Problem von Lonely - 26 Jahre

Lohnt es sich noch zu warten? Teil 3

Lieber PaulG,
Danke nochmals für Deine Antwort! Ich fühle mich Dank Dir endlich mal erhört... Nicht, dass ich von niemandem vorher eine Antwort auf diese Fragen bekommen hätte aber nicht so auf jeden Punkt eingehend...

Ich bin gerade etwas mehr durch den Wind als sonst...

Lass mich Dir auf jeden Fall kurz noch erläutern, was meinen „Religiösen Hintergrund“ betrifft. Es stimmt, dass ich mich aufhebe aber nicht , weil das meine Religion so möchte, wenn es danach ginge hätten meine Eltern selbst geheiratet aber ich bin ein uneheliches Kind und bin es bis heute. Du siehst, es liegt nicht daran, dass meine Eltern es mir „verbieten“ es sind eher meine eigenen Grenzen, was ich an körperlicher Nähe zulassen kann und was nicht und mehr als ein Kuss, hab ich bei niemanden zugelassen, weil ich mich nicht 100% sicher gefühlt hab und im Nachhinein, war es richtig so.

Allerdings komme ich jetzt auf F. zurück... Ja, ich denke viele meiner Gedankengänge beschuldigen mehr mich und suchen etliche Fehler in meiner Handlungsweise und sehen dabei gar nicht seine „Fehler“.
Zum ersten Mal verstehe ich tatsächlich den Ausdruck „blind vor Liebe“.

Das klingt jetzt bestimmt sehr verträumt und romantisch aber irgendwas in mir sagt mir immer noch, dass er doch das gleiche empfindet. Ich meine Fakt ist, er hätte längst sein Ziel erreichen können WEIL ich ja Gefühle für ihn hab, unterm Strich wenn er gewollt hätte mich zu küssen, hätte er es JEDERZEIT ausnutzen können. Wieso sollte er um eine Erlaubnis fragen, wenn er doch schon viel mehr als Küssen kennt.

JA, vielleicht, weil ihm die Freundschaft zu viel bedeutet sie aufs Spiel zu setzen.

Vielen Dank für Deine Ehrlichkeit! Das nehme ich mir wirklich sehr zu Herzen. Ja, ich habe eine rosarote Brille auf und ich nehme sie immer wieder bewusst ab und rede mir genau das alles auch ein. Dass er nur Seinen Vorteil daraus schlagen will, dass er nur Spielchen spielt, dass er vllt geschmeichelt ist von meinen Gefühlen für ihn und mich weiter „warm halten will“.

Aber warum postet er dann ständig Liebeslieder auf Facebook sobald er wieder mal getrunken hat? Klar, könnte auch noch immer auf seine Ex bezogen sein, aber alles spricht dagegen... Er sagt, er will nichts festes aber postet beispielsweise „Stand By Me“ von Ben E. King. Das passt einfach nicht... Du siehst also was er sagt und tut, passt irgendwie einfach nicht zusammen.

Und sobald ich es nicht bemerke, dass er was neues gepostet hat, weist er mich direkt darauf hin z.B. meinte er gestern: „ich ekel mich gerade vor mir selbst...“ und ich hab gefragt wieso dann meinte er „weil ich gerade so Liebeslieder höre und mich dafür schäme, so schwach zu sein“ als ich näher nachgehakt habe hat er wieder alles gelöscht und ist ausgewichen mit nichtssagenden Antworten wie „egal“.
Du siehst also, es ist doch nicht ganz klar, ob er will oder nicht... Klar, einerseits hast Du dennoch Recht, wer will findet Wege, wer nicht will findet Gründe und bei ihm sieht es eher nach letzterem aus aber gleichzeitig erscheint es so, als würde er genau das nicht wollen.

Oder interpretiere ich da jetzt wieder zu viel rein?

Ich muss Dir noch was sagen, in mir tobt ein Sturm, der noch nicht bereit ist, loszulassen aber ich habe mir ein Ultimatum gestellt, wenn bis Silvester seinerseits alles weiterhin nichtssagend ist, gebe ich mich „geschlagen“. Vielleicht denke ich auch tatsächlich, dass ein Kuss alles verändern könnte.
Vielleicht ist das wirklich dumm und naiv... Aber irgendwas will einfach nicht aufgeben in mir. Vielleicht, weil er so ambivalent ist? Ich weiß es nicht...

Ich wollte Dir auf jeden Fall nochmals Danken, auch falls dieses Mal mein „Problem“ nicht beantwortet werden können sollte. Danke für Dein „offenes Ohr“ und den Willen, mir zu helfen!!!

Ganz liebe Grüße
Lonely

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Lonely,

ich gebe dein Lob zurück und danke auch dir für deine Offenheit und Ehrlichkeit über deine Gefühle. Ich muss einen Punkt unterstreichen: Deine neuesten Gedankengänge zeigen, dass ich erreicht habe, was ich wollte. Mein Ziel war es nicht, dich dazu zu bringen, dass du dir die Sache aus dem Kopf schlägst. Erstens ist das unrealistisch, denn die Liebe ist nun mal ein hartnäckiges Etwas; und zweitens - ich kann nur von meinen Empfindungen sprechen, wichtig sind am Ende aber ganz allein die deinen.

Es ist gut, dass du meine letzte Darstellung zwar respektierst, aber auch hinterfragst. Denn ganz so einfach ist die Welt natürlich nicht. Es gibt nicht nur hundertprozentige Idioten und hundertprozentige Prinzen, das wäre ja auch irgendwie seltsam. Stattdessen hat jeder Mensch seine Geschichte und seine inneren Entwicklungen, die manchmal widersprüchlich sind. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass bestimmte Dinge, die du in deinem letzten Text beschrieben hast, von seiner Seite nicht in Ordnung waren. Du solltest sie ihm nicht einfach so nachsehen - wenn er das macht, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie mies es ist, noch weniger, als wenn er es bewusst täte. Er ist dir als dein Freund wichtig und dazu gehört natürlich auch, dass du ihn auf diese Dinge hinweist. Grundsätzlich schließt es nicht aus, dass auch er mit sich ringt und zu keinem klaren Entschluss kommt. Ich muss nur bemerken: Das geht jedem Menschen so. Eine Entschuldigung für ein Fehlverhalten ist es nicht wirklich.

Auch wenn ich ein Mann bin, kann ich nur schwer einschätzen, was du eventuell "zu viel hinein interpretierst". Ich halte es für denkbar, dass er als Mann erhebliche Schwierigkeiten hat, bestimmte Gefühle und Wünsche, die er als "unmännlich" ansieht, nach außen zu tragen. So war mein erster Gedanke, als ich die Sache mit den Liebesliedern las. Es kann schon sein, dass da etwas in ihm ist, was hinaus will und irgendwie nicht kann; das hätte ihn aber noch keineswegs hindern müssen, mit dir eine Beziehung einzugehen. Ich weiß nicht, wie man es nennen soll - das überlasse ich dir. Denn selbst wenn es stimmt: Das macht es noch wichtiger, dass du auf deine Bedürfnisse bestehst. Wenn du es ihm nachsiehst, sobald er unflätig und unsensibel ist, wo er es eigentlich besser wissen sollte, wirst du bei ihm nicht den Erkenntnisprozess in Gang setzen, den du dir wünschst. Falls diese Möglichkeit denn besteht. Dass er auf der Suche nach Liebe ist - unabhängig davon, was er auf dem Weg dahin zurücklässt - ist denkbar, zumal die meisten Menschen das irgendwie immer sind. Das muss aber nicht heißen, dass er sie bei dir zu finden hofft. Du hast zweifellos recht, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, deine Gefühle für ihn auszunutzen, wenn er wollte. Das alles stellt mein Sicht noch nicht grundsätzlich in Frage. Er hat seine Prinzipien - und es ist beruhigend, das zu wissen, für dich wie für mich. Auch damit ist aber noch nicht belegt, dass er ernsthaftes Interesse an einer Beziehung mit dir hat, sondern vorerst nur, dass es - Gott sei Dank! - Punkte gibt, an denen er Rücksicht zu nehmen weiß und seine Ehre wahrt. Vieles, was eklig ist, kann aber schon unterhalb dieser Grenze stattfinden, und wenn du zurückdenkst, hat es das schon.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Nichts wäre für mich schlimmer, als wenn du meine Betrachtungsweise einfach so übernimmst. Ich sehe was ich sehe, du siehst, was du siehst - die Wirklichkeit liegt, wie meistens, irgendwo dazwischen. Wenn dein Herz dir eingibt, es noch ein oder zwei Jahre bei ihm zu versuchen, zu hoffen, zu kämpfen, dann ist das deine Entscheidung und sie muss für dein Leben nichts Schlechtes heißen. Vielleicht ist die Freundschaft mit ihm in deinem Leben ein zu großer und wichtiger Einschnitt gewesen, als dass du glücklich werden könntest, wenn du weniger Aufwand treibst. Selbst wenn ihm kein Erfolg beschieden ist. Wichtig ist am Ende nur, dass du mit dem, was du tust, zufrieden bist und positiv zurückblicken kannst. Selbst wenn er nichts für dich empfindet, es aber noch Jahre dauern sollte, bis das zwischen euch klar wird, und du bis dahin immer noch Hoffnung hast - dann sind diese Jahre nicht vergeudet, sondern es hat sie gebraucht, verstehst du? Du gehst deinen Weg, und deine Vergangenheit bis jetzt macht dich zu dem Menschen, der du bist. In Zukunft wird es nicht anders sein. Selbst die schlichtesten Erkenntnisse (oder besser gesagt, die scheinbar schlichtesten) brauchen manchmal sehr lange, um uns wirklich im Innersten bewusst zu werden, sodass wir sie annehmen können. Wenn du noch eine Ewigkeit um ihn kämpfst, ohne etwas zu erreichen, aber danach mit frohem Herzen abschließen kannst (was anders nicht gegangen wäre), dann ist das keineswegs idiotisch, sondern Folge einer weisen Entscheidung, die du auf deinem Weg getroffen hast. Nur du kannst fühlen, dass es notwendig war. Aber auch nur du kannst dich dafür entscheiden, verstehst du? Ob es sich zu warten lohnt, also deine ursprüngliche Frage - ich würde das derzeit sehr stark bezweifeln. Doch wenn du deinem Gefühl gehorchen möchtest - glaubst, es zu müssen - dann solltest du das auch tun, und nicht von mir einen Rat annehmen, für den du noch nicht bereit bist - ob er jetzt der Wahrheit entspricht oder nicht. Anders kannst du nicht glücklich werden. Schließlich sehe auch ich nicht in den Kopf deines Freundes. Nur du kennst ihn persönlich, und kennst die ganze Vielfalt seines Wesens, seine herben und zärtlichen, unschönen und freundlichen Seiten. Wer bin ich, dir hier eine Vorschrift machen zu wollen? Schließlich reden wir ja nicht von einer Gefahr für Leib und Leben, das wäre natürlich etwas Anderes.

