Problem von Anonym - 17 Jahre

Ich bin eine schlechte Tochter

Seit 2 Wochen Lüge ich meine Mama oft an und weiß manchmal selbst nicht warum. Wenn sie mich dann fragt, warum ich lüge, kommt nichts aus mir heraus und ich stehe dann immer weinend vor ihr. Ich will nicht lügen und weiß auch nicht warum ich es tu. Es macht mich traurig und meine Mama hat angst das ich sie nicht mehr lieb habe. Ich weiß nicht was ich dagegen machen soll, weil mir nichts mehr geglaubt wird und langsam glaube ich, dass meine Mama eine bessere Tochter als mich verdient hat. Ich habe auch schon mal überlegt einfach abzuhauen, weil ich meine Mama nicht nochmal anlügen möchte, aber ich glaube nicht das das eine Lösung ist. Ich brauche Hilfe.

Bernd Anwort von Bernd

Da hast Du Recht:

abhauen ist ganz gewiss keine Lösung!

Es gibt einige ganz unterschiedliche Arten von Lügen.
Wenn Du in Deinem Schreiben durchblicken lässt, dass Deine Mutter Deine Lügen wohl immer recht schnell durchschaut, scheinen die nicht von der Sorte zu sein, dass Du jemandem wirklich schaden willst.
Wohl eher die Art von Lügen, die Deiner Mutter sagen: "ich habe jetzt gerade keinen Bock auf eine Diskussion. Also sage ich Dir, was Du Dir als Antwort erwartest, damit ich (vorerst) meine Ruhe habe"!
Also so nach dem Schema:
Mama: " hast Du die Zähne geputzt?"
Du: "Klaro"!
Sie: "und warum ist Deine Zahnbürste dann so trocken, als ob sie schon Jahre nicht mehr mit Wasser in Berührung gekommen ist?"

Manchmal ist es halt einfach ein Fluch, wenn Eltern ihre Kinder zu leicht durchschauen. Wenn Sie unbedingt alles von ihren Kindern wissen wollen und den Kindern das Gefühl geben, dass sie eigentlich kein eigenes Leben haben. Keine eigene Verantwortung und keine eigene Entscheidungsfreiheit.

Ist Deine Mama solch ein Typ?
Hast Du ein Thema, was Du nicht mit Deiner Mutter diskutieren willst? Was Dich eher zu einer Lüge treibt, sobald das Thema irgendwie angeschnitten werden könnte?

Du siehst, ich rate gerade recht viel. Weiß natürlich absolut nicht, wo ich richtig und wo falsch rate.

Deshalb will ich Dir (damit Du mit der Antwort überhaupt etwas anfangen kannst, ein wenig aus meiner "Lügenvergangenheit" erzählen.

Auch ich habe meine Eltern angelogen. Und auch meine Mutter ist mir meist auf die Spur gekommen. Bloß hat mich meine Mutter nie so direkt auf meine Lügen aufmerksam gemacht: ihre Tour war es, mich immer tiefer in das Gespinst meiner Lügen hinein zu treiben.
So nach dem Motto: "wenn Du gestern zu spät nach hause gekommen bist, weil Dein Freund krank ist und Du ihn nicht alleine lassen wolltest....
finde ich das gut! Schau dann doch bitte heute abend auch noch nach ihm! :-) "

Weißt Du, wie blöde das ist, wenn du eigentlich "platt" bist und ins Bett willst? Und Deine Mutter schickt Dich zu deinem "kranken" Freund, mit dem Du am Vorabend vielleicht gerade noch gefeiert hattest und der außer einem Kater heute ganz gewiss nicht krank sein wird?

Es gibt etliche ähnliche Geschichten, von denen ich Dir erzählen könnte.
Eines ist allen gleich: wenn Du zu lügen anfängst, gibt es danach nur zwei Möglichkeiten:
entweder Du hältst an der Ursprungslüge fest und bist ab da gezwungen, Dich nach der Logik, die Dir dann von Deiner Lüge aufgezwängt wird, weiter zu verhalten.

Oder Du sagst schlicht und ergreifend: "Mama! Es tut mir leid, aber da habe ich nicht die Wahrheit gesagt!"

Denn wer sich an Lügen gewöhnt. Oder an Dinge, die lieber immer ungesagt bleiben sollten:
den trifft irgendwann nicht nur der Argwohn der eigenen Mutter!

Lügen und Geheimnisse, die "unbedingt" geheim bleiben müssen machen uns erpressbar!

An dieser Stelle will ich nicht nur Dich, sondern auch all jene ansprechen, die wegen einer Lüge erpressbar werden könnten!

Und weil ich denke, dass auch Du nicht einfach so lügst, meinen Weg verraten:

mir war es bald schlicht zu anstrengend, mit meinen Lügen zu leben. Schließlich musste ich zu jeder meiner Lügen die komplette Geschichte im Gedächtnis haben (damit ich mich mit keiner Antwort irgendwem verraten konnte).
Und musste dann (wie im Beispiel) auch Dinge tun, die noch lästiger waren, als einmal mit den Eltern "Klartext" zu reden.

Klartext zu reden ist nicht einfach!

Aber es befreit so ungemein, dass ich es gegen keine Lüge mehr tauschen wollte :-)

Lieber einen ehrlichen Freund (und meinetwegen auch hunderte Feinde), denen ich keine Lüge auftischen muss.
.... als "Freunde", mit denen ich nicht "Klartext" reden kann!

Eltern - also auch Mütter - haben nicht die Aufgabe, "Freunde" zu sein!
Eltern haben die Aufgabe, Dich zu einem verantwortungsvollen und selbstständigen "erwachsenen" Menschen zu erziehen!
Im Grunde ist der Aufgabe von Eltern erst mit einem ganz profanem Akt Genüge getan: wenn sie Dir den Tritt in den Arsch geben, der Dich dazu bringt, das Nest zu verlassen und selbst zu fliegen!

Lügen (wenn Du dann daran festhalten willst) sind so viel schwerer und anstrengender als Fliegen oder Schwimmen :-)

Lass es lieber und beginn Dich mit dem, den Du gerade noch anlügen wolltest, auseinander zu setzten!

Alles Liebe

Bernd