Problem von Anonym - 17 Jahre

Ich will unbedingt ausziehen

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll... Mein Anliegen ist, dass ich (erst 17 geworden) es nicht mehr zuhause aushalte. Der Grund dafür ist, dass meine Mutter psysisch krank ist (aufgrund ihrer Vergangenheit) , diese überträgt sie innerhalb der 4 Wände auf ihre Mitmenschen und treibt mich somit in den Wahnsinn. Es ist nicht so, dass jeder darunter leidet, habe ich das Gefühl. Ich bin wahrscheinlich einfach eine sehr sensible Person, die wegen jedem Scheiß rumheult. Es ist in der letzten Woche kein Tag vergangen, an dem ich nicht geweint habe, und das nicht, weil ich geschlagen werde (das wurde ich jetzt seit Februar oder so nicht mehr, und davor auch ganz selten eigentlich), sondern weil ich mit meiner Situation nicht klarkomme und mir das sehr nahe geht. Meine Mutter lässt mir sehr wenig Privatsphäre, möchte die volle Kontrolle über mich, das zeigt sich darin, dass sie bestimmt, wie ich vor bestimmten Menschen (ihren Freunden, Menschen denen sie was falsches vorspielen möchte)auftrete und wie ich mich zu kleiden habe. Freizeit lässt sie mir auch wenig, ich darf nicht so oft raus und wenn, dann nur für kurze Zeit (im Gegensatz zu meinem Stiefbruder). Zuhause bin ich mit meiner Schwester für den Haushalt verantwortlich und wenn was nicht richtig gemacht wurde, dann kann man das direkt nochmal machen. Ich fühle mich überhaupt nicht gewertschätzt, eher wird das als was ganz normales und als "meine Aufgabe" angesehen. Mein Stiefvater versucht immer, zu schlichten und uns Hausarbeiten abzunehmen, aber dennoch kommt er gegen meine Mutter nicht an. Aber abgesehen von allem, was ich aufgezählt habe, ist die Atmosphäre Zuhause das Schlimmste. Alles ist gut, aber wenn meine Mutter von der Arbeit kommt, wird nur noch rumgeschrien und herumkommandiert. Ich fühle mich, als würde mir die Luft abgeschnürt werden und als könne ich mich dadurch nicht richtig entfalten. Ich habe schon einige Freunde dadurch verloren, dass ich durch meine Muter und meine Pflichten im Haushalt nicht so viel Freizeit habe... Andererseits frage ich mich, warum meine Geschwister damit klarkommen und ich nicht... Ich sehe es nicht ein, so sensibel dadurch geworden zu sein und möchte nicht, dass ich durch das alles eine Depression bekomme, schließlich bin ich noch so jung! Mit meiner Mutter habe ich schon oft über die Probleme Zuhause geredet, sie hat auch tausendmal versprochen, etwas zu ändern. Sie KENNT also meine Probleme, bzw. die Dinge, mit denen ich nicht klarkomme... jedoh ist sie immer wieder in alte Muster gefallen und begründet ihr Verhalten damit, dass ihre Vergangenheit sie krank gemacht hat. Kann ich mich vom Jugendamt da rausholen lassen, auch wenn es keine körperliche, sondern eine psychische Gewalt ist und ist meine Zukunft damit im Eimer? Hierzu muss ich sagen, dass meine Eltern mir alles geboten haben und mir derzeit auch den Führerschein finanzieren. Es geht mir aber um meine Psyche... Ich mache gerade mein Abi (11. Klasse) und kann mich nur ans Jugendamt wenden, wenn meine Zukunftspläne dadurch nicht gefährdet werden.
Ich hoffe auf eine baldige Antwort,
Liebe Grüße

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Anonyme!

Ich kann verstehen, wie Dir zumute sein muss. Wenn man sich in den eigenen vier Wänden nicht wohl fühlt, weil die Familienatmosphäre so negativ und unangenehm ist, ist das bestimmt hart. Noch dazu bist Du in der Pubertät und brauchst auch Zeit und Ruhe für Dich. Eine Frage beschäftigt mich vorab: Ist deine Mutter vom Arzt diagnostiziert psychisch krank? Depression, Borderline? Oder ist das nur Deine Auslegung der Dinge? Denn wenn sie wirklich psychisch krank ist, wird sie, nehme ich an, Psychopharmaka verschrieben bekommen haben und auch in psychotherapeutischer Behandlung sein. Weißt Du, was ihr in der Vergangenheit widerfahren ist? Denn wenn ich Deinen Text so lese, kommt in mir der Gedanke, dass sie womöglich ihre Art, mit Dir und Deinen anderen Familienmitgliedern umzugehen dadurch rechtfertigt, dass sie eine schwere Vergangenheit hat. Ich will nicht bestreiten, dass sie das hat, aber dennoch kann sie dadurch nicht die Verantwortung für ihr eigenes Handeln abgeben. Da verstehe ich Dich wirklich gut, dass Dich das wütend und traurig macht. Dennoch - Du schreibst, Du bist ein sensibler Mensch und offenbar, so bekomme ich den Eindruck, stört es Dich, dass Dir das so nahe geht. Doch sensibel zu sein ist eine ganz besondere, wertvolle Eigenschaft. Klar, in solchen Momenten würde man am liebsten viel abgehärteter sein, aber dennoch ist sensibel zu sein nichts schlechtes oder eine Schande. Ganz im Gegenteil! Du kannst fühlen, was andere nicht können. Vielleicht bist Du ein guter Zuhörer, eine mitfühlende Person und kannst anderen mit ihren Problemen vielleicht helfen. Das ist etwas sehr wertvolles und wichtiges, liebe Anonyme!

Du schreibst, dass Dir Deine Mutter keine Privatsphäre lässt und sie Dir vorschreibt, wie Du Dich kleiden und verhalten sollst. Du bist aber alt genug, um Dir das nicht bieten zu lassen. Klar - wenn es darum geht, dass die Großeltern zu Besuch kommen, kann ich verstehen, wenn Deine Mutter nicht möchte, dass Du im Minirock und Metalshirt angelaufen kommst, aber ansonsten steht es Dir frei, anzuziehen, was Du möchtest, solange natürlich Du Dich nicht zu freizügig anziehst - denn da würde ich jede Mutter verstehen, wenn sie gegen ein solches Outfit ist. So schätze ich Dich jetzt aber nicht ein. Hast Du ihr schon mal gesagt, wie Du darüber denkst? Oder einfach mal das angezogen, was Du wolltest? Du schreibst über eine Schwester und einen Stiefbruder, die anscheinend mit alldem (laut Deinen Aussagen) besser klar kommen als Du. Hast Du mit ihnen schon mal darüber gesprochen? Vielleicht können Sie Dir da eine Hilfe sein und Dich unterstützen. Was den Haushalt betrifft - anscheinend ist euer Stiefvater ja dazu bereit, euch ein wenig unter die Arme zu greifen und euch zu helfen. Vielleicht machst Du ihm den Vorschlag und er kann ihn dann Deiner Mutter machen, dass ihr einen gemeinsamen Haushaltsplan erstellt, wo eingetragen wird, was jeder wann zu tun hat. Dann werden Aufgaben gerecht verteilt, sodass auch Deine Mutter eine Aufgabe bekommt. Wenn Du dann Deinen Teil erledigst, kann sie auf Dir gar nicht mehr herumhacken, denn Du hast getan, was ausgemacht war. Das Jugendamt würde ich in Deinem Fall nicht einschalten. Du schreibst, Deine Eltern bieten Dir alles, zahlen Dir den Führerschein, und Du machst gerade Dein Abi. Aus Sicht des Jugendamts bist Du ein privilegiertes Mädchen. Psychische Gewalt ist ein starker Ausdruck. Dass sie dich "isoliert" und "einsperrt" ist bestimmt ein Teil davon, aber Gemecker und Vorwürfe über den Haushalt zählt da leider nicht dazu. Hier kannst Du Dich genauer über psychische Gewalt informieren und vergleichen, ob sie wirklich auf Deine Situation zutrifft: http://www.gewaltinfo.at/fachwissen/formen/psychisch/

Auf diesen Websites kannst Du Dich über Deine Rechte informieren:
http://www.deine-rechte.de/
https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/174/Seite.1740000.html

'Wie lange du draußen unterwegs oder bei Freunden sein darfst, unterliegt keinen gesetzlichen Bestimmungen. Wann du zu Hause sein musst, können daher deine Eltern festlegen. Sie haben, die Aufsichtspflicht und können verantwortlich gemacht werden, wenn etwas passiert. Sie müssen dir aber auch ein normales Gemeinschaftsleben ermöglichen.' - so auf der Website vermerkt. Schau doch mal rein, da steht noch einiges genaueres. Also prinzipiell darf Deine Mutter über Ausgehzeiten bestimmen, es gibt aber Richtlinien, die Du ihr vorlegen kannst, wo Du ihr zeigen kannst, wie lange der Staat es in Deinem Alter für angemessen hält, wegzubleiben. Ich würde Dir empfehlen, mich auf ein solches Gespräch mit Deiner Mutter vorzubereiten und ihr dann ruhig zu sagen, wie Du in Zukunft vor hast, das alles mit ihr gemeinsam zu lösen. Vielleicht hilft es, wenn Du ihr zeigst, dass Du sehr gewissenhaft bist und Regeln auch einhalten willst, aber jetzt älter bist und es Dein Wunsch ist, mehr hinauszugehen. Meine große Frage ist nämlich die: Was haben die Ausgehzeiten, der Haushalt, ihre Vorstellungen über deine Art, sich zu kleiden und das Herumkommandieren und Bestimmen von Deiner Mutter mit ihren Problemen, ihrer, wie du es nennst, "psychischen Erkrankung" und ihrer Vergangenheit zu tun? Rein gar nichts. Es ist nicht fair, dass sie Dir damit kommt - denn das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ihre Probleme sind ihre Probleme und NICHT Deine. Vielleicht hilft es auch, all das zuvor mit Deinem Stiefvater zu besprechen. Wenn ihr euch dann gemeinsam mit Deiner Mutter zusammen setzt, und in Ruhe mit ihr über alles redet, hast Du vielleicht auch ein wenig Rückendeckung von ihm, sollte Deine Mutter sehr wütend werden.

Eines möchte ich Dir mitgeben: Alle jungen Teenager, vor allem in Deinem Alter, müssen sich mit den Vorstellungen der Eltern herumschlagen, die ihren eigenen oftmals nicht entsprechen. Viele sind genervt von den häuslichen Verpflichtungen, den zu kurzen Ausgehzeiten und den Versuch der Eltern, sich in ihr Leben einzumischen. Es ist also normal. Da ich Deine Situation nicht genau kenne, kann ich schwer abschätzen, wie schlimm es bei Dir wirklich ist. Aber sieh es mal so: Du hast ein Dach über dem Kopf, Geschwister, einen lieben Stiefvater, die Möglichkeit, zur Schule zu gehen, Dein Abi und den Führerschein zu machen. Und Du bist bereits 17 - wenn es Dir mit dem Ausziehen wirklich ernst ist, kannst Du Dich ja mal für eine Gemeindewohnung anmelden, oder Du überlegst Dir evtl. mit Freunden gemeinsam in eine WG zu ziehen. Wie sehen denn Deine Zukunftspläne aus? Hast Du Arbeit nach dem Abi oder gehst Du erst noch studieren? Überlege Dir genau, wie Du damit in Zukunft umgehen willst - denn Ausziehen ist Dir mit 18 Jahren, das bedeutet, schon in einem Jahr, gesetzlich möglich. Aber - es bringt auch viele Verpflichtungen mit sich. Du brauchst dann einen Job, um Geld für eine Wohnung, Miete, Strom, Gas, Wasser, Essen und Kleidung zu haben. Hier kannst Du Dich genauer über das Jugendamt informieren: https://www.jugendaemter.com/jugendaemter-in-deutschland/ - Ich glaube nämlich, dass das Jugendamt für Volljährige nicht mehr viel tun kann.

Ich bin sicher, Du wirst Deinen Weg finden!
Ich hoffe, ich konnte Dir mit meiner Beratung behilflich sein.
Falls Du noch Fragen hast, kannst Du uns gerne erneut kontaktieren.
Alles Liebe wünsche ich Dir!
Herzliche Grüße,
Christina