Aber auch das alles erlöst uns ja nicht von der Frage, die dich umtreibt. Wenn du Gewissheit willst, kannst du es auf zwei Arten versuchen: Entweder, du triffst dich mit ihm, sprichst ihn darauf an und bittest ihn um eine ehrliche Antwort, ob er vorhat, jemals eine gemeinsame Zukunft zu wagen. Da solltest du ihm keine Ausflüchte erlauben, sondern auch einräumen, was du denkst, nämlich, dass es für dich aussieht, als hätte er vielleicht Gefühle für dich und könne sie nur nicht eingestehen. Wenn du recht hast, wird er dankbar darauf eingehen, und du bist am Ziel; falls nicht, und er von der Sache ablenkt, ist auch das eine Aussage - du verstehst? Oder, du kannst auch einfach so tun, als wäre nichts gewesen, und versuchen, ihn zu erobern. Dann allerdings setzt du dich der Gefahr aus, dass er deine Zeichen missversteht und dein Interesse eher als sexuelles deutet. Du musst daher auch wissen, wie weit du in diesem Sinne bereit bist zu gehen: Kannst du dir vorstellen, ihn zu küssen, ohne dass du weißt, wie er zu dir steht? Und wie willst du dir da sicher werden, wenn er nichts sagt, aber es auch komisch wäre, es nicht zu tun? Hier siehst du: Es erlöst ihn nichts von der Pflicht, irgendwann mal zu Potte zu kommen. Solange er nicht sagt, wie er für dich empfindet - und dabei bleibt - wirst du stets Zweifel haben. Bisher hast du keine klare Aussage von ihm. Hast du sie irgendwann - hoffentlich bald -, dann wäre es besser, wenn du sie auch anerkennst. Denn auch als Mann kann man in die Situation geraten, dass einem das berühmte "Nein, das eigentlich Ja heißt" unterstellt wird. Als Freundin wäre es aber angebracht, ihm seine Entscheidung auch zu lassen - sollte er Gefühle für dich haben, wissen wir nicht, wann er es merkt, aber solange das nicht geschieht, können wir nur weitermachen im Leben.

Was deine Eltern betrifft: Gut, dass du mir diese Einzelheiten verraten hast - andererseits bleibe ich bei meiner Aussage, denn die Umstände deiner Geburt und ihrer Beziehung ändern ja nichts daran, dass du sie als Menschen schätzt und respektieren möchtest. Das Gleiche kann auch für andere Leute gelten, auf deren Meinung du Wert legst - man muss eben immer abwägen. Auch von deinen Eltern solltest du dich nicht hemmen lassen, deine eigene Entwicklung zu verfolgen. Auf der anderen Seite kann, sich unbedingt von allem frei schwimmen zu wollen, auch selbst ein Zwang werden, der ungut ist. Wichtig ist, immer selbst zu befinden, was sich gut anfühlt, und dabei zu bleiben. Egal, ob es Anderen jetzt als verstockt und altbacken erscheint. Die Freiheit, die wir haben, besteht ja nicht darin, dass eine Norm durch eine andere ersetzt wird, sondern dass jeder frei wählen kann. Und so entbindet dich auch nichts von der Notwendigkeit, in dich hinein zu spüren und zu überlegen, wozu du bereit bist. Ich kann dir nicht sagen, wie es wirklich ist. Ich kann dir nur sagen, was ich vermute - aber selbst dann solltest du immer noch primär auf dich selbst hören. Ich kann nicht erwarten, dass unsere Meinungen eins sind; mir genügt es, wenn ich dich dazu bewege, deinem eigenen Ratschluss zu folgen. Und ich habe das Gefühl, das gelingt, und das freut mich.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul