehen, wenn nicht auch viele Frauen darin sehr aufgehen und es unterstützen würden.) Ich will hier keine Rechnung aufmachen, was besser ist und was schlechter. Ich will dir nur vermitteln: Richtig ist, was du willst, weil es sich im Rahmen jeder Gesetze und jeder Billigkeit bewegt. Tu den entscheidenden Schritt - denn Liebe, wie du sie hier bekommen kannst, fordert einen zu hohen Preis von dir. Das hast du so gespürt, und deshalb ist es gut. Es ist nicht leicht, die Konsequenzen zu ziehen. Doch ich bitte dich sehr darum, dass du es tust, statt dich unglücklich zu machen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul