Problem von Anonym - 22 Jahre

Beziehung scheitert, weil ich mit Männern rede

Hallo Leute,
also normalerweise spreche ich nicht sehr gern über meine Probleme, aber dieses fuchst mich doch schon sehr. Ich war gestern in ... bei meinem Freund/Exfreund, und bin abends, ca. halb 11, wieder nach Hause gefahren, mit dem Zug. Auf dem Bahngleis war ein Schwarzer, und wie ich jedem hallo sage, habe ich auch ihm hallo gesagt und hab mich auf den letzten freien Platz gesetzt, der am Bahnsteig noch frei war um auf den Zug zu warten (also ich bin mit der S-Bahn zu dem Bahnhof gefahren, und auf die S-Bahn hat mich mein Freund begleitet). Jedenfalls habe ich dann dort nichts anderes mit dem Schwarzen geredet, und als der Zug gekommen ist, bin ich eingestiegen, und habe auf einem Sitz in einem Vierer Platz genommen, alleine. Nachdem der Zug losgefahren war, und ich kontrolliert wurde, kam dann eben dieser Schwarzer, und hat gemeint, er hätte mich schon im ganzen Zug gesucht, und wolle einfach nur ein bisschen reden, um sein Deutsch zu verbessern. Nun, dagegen habe ich jetzt nichts, zumal ich ein offener Mensch bin und es mir eigentlich egal ist, welche Hautfarbe. Also habe ich mit ihm geredet, ganz normal, erst auf Deutsch, dann auf Englisch, so war die Fahrt schon nicht so langweilig. Vor seinem Ausstieg hat er mich nach meiner Handynummer gefragt, aber ich sagte ihm, dass ich sie ihm nicht geben würde. Als er mich nach Facebook fragte, sagte ich, ich hätte kein Facebook, und als er mich nach einem Treffen fragte, sagte ich, ich bin öfters in ..., aber nicht wann und wo genau. Das war es, für mich ein harmloses Gespräch, warum sollte man auch nicht reden, wenn jemand mit einem ganz normal reden möchte, und alle Signale von Wiedertreffen habe ich auch abgeblockt.
Jetzt war mir auf der restlichen Fahrt langweilig, und habe meinem Freund/Exfreund - ihr müsst wissen, die Bezeichnung war schon bevor wir uns in ... getroffen haben weil es zwischen uns schon öfters kracht - eine Whatsapp geschrieben, und ihm geschrieben, dass ich mit einem Mann rede, dieser schwarz ist, und dass er mich nach Kontaktdaten gefragt hätte und ich nein gesagt habe. Das Thema Kontaktdaten war schon ein großer Streitpunkt in unserer Beziehung, da ich schon einmal meine Kontaktdaten weitergegeben hatte, ohne Hintergedanken. Jedenfalls hatte ich mich belehren lassen und eingewilligt (meinem Freund natürlich) das nicht mehr zu tun. Es war alles gut, ich habe noch von dem Kontrolleur erzählt, und einen anderen Mann beläufig erwähnt und für mich war es halt eine Aufzählung von den Dingen, die gerade um mich herum passieren. Als er dann zurückgeschrieben hat, schrieb er, er wird wütend, wenn er das über den Schwarzen liest, dass ich ihm hallo gesagt habe, mich am Bahnsteig neben ihn gesetzt habe, und dann auch noch mit ihm geredet hätte. Ich bräuchte gar nicht stolz drauf sein, dass ich ihm die Kontaktdaten nicht gegeben hätte und was mit mir los sei, wir hätten das Thema schon tausend Mal gehabt... ich meinte zuerst, dass er nicht wütend werden müsste, denn ich habe ein ganz normales Gespräch geführt. Dann meinte er: " ich kann mir richtig vorstellen, wie du beim 'Hallo' sagen gelächelt hast und das sei ne Sauerei von mir, ich zerstör damit alles". Darauf muss ich sagen aus meiner Sicht, also beim Hallo sagen habe ich nicht gelächelt, und wenn dann nur so, wie ich beim Hallo immer lächel, halt freundlich. Jedenfalls hab ich gesagt, er soll seine Eifersucht in den Griff bekommen das sei ja krank, und wenn er das nicht einsehen würde, würde ich nicht mehr zurückschreiben. Er meinte dann, dass das jede normale Freundin tun würde, und dass ich auch noch 'Hallo' gesagt hätte. Nun ich habe nicht mehr geschrieben, und heute schreibt er: "WARUM WARUM WARUM immer diese Scheiße mit dir, du versaust alles, er hat darauf kein Bock mehr. Meine Mutter, die Freundin meines Bruders, jede andere Freundin hätte es anders gemacht, und warum muss ich immer so sein. Das ist doch nicht normal." Und meine Antwort war:"Such dir eine andere. Wenn du mich immer versuchst zu ändern ist das scheiße und das mach ich nicht mit". Dann ging es noch ein paar Mal hin und her. Jetzt will ich fragen, ist meine Meinung wirklich so verkehrt? Ich bin nunmal eine offene Person, und eigentlich müsste er wissen, dass ich eine der treusten Seelen auf Erden bin - Fremdgehen geht überhaupt nicht für mich. Naja, jedenfalls.. was sagt ihr dazu? Würdet ihr sagen, dass meine Meinung verkehrt ist?

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

zwei Dinge muss ich voranstellen: Erstens, ich habe die Ortsnamen aus deinem Text entfernt, um die Sicherheit für dich zu erhöhen. Es passt zu der Beschreibung als offene Person, die du von dir gegeben hast, dass du damit kein Problem hast, die Städte zu nennen. Andererseits wird das hier ja alles öffentlich, und eigentlich haben wir in unserem Team die Absprache, dass wir diese Sachen rausnehmen. Weil auch wir das manchmal vergessen, habe ich mich entschlossen, die Zuschriften ab jetzt konsequent zu "anonymisieren" abgesehen von den Namen natürlich.

Das Zweite ist: Ich werde im Verlauf meiner Antwort manche recht drastischen Bilder und Begriffe verwenden. Ich kann mir vorstellen, dass dich das erst einmal schockt, und bitte daher schon im Voraus um Entschuldigung. Es ist nicht meine Absicht, dich zu erschrecken oder noch weiter zu irritieren. Doch dein Text hat in mir einige spontane Gedanken ausgelöst, die ich dir gern mitteilen möchte, zumal das Thema, das du ansprichst, viele betrifft.

Deine Geschichte ist sehr interessant. Auf der einen Seite haben wir den Asylbewerber, der das Gespräch mit dir gesucht hat, und mit dem du die Fahrt auch nett verbracht hast. Ob er wusste, dass du einen Freund hast, oder deinen Begleiter beim Einsteigen als deinen Freund erkannt hat, lassen wir mal dahingestellt. Es ist ja völlig okay, wenn jemand einem sympathisch ist - man ihn / sie vielleicht auch attraktiv findet - die Nähe zu suchen, ins Gespräch zu kommen, zu versuchen, in Kontakt zu bleiben. Sein Interesse könnte ja auch rein freundschaftlich gewesen sein. In jedem Fall hat er nichts Verwerfliches getan - und du hast es auch nicht. Dem gegenüber steht dein Freund: Und er ist offensichtlich sehr eifersüchtig, vorwurfsvoll, hat sich sehr in seine Ansprüche hineingesteigert, was du als "Freundin" (so, wie er sich äußert, eher als "die Frau") tun und lassen sollst. Über meinen Schreibtisch sind zwar auch schon negative Erlebnisse mit Asylbewerbern gegangen, aber in deiner Geschichte sind - hossa! - die Rollen vertauscht. Zumindest nach dem, wie die gemeine deutsche Kartoffel sie sich gerne mal vorstellt. Ist das nicht spannend?

So wie du es beschreibst, ist dein Erlebnis nur das letzte Glied in einer Kette, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Vielleicht wäre es gut, wenn du dafür dankbar wärst - denn früher oder später hätte es kommen müssen. Dein Freund / Exfreund hat quasi nur darauf gewartet, bis du das Vorurteil, das er über dich hat, bestätigst. Er traut dir nicht. Und das ist schlimm. Du hast nichts falsch gemacht, denn weder war es falsch, mit dem Schwarzen ins Gespräch zu kommen, noch, dass du es ihm geschrieben hast. Es ist deine Art. Ich kann durchaus verstehen, wenn dein Freund dadurch verwirrt ist - ich wäre es auch gewesen. Hier sieht man wieder einmal schön, wie die Wahrnehmungen auseinander gehen: Du teilst dich eben mit. Und das ist der einzige Unterschied zwischen dir und vielen anderen Leuten, ob Mann oder Frau, dass du das tust. Andere würden es nicht schreiben, um den Partner nicht eifersüchtig zu machen. Auf deinen Freund trifft das in besonderem Maße zu - er scheint regelrecht besessen von der Idee, du würdest überall fremdflirten und Kontakte eröffnen. Es ist zwar nur zu menschlich, auch mal nervös zu werden, wenn der Partner oder die Partnerin so geschätzt oder gar begehrt wird; aber man muss auch sagen: Das muss eine Beziehung aushalten. Es kann erwartet werden, dass ich als Partner weiß, wie der Andere so gestrickt ist, dass solche Sachen keine Andeutung beinhalten, von wegen "Ich bin deiner müde." Das tut es ja nicht. Du hast dir nichts weiter dabei gedacht, sondern nur mitgeteilt, was jeder von uns erlebt - bloß, ohne es direkt zu schreiben. Das ist der Punkt. Ich hätte es legitim gefunden, wenn dein Freund dir in einem höflichen Satz erklärt, dass diese Offenheit ihn irritiert, nervös macht, dass er leicht eifersüchtig ist - und dich gebeten hätte, ihm diese Sachen nicht mehr so offenherzig zu schreiben. Daran aber muss er sich genügen lassen. Er hat es dir weder zu verbieten, wem du deine Kontaktdaten mitteilst, noch mit wem du dich unterhältst. Ob dieser Mensch nun Deutscher, Flüchtling oder wer auch immer ist. Denn er liebt dich (offiziell) und muss dir vertrauen. Falls er das nicht kann, ohne dass du einen Grund dazu geliefert hättest, und dir lieber deine Rechte beschränkt, statt mit dir über seine Gefühle zu sprechen, dann liegt das Problem bei ihm und nicht bei dir. In meinem nächsten Absatz werde ich versuchen, verständlich zu machen, wie es deinem Freund damit ergehen mag, und wo sein Fehler dabei liegt.

Tja... der große schwarze Mann. Das ist das Gespenst der Porno-Gesellschaft, verstehst du? Ich kann nicht beurteilen, ob diese Sache deshalb so eskaliert ist, weil der Mensch, mit dem du dich unterhalten hast, ein Schwarzer war. Ich vermute, irgendwann hättest du aber auf jeden Fall erlebt, wie dein Freund deswegen austickt. Oder wegen eines ähnlichen Ereignisses. Zurzeit hörst du überall, "unsere Frauen und Töchter" müssten beschützt werden. Weißt du was? Das ist eine Farce. Denn die Leute, die angesichts des Flüchtlingszuzugs in Rage geraten, wissen sehr genau, dass Gewalt und Frauenverachtung keine Nation und Religion kennen. Es geht ihnen überhaupt nicht darum, deutsche Frauen zu beschützen. Es geht ihnen darum, wer sie besitzt. Sie sagen: "Wir müssen euch vor denen (den Flüchtligen) beschützen." Weil es angeblich alles Gewalttäter sind. Wenn das so wäre - dann müsste es doch schon etwas anders aussehen im Land? Natürlich gibt es diese Leute, das ist klar. Aber was die deutsche Kartoffel eigentlich meint, wenn sie sagt "Besserer Schutz!", ist "Meins. Meins. Meins!" Es sind viele junge Männer nach Deutschland gekommen. Die meisten haben keine Wohnung, kein Geld, keinen Beruf, kaum Sprachkenntnisse. Das interessiert die Kartoffel, den deutschen Besorgtbürger-Mann, aber nicht. Sie hat nicht eigentlich Angst, dass eine Frau von einem Flüchtling Gewalt erfährt. Sie hat Angst, er könnte sie ihm wegnehmen. Und warum, fragt man sich, wenn der Flüchtling doch standardmäßig so ein Frauenverachter ist? Ich sage es dir: Die Besorgtbürger wissen genau, dass das nicht stimmt. Sie wissen, dass auch muslimische Männer und afrikanische Männer durchaus freundlich und liebevoll sein können. Und davor haben sie Angst. Nicht vor ihrer Gewalt, sondern vor ihrer Zärtlichkeit.

Das Gefährliche an dieser Denkweise, der man nur zu leicht erliegen kann, ist: Sie ist so sexistisch wie rassistisch. Wer etwas von Gewalt gegen Frauen erzählt, die ja angeblich NUR von muslimischen oder afrikanischen Männern ausgeht, und gleichzeitig (ohne es zu sagen) Angst hat, zu kurz zu kommen - dem geht es um etwas ganz Anderes, als er sagt. Dass die Frau Gewalt erfahren WILL, ist in dieser Denkweise beschlossene Sache. Worum es geht, ist nicht so sehr, ob es passiert, sondern durch wen. Und wer soll das sein? Wer hat das Recht dazu? Na klar: Nur der deutsche Mann natürlich. In der Porno-Kultur steht der Afrikaner oder der Araber als halbwildes, aber potentes, mit Verführungskünsten ausgestattetes Wesen da (und natürlich ist er auch körperlich super ausgestattet, joa...) - die deutsche (weiße) Frau dagegen als verführbares, triebgesteuertes, irrationales Wesen, das nur darauf wartet, bis jemand sie sich unterwirft. Das kann der Schwarze oder der Muslim angeblich besser, also darf man ihn, um nicht zu kurz zu kommen, am besten gar nicht ins Land lassen.

So denken viele. Das ist es, was sich hinter den vielen hasserfüllten Phrasen verbirgt. Aber: Bei deinem Freund / Exfreund hört es damit nicht auf, dass er dieser Denkweise erlegen ist, als er dich so angefahren hat. Er hat allgemein eine Überzeugung davon, was du angeblich darfst und nicht darfst. Zentral ist: Du sollst nur für ihn da sein. Und zwar, weil er Kontakte von dir zu anderen Männern, und seien sie auch nicht dauerhaft, nicht einordnen kann. Das aber muss er können. Denn wenn du mit einem Mann zusammen bist, liebst du ihn. Du bist dir bewusst, was du an deinem Partner (ich meine generell, nicht ihn) hast und wofür du ihn magst. Und selbst wenn du jemanden triffst, der dir auf Anhieb sympathisch ist, der dir vielleicht sogar Avancen macht (was auch jedem zugestanden sein soll), dann muss er es hinnehmen. Natürlich nicht, wenn er dabei ist. Nicht, wenn es körperlich wird. Natürlich gibt es gewisse Pietäten - und Treue gilt nun einmal den meisten Menschen sehr viel. Doch die Tatsache, dass man in einer Beziehung ist, soll nicht die ganze Lebensweise verändern und jede Ungezwungenheit gegenüber dem anderen Geschlecht nehmen. Bei deinem Freund oder Ex ist es so, dass er das nicht nur für Menschen aus anderen Ländern nicht leisten kann, sondern allgemein nicht. Und hieran sehen wir, wie verfahren das Ganze eigentlich ist. Wäre es nur um die Situation auf der Zugreise gegangen, so hätte ich mit einem gewissen Verständnis sagen können, er hat überreagiert. Aber er hat nicht nur das, es geht um ein generelles Problem, das er hat, das auch schon davor zutage trat und das du jetzt erneut bemerkt hast: Er kann nicht damit umgehen, dass du bloß seine Freundin bist, und ihm nicht gehörst. Er kann ferner nicht anerkennen, dass auch Frauen selbstständig handelnde und denkende Wesen sind, die sehr wohl ihre Ziele, Wünsche und Prioriäten haben, und ihre Umwelt und ihre Erfahrungen vernünftig zu beurteilen wissen. Ob es wirklich so gravierende Unterschiede gibt, wie Männer ticken, wie Frauen ticken - das will ich offen lassen. Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass das eine nicht schwächer und schlechter ist als das andere. Dein Freund hat es nicht verinnerlicht. Deshalb habe ich es eben auch so grundlegend und hart formuliert.

Ich frage dich rundheraus: Liebst du ihn noch? Gib dir vielleicht etwas Zeit, um in dich zu horchen, ob du diese Frage mit Ja beantworten kannst. Wenn du es nicht kannst, dann wäre es nicht verwerflich, euren letzten Chatverlauf als Trennung anzusehen. Es ist nicht okay. Du solltest dich in deiner Art nicht beschränken lassen. Wenn du mit jemandem zusammen bist, der sich schwer tut, das einzuordnen, kann er dich darum bitten, bei ihm etwas vorsichtiger zu sein mit der Mitteilsamkeit. Das lässt sich aushandeln. Was aber nicht sein darf, ist, dass du die Dinge selbst bleiben lässt. Du hättest dem Asylbewerber auch deine Nummer geben können. Warum hast du es nicht getan? Weil du wusstest, du würdest es deinem Freund schreiben, und er eifersüchtig ist? Oder einfach, weil das Gespräch nett war, du dich aber auch nicht mit jedem vernetzen willst, oder weil du dachtest, er könnte sexuelles Interesse haben, oder weil du wirklich nicht so oft dort bist, oder... Das ist es doch eher? Es gibt tausend vernünftige Dinge, gegen die man ein unverfängliches Angebot abwägen kann. Das hast du getan. Es muss nicht sein, dass du es deinem Freund schreibst - wie ich anfangs sagte: Auch ich hätte ein bisschen am Rad gedreht. Aber ich denke, seine Reaktion war nicht in Ordnung. Das eine ist, Rücksicht zu nehmen, wo man darum gebeten wird; das andere ist, sich selbst umzumoddeln, weil man dem Partner nicht passt, wie man ist. Know the difference? Ich wünsche dir die Kraft, es mit deinem Freund klar zu besprechen und auf dein Recht zu bestehen, sofern du noch eine Zukunft für euch siehst. Falls nicht - bewahre dir deine Offenheit, hinterfrage dich weiterhin selbst, aber lass dir auch nicht einreden, du müsstest dich jemandem beugen. Das war in Ordnung, wie es gewesen ist, und ich hoffe, es wird deine Fröhlichkeit nicht mindern, wie dein (Ex)freund reagiert hat.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul