Problem von Anonym - 20 Jahre

Verloren in der Welt

Hallo KuKa-Team

Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen oder wie ich das alles beschreiben.
Letzten Winter fiel ich in tiefes Loch. Ich funktionierte in meiner Ausbildung wie ein Roboter und musste mich jeden Tag zum Aufstehen überwinden. Dazu war ich so geschwächt und dermassen fertig, dass ich kraftlos durch die Gegend schlurtfte und sich dementsprechend meine Fehlzeiten in der Berufsschule und im Lehrbetrieb häuften, weil ich nur noch im Bett liegen konnte. Mir ging es richtig mies und ich war schrecklich einsam. Denn ich habe viele Bekannte, aber leider vielleicht nur eine Person, die ich als Freund bezeichnen würde. Ich hielt diesen Zustand nicht mehr aus und wollte mir das Leben nehmen. Ich hatte konkrete Pläne, liess mich aber im letzten Moment in eine spezielle Krisenstation einer Psychiatrie einweisen. Dort war ich für zwei Wochen. Es war schrecklich. Immerhin war mir dort bewusst, dass ich mein Leben ändern musste, damit ich wieder Freude empfinden kann. Ich habe nach meiner Entlassung wieder den Fokus auf meine Hobbies gelenkt, die mir immer Spass gemacht haben und mir auch eine Psyschologin gesucht, zu der ich immer noch einmal pro Woche gehe und die mich ernst nimmt.

Trotz allem, was sich bisher getan hat, fühle ich mich immer noch so leer, einsam und verloren. Da ich in meiner Freizeit in einem Jugendprojekt und in Kulturbetrieb mitwirke, bin ich immer wieder mal unter Menschen. Aber das sind keine Freundschaften wie ich das von früher her kenne. So verbinge ich den Grossteil der Wochenenden alleine, obwohl ich eigentlich ein spontaner, unternehmungslustiger und unkomplizierter Mensch bin. Und leider ein bisschen schüchtern am Anfang. Ich habe noch eine engere Freundin mit der ich ab und an was mache, aber ich möchte nicht nur immer sie fragen, wenn ich was unternehmen will. Da gibt es noch zwei Freundinnen, die ich seit 13 Jahren kenne, doch wir haben uns alle verändert und merke, dass diese Freundschaft aufgrund fehlender Gemeinsamkeiten keinen Sinn mehr macht. Ich weiss nicht, was ich tun soll. Ich bin erst 20 und doch vereinsame ich schon. Dabei möchte ich viel erleben und entdecken. Alleine macht das keinen Spass und man fällt in ein Loch. Das macht mich fertig...

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Anonyme!

Ich danke dir für Dein Vertrauen dem Kuka-Team gegenüber! Du hast da ja wirklich schon viel durchmachen müssen und das war bestimmt ein beschwerlicher Weg. Zuerst die Ausbildung, die Dir Kraft raubte, dann Deine Müdigkeit und Erschöpftheit, dann die Einsamkeit,... Das ist wirklich viel, was Dir auf Deinen Schultern liegt. Ich kann mir außerdem gut vorstellen, wie das sein muss, wenn man eigentlich gerne Spaß haben und glücklich sein möchte, aber man es einfach nicht ist. Dass Du Dich in Deinen jungen Jahren mit so vielem herumschlagen musst, tut mir leid. Doch wenn ich deinen Text so lese, bekomme ich den Eindruck, dass Du auch schon sehr vieles überwunden und geschafft hast! Du hast Deine Probleme konkret beim Schopf gepackt und Dir Hilfe geholt. Du hast versucht, den Fokus auf Deine Hobbys zu lenken und auch weiterhin Deine Probleme mit jemand professionellem besprochen. Du hast also schon viele Wege gefunden, Dein Leben in die Hand zu nehmen und zu steuern. Du bist Dir Deiner Probleme bewusst und gehst sie an! Das ist großartig! Und auch dass Du jetzt uns schreibst, ist eine gute Methode in Deinem Problemlösungsrepertoire. Anscheinend bist Du ein sehr reflektiertes Mädchen, das bewusst lebt und glücklich sein möchte.

Dennoch beschreibst Du, dass Du nach allem, was Du für Dich schon getan hast, Dich immer noch einsam fühlst und es Dir zu schaffen macht, keine richtigen Freundschaften zu haben. Bekannte sind nun eben mal etwas anderes als Freunde, das ist klar. Doch aus Bekanntschaften können Freunde werden! In Deinem Jugendprojekt und im Kulturbetrieb werdet ihr wahrscheinlich alle im selben Alter sein und auch dieselben Themen/Interessen verfolgen. Habt ihr euch schon mal außerhalb dieses Rahmens getroffen? Gibt es da jemanden, ein Mädchen oder einen Buben, die/der Dir sympathisch ist? Oder trefft ihr euch nur innerhalb dieses Rahmens? Eine Möglichkeit, Anschluss zu finden ist immer die, sich unter Leute zu mischen. Da hast Du ja schon einen Vorteil, weil Du einen Bekanntenkreis hast. Beobachte einmal die Leute, vielleicht gibt es ja doch die eine oder andere, mit der Du Dich gut verstehst. Daraus kann unter Umständen auch eine Freundschaft entstehen. Aber vielleicht willst Du Dich einfach nur mal so mit den Leuten treffen, das kann dir helfen, Dich nicht mehr so alleine zu fühlen.

Du schreibst, dass diese Freundschaften im Jugendprojekt keine sind, wie Du sie von früher kennst. Wie waren die Freundschaften früher? Wovon waren sie geprägt? Was war Dir damals wichtig? Könnte sich da etwas geändert haben? Menschen verändern sich und so verändern sich auch Freundschaften. Ich kann gut verstehen, dass Du nicht immer nur etwas mit Deiner engsten Freundin machen möchtest. Das Gefühl, auf jemanden oder dessen Freundschaft angewiesen zu sein, ist verständlicherweise erniedrigend und bedrückend. Die Freundschaften, die jetzt schon über 13 Jahre gehen, würde ich dennoch so nicht aufgeben. Natürlich kann es passieren, dass man sich aus den Augen verliert, weil sich jeder verändert und es nicht mehr viele Gemeinsamkeiten gibt. Aber das bedeutet noch nicht, dass eine Freundschaft deshalb keinen Sinn mehr hat. Man muss sich ja nicht mehr so regelmäßig wie früher treffen, aber wenn man darauf achtet, dass die Freundschaft aufrecht erhalten bleibt, und wenn auch nur durch Telefonate oder kurze Kaffeehaus Treffen, dann verliert man den anderen nicht. Und irgendwann findet man vielleicht wieder zueinander. Hat man sich aber erst einmal völlig aus den Augen verloren und den Kontakt abgebrochen, so ist es sehr schwierig, diesen wieder aufzubauen.

Wie kann man noch Freunde finden? Es ist nicht einfach, neue Kontakte zu knüpfen und es braucht Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist und man sich einsam und allein fühlt, wenn man an den Wochenenden zuhause sitzt. Da will man sich dann sowieso einfach nur mehr verkriechen. Dennoch - von nichts kommt nichts. Die eine enge Freundin von Dir, mit der Du Dich manchmal triffst, hat bestimmt auch einen Freundeskreis. Eine Möglichkeit, Anschluss zu finden, wäre, einmal mit Deiner Freundin und ihren Freunden etwas zu unternehmen. So kommst Du ins Gespräch mit neuen Leuten und kannst dann öfter dabei sein oder Dich vielleicht sogar privat zu zweit mit jemanden aus diesem Kreis treffen. Eine andere Möglichkeit ist das Internet. Auf dieser Internetseite zum Beispiel (http://www.studenteninserate.at/kleinanzeigen/freunde-freizeitpartner/) kannst Du entweder selbst ein kostenloses Inserat aufgeben, oder aber Dich durch die anderen Inserate klicken und verschiedene Leute anschreiben. So kommst Du ganz unverbindlich mit neuen Leuten ins Gespräch und kannst Dich zum kennen lernen mal auf einen Kaffee treffen. Dann spürt man meist, ob man sich mit dem anderen gut versteht. Manchmal entsteht aus so einer Bekanntschaft eine Freundschaft, manchmal erkennt man, dass man doch nicht so gut miteinander harmoniert. Das gute an solchen Treffen ist, dass Du nicht verpflichtet bist, Dich öfter zu treffen. Du kannst also ganz frei entscheiden, ob Du den Kontakt weiter pflegen willst oder nicht und es kommen laufend neue Inserate und somit neue Chancen, Freunde zu finden.

Du schreibst, dass Du viel erleben und entdecken möchtest. Natürlich ist das mit Freunden besser und schöner, das verstehe ich gut. Du erzählst, dass Du spontan, unternehmenslustig und unkompliziert bist. Hast Du schon mal überlegt, z.B.: alleine auf ein Event oder in einen Club zu gehen? Zugegeben, das ist nicht jedermanns Sache, aber es kann schon ziemlich interessant sein. Wenn Du zum Beispiel zu einem Vortrag gehst über ein Thema, das Dich interessiert, findest Du dort Gleichgesinnte. Aber es muss ja nicht immer gleich formell sein, es gibt viele verschiedene Events, die oft auch wenig oder gar kein Geld kosten. Zum Beispiel: Das Eiscreme-Festival, das Mistfest, Der Tag der Psychologie, Ausstellungen in Museen, Konzerte, Dorffeste, Kirtag etc. Da kann man gut mit jemandem ins Gespräch kommen. Wichtig ist bei solchen Dingen eines: Nummern oder E-Mail Adressen austauschen. Warum? Wenn Du Dich mit jemandem gut verstehst und dann ist das Event, der Vortrag oder was auch immer zu Ende, gehen beide Seiten nach Hause. Hast du keine Nummer oder E-Mail Adresse ausgetauscht, so kannst Du den anderen nicht mehr kontaktieren und diese schöne Begegnung bleibt vermutlich einmalig. Aber wie fragt man um eine Telefonnummer? Wenn Du z.B.: bei einem Vortrag bist, und sich irgendwie das Gespräch über ein gutes Buch, das du empfehlen möchtest, ergibt, den Namen des Autors jetzt aber vergessen hast oder sonst etwas, ist das ein Grund, die E-Mail oder Telefonnummer auszutauschen. Und selbst wenn nicht - Offenheit überrascht zwar die Menschen, aber meist im positiven Sinne. Wenn Du ein gutes Gespräch geführt hast, frag einfach freundlich, ob ihr nicht Nummern austauschen wollt ("Willst Du mir nicht Deine Nummer geben? Ich fand, das war jetzt ein echt gutes Gespräch, vielleicht kann man sich ja mal wieder austauschen?") und schwupps, hast Du die Nummer in der Tasche. Auch Buchklubs, Buchhandlungen, Tanzkurse, Fitnesskurse, Musikläden oder Konzerte sind Orte, an denen es die Möglichkeit gibt, neue Kontakte zu knüpfen.

Solltest Du mehr der "Party-Typ" sein, kannst Du auch ausprobieren, alleine in den Club zu gehen. Einfach mal tanzen, nur Du für Dich, Spaß haben, was trinken kann auch ganz lustig sein. Man muss allerdings der Typ dafür sein. Doch in den meisten Clubs sind die Leute ohnehin sehr offen und es wird offen getanzt. Da stößt man bestimmt mal zu einer Gruppe Mädels oder Jungs dazu, und kommt vielleicht ins Gespräch. Kann sein, dass Du angeflirtet wirst, aber das ist auch eine gute Möglichkeit, neue Leute kennen zu lernen. Wenn Dich jemand fragt, ob Du alleine da bist oder wo denn Deine Freundinnen seien, kannst Du sagen, die seien an der Bar oder auf der Toilette - oder Du hast sie verloren. Zugegeben, ein bisschen unehrlich, aber so kommst Du Dir nicht blöd vor und es ist eine gute "Tarnung". Wenn Du dann nämlich doch keinen Bock mehr hast, kannst Du einfach Dein Handy rausholen und so tun, als ob Du angerufen würdest und dann winkst Du Deinen neuen Bekanntschaften zu und gehst. Ein Tipp: Auf der Website der Studenteninserate findest Du auch immer wieder Leute, die jemanden zum spontanem fortgehen suchen.

Du hast geschrieben, dass du erst zwanzig bist und schon vereinsamst. Ich möchte Dir sagen, dass es viele Leute in deinem Alter gibt, die sich einsam fühlen und auch auf der Suche nach Freunden sind. Ich kenne da selbst einige. Es ist also nichts, wofür Du Dich schämen musst. Gerade im Erwachsenenalter verändern sich Freundschaften oft sehr. Manche führen feste Beziehungen, ziehen zusammen, heiraten eventuell, andere wollen noch vollends ihre Jugend ausleben und sind nur auf Partys zu finden, andere sind mit ihrem Studium bis zum Hals eingedeckt, viele finden neue Freunde und erleben andere Dinge. Die Lebenswelten verändern sich. Doch neue Freundschaften können auch sehr aufregend sein. Was kannst Du noch tun, um Dich nicht mehr so einsam zu fühlen? Du kannst üben, mit Dir selbst Spaß zu haben. Leichter gesagt, als getan, das ist mir klar, doch ich möchte Dir das Angebot machen, Dich selbst einmal zu verwöhnen und Dir selbst was gutes zu tun. Was tust Du denn gerne? Hast Du Hobbys? Lesen, schwimmen, sporteln, musizieren, malen, schreiben, klettern, fernsehen, nähen, fotografieren, Tiere, Natur, basteln,... Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Welche passt für Dich? Wo fühlst Du Dich gut? Welche Tätigkeit erfüllt Dich? Macht dir Freude? Probier doch mal aus, deine Zeit mit Dir selbst auch zu genießen.

Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Beratung weiterhelfen. Solltest Du noch Fragen haben, zögere nicht, erneut einen Text an uns zu schreiben.
Alles Gute für Dich!

Herzliche Grüße,
Christina