Problem von Marie - 28 Jahre

Kann man auch "alle Probleme" auswählen?

Hallo. Ich bin eigentlich ein sehr optimistisch eingestellter Mensch, ich liebe meine Kinder über alles und finde im Alltag viele kleine Anlässe um mich zu freuen. Diese Lebensfreude gebe ich gern an meine Kinder weiter. Ich lerne gern andere Menschen und ihre Weltbilder kennen, interessiere mich sehr für Politik etc. Nur hat mein Partner, mit dem ich seit 13 Jahren zusammen bin, vor ca. 5 ,6 Jahren angefangen, sich für Verschwörungstheorien zu interessieren.... ich fand es nicht schlimm, es ist eben oft ein Versuch, sich die Welt zu erklären. Nur sollte man nicht denken, die EINE Wahrheit zu kennen. In einem Arbeitskollegen hat er einen Gleichgesinnten, die beiden steigern sich gegenseitig immer weiter hinein. Er wurde zunehmend pessimistisch, meckert nur noch herum, wir können uns nicht mehr unterhalten. Ich kann mit keinem über dieses Problem reden, es ist mir total peinlich. Er ist zudem cholerisch, sodass ich teilweise Angst habe mit ihm zu sprechen. Er beleidigt mich oft. Ich weine mich fast täglich in den Schlaf, ich bin total dick geworden von (65 auf 95 kg), weil ich keine Sättigung mehr spüre, ich fühle mich leer und verletzlich. Ich will nicht dieser passive, leidende Mensch sein. Ich will diese Opferrolle nicht spielen. Ich kann aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht einfach mit den Kindern weggehen. Mir ist mein Partner auch irgendwie wichtig. Diese Zerrissenheit, dieser Zwiespalt und die scheinbare Unmöglichkeit die Situation zu bewältigen macht mich fertig.

Vielleicht liest es jemand. Ich erwarte keine Ratschläge, musste es nur loswerden, mir von der Seele schreiben. Ich danke ihnen für ihre Zeit.

Dana Anwort von Dana

Liebe Marie,

ja, dein Problem ist durchaus ein schwieriges und auch schwer zu lösendes. Du schreibst, du erwartest keine Ratschläge. Ich denke, "nur loswerden" ist natürlich möglich, aber vielleicht würdest du dir doch jemanden wünschen, der sich einfach mal kurz an deine Seite stellt und mit dir ein paar Gedanken durchgeht?

Wenn ein Partner anfängt, sich so extrem zu verändern, dann hat der andere Partner oft das Problem, dass er nicht auf dem Weg mitgenommen wird - oder den Weg gar nicht mit gehen möchte. Bei dir ist es zweiteres...und du siehst zu, wie dein Partner sich dir immer mehr entfernt, weil er einen Weg geht, der dir fremd ist und den du niemals als deinen sehen kannst (was ich übrigens begrüße). Ich bin jetzt hier kein Lebensverbesserer, aber ich möchte dir ein paar Gedanken aufschreiben, die ich hatte, als ich dein Problem las. Natürlich kann ich nur als Dana schreiben, so wie ich bin und mich verhalte. Ich bin nicht perfekt und ich habe sicherlich andere Verhaltensweisen als du. Aber vielleicht helfen meine Gedanken als Ideengeber. Wegweiser sollen sie nicht sein, denn du bist ein eigenes Individuum.

Deinen Charakter beschreibst du als sehr positiv und optimistisch, dich an kleinen Dingen freuend. Wer das kann, ist schützenswert, Marie. Das können viele Menschen nicht mehr. Wie kann dieser Schutz nun aussehen? Wie kann man sich wehren gegen diese negativen Verschwörungstheorien deines Mannes? Inwieweit verändert er sich so negativ, dass ein Eheleben und eine Vertrauensbasis noch oder nicht mehr aufrecht zu erhalten ist? Du schreibst, dein Partner sei dir auch "irgendwie wichtig". Das klingt schon so unbestimmt, dass ich nachfrage. Ist diese Beziehung auf der Gewohnheit aufgebaut? Darauf, dass du Angst hast, ohne ihn finanziell unter zu gehen? Oder ist da Liebe? Das kannst nur du beantworten.

Wenn ich meinen Mann lieben würde und Angst um meine Beziehung und die Kinder hätte, würde ich kämpfen wie ein Berserker, um das zu kitten. Ich würde meinen Partner konfrontieren mit meinem Kummer, mit dem Fakt, dass ich so nicht weiter leben kann und ihn bitten, mit mir in Therapie zu gehen oder mir zuzuhören, so dass ein gemeinsamer Weg wieder gegangen werden kann. Dazu muss ER aber auch wollen. Du schreibst jetzt, er sei cholerisch und du habest Angst, mit ihm ehrlich zu reden. Du "frisst den Kummer in dich hinein", 30kg mehr sind ja jetzt kein Pappenstiel, du richtest also diese Trauer schon gegen dich selbst...Frustfressen, schlucken der schlimmen Dinge, die in dir vorgehen, bist ausgelaugt und weißt nicht weiter.

So kann es ja nicht weiter gehen. Aktion ist da durchaus gefragt, sonst wird aus diesem schützenswerten Charakter etwas völlig anderes...und da sehe ich die Gefahr - und du ja auch, sonst hättest du uns nicht geschrieben.

Es ist nun also an dir zu überlegen, wie du mit dieser Sache umgehst, die dich eindeutig in eine Defensive drückt, die dir nicht gut tut.
Könntest du dir vorstellen, mit ihm ehrlich zu reden und ihm zu erklären, dass du eure Ehe und deine emotionale Verfassung gefährdet siehst? Weil du ihn liebst und die Ehe erhalten möchtest?
Könntest du dir vorstellen, mal bei einem Therapeuten eine unverbindliche Erstgesprächsstunde zu nehmen, um dein Problem mal darzulegen und Hilfe vor Ort zu bekommen, ohne deinen Mann, einfach für deine eigene Hilfe, weil dir deine Ehe noch wichtig ist?
Könntest du dir denn vorstellen, ohne deinen Mann zu leben, wenn du finanzielle und organisatorische Sicherheit hättest? Ist er dir noch als dein Ehemann wichtig oder eher nur noch als Sicherheit, dass du keine finanziellen Sorgen haben musst?

Ich kann dir aus Erfahrung in meinem Umkreis nur sagen, dass es nicht gesund ist, in einer Ehe zu verharren, nur weil man Angst hat, finanziell unterzugehen. Dein Mann wäre unterhaltspflichtig, sollte das nicht reichen, ist auch das Sozialamt zur Stelle. Klar, es ist etwas Ämterabklappern, man braucht einen Anwalt, aber MÖGLICH ist es. Wenn man sich keinen Anwalt leisten kann, aufgrund von mangelndem Einkommen, kann man einen Beratungshilfeschein beantragen, der einem dann einen Besuch beim Anwalt ermöglicht. Es gibt Erziehungsberatungsstellen, die psychologisch geschult sind und auch Fragestellungen lösen und Hilfestellungen geben. Auch die kosten nichts.

Die Angst bleibt solange, solange du nicht informiert bist. Wenn du informiert bist und weißt, was alles möglich wäre, würde, wenn du die Beziehung eigentlich lieber beenden wollen würdest, mehr Sicherheit kommen.

Das ist also etwas, das du für dich entscheiden musst.
Liebst du deinen Mann noch? Willst du mit ihm zusammen sein? Empfindest du dich als sicher und gut aufgehoben in deiner Beziehung, wenn man diesen Verschwörungskrams mal weg lässt? Dann kämpfe. Rede, sprich dich aus, such dir jemanden vom Fach, der euch unterstützt.
Oder bist du mit deinem Mann nur noch zusammen, weil du denkst, es alleine nicht zu schaffen? Keine Liebe mehr? Nur Angst vor seiner Cholerik und seiner Wandlung? Dann sind sowohl du als auch deine Kinder schützenswert und du solltest für dich und sie sorgen, anstatt zu verharren und immer trauriger zu werden und vielleicht noch 30kg zuzunehmen.

Du bist es wert, wieder so zu leben, wie du es möchtest. So zu leben, dass dein liebenswerter, positiver Charakter wieder voll durchschlagen darf. Egal, welche Entscheidung in welche Richtung du triffst. Lediglich das Verweilen in der für dich unseligen Position ist Gift und sicherlich sehr ungesund.

Ich wünsche dir alles Liebe und Gute - und die für dich beste Entscheidung.

Dana