Problem von Anonym - 22 Jahre

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An: Dana

Hallo Dana,
Ich danke dir für deine ehrliche und ausführliche Antwort. Ich hatte dir von meinen Gedanken Erz und von meiner Depression, die mich und mein Alltag voll ein nimmt.
Nun möchte ich dir auf deine frage antworten.
Als ich das erste Mal gemerkt habe, dass meine bedrückte Stimmung und Niedergeschlageheit einfach nicht enden wollten, habe ich meinen Hausarzt aufgesucht. Dieser hat mich damals belächelt und mich für ein paar Tage krankgeschrieben. Nach ein paar Wochen ging ich wieder hin, weil es einfach nicht besser wurde. Er hat mich nicht ernst genommen und hat mich versucht abzuwimmeln. Daraufhin habe ich mich auf die Suche gemacht nach einem neuem Hausarzt, das war vor ca. drei Jahren. Er hat mir geholfen und mich Medikamentös behandelt und mich zu einem Therapeuten überwiesen.
Mir ging es zu derzeit so schlecht das er mich direkt in eine Klinik überwiesen hat, wo ich dann auch 7 Wochen lang war. Ich kam auf eine "Notstation", dort kommen Menschen hin die aus einer akutsitation in ihrem Leben raus müssen. Die Zeit war die beste die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Mir hat die "Auszeit" damals sehr gut getan. Nur was die Therapie, mit den Therapeuten dort anging, hat es mir nicht wirklich geholfen.
Nach der Klinik begann ich eine ambulante Therapie, in der mein Therapeut Borderline diagnostizierte.
Leider habe ich nur einmal im Monat eine Therapiesitzung, was für mich zu wenig ist, wie ich mit der Zeit gemerkt habe.
Ich bin medikamentös eingestellt aber mir wirklich geholfen hat es nicht.
Ich merke schon den Unterschied mit Medikamenten und ohne. aber die Medikamente heilen nicht den Schmerz der so tief in mir steckt.

Du hast recht, das man nicht weiß was nach dem Tod passiert. Aber kann es denn schlimmer sein, als den Schmerz den ich grade spüre.
Ich fühle mich oft verloren und unwirklich. Manchmal merke ich wie ich neben mir stehe und mich "selber beobachten" Kann.
Mein Körper ist dann zwar anwesend aber mein "geist" nicht.
Ich fühle einfach das Leben nicht mehr. Das hört sich wahrscheinlich komisch an aber so ist es. Ich sehe andere Menschen und weiß die Spuren das Leben aber ich kann da einfach nicht fühlen.
Als wenn der Schmerz dieses Gefühl Unterdrückt.
Ich kann das alles schwer beschreiben, weil ich nichts fühle was man beschreiben könnte.
Ich möchte endlich die Last des Lebens von meinen Schultern nehmen und mich für lange Zeit schlafen legen.
Ich bin so erschöpft und müde, nicht weil die Arbeit so stressig ist, sondern mein Leben. Mein Leben zu leben, Mach mich müde. Ich bin es Leid dieses Leben zu führen, es macht mir keine Freude. Wer weiß schon was nach dem Tod ist aber kann es wirklich so schlimm sein? Vielleicht herrscht ewige Dunkelheit oder man beginnt ein neues Leben. Ich möchte eigentlich gar kein besseres oder schöneres Leben, ich möchte gar kein Leben. Ich bin müde von dem Leben. Leben ist anstrengend. Ist Tod auch anstrengend?

Ich danke dir für deine Antwort, sie hat mich zum nachdenken angeregt.

Liebe Grüße
Yana

Dana Anwort von Dana

Liebe Yana.

Danke für deine Antwort. Sie zeigt mir Offenheit zum Austausch und kein aufstampfendes "Ich will aber sterben, lass mich!!". Du gehst sehr klug und selbstreflektiert mit allem um - und die Sterbegedanken sind nichts, was unvernünftig ist. Natürlich zeigt Sterben einen Ausweg. Für mich ist es halt der unsicherste Ausweg, weil man nichts darüber weiß. Man weiß nicht, ob es weniger anstrengend ist, man weiß nicht, ob es angenehmer ist...das einzige, was recht klar ist: es ist endgültig. Man kann sagen "hey, ich versuche es mit anderen Medikamenten, mit anderer Therapie, mit einer erneuten Klinikeinweisung, mit einem Auslandsjahr, mit einem kompletten Verändern meines Lebens", aber man kann nicht sagen: "Hey, ich stehe mal wieder vom Tod auf, ist doof da..." Diese Endgültigkeit ist es doch, die uns Lebende davor warnen sollte, zu voreilig diesen Schritt zu gehen. Meiner Meinung nach ist noch nicht alles versucht worden.

Was ich rauslesen kann, ist, dass Auszeiten und temporäre Ortswechsel das sind, was dir bisher am besten getan haben. Das bedeutet, dass sowohl Wohnort, Alltag als auch Gewohnheiten dir wohl nicht wirklich gut tun. Du sagst, du seist müde. Da sind Bewegung und Energieaufwand natürlich sehr schwierig. Alles ist dann schwierig. Jemand, der durchweg müde ist, ist kaum fähig, Dinge zu bewegen und Änderungen herbei zu führen. Das gilt für das "biologische Müdesein" genauso wie für das seelische. Daher wäre für mich der richtige Beginn des Weges, sich dieser Müdigkeit erst einmal zu entledigen. Wenn du sagst, dass dieser Klinikaufenthalt das war, was dir erst einmal Ruhe gebracht hat, würde ich ALLES dran setzen, dies nochmals zu wiederholen. Alles, was Erleichterung bringen kann, sollte vor dem Tod in der Liste stehen. Alles, was du lebend noch versuchen kannst zu bewegen, sollte bewegt werden. Du bist noch lange nicht alternativlos. Und das sage ich nicht, um dich zu "retten", denn auch ich weiß natürlich nicht, was "Rettung" für dich genau heißt. Ich kann mir auch nicht anmaßen, dir zu sagen, was richtig für dich wäre. Trotzdem empfinde ich es als logisch, alle Alternativen auszuschöpfen, die man bei Verstand und bei lebendigem Leibe noch in der Lage ist zu bringen.

Das Problem ist natürlich, dass die Alternativen nur aus dir selbst kommen können. Meinst du denn, dass du die Kraft aufwenden kannst, dich in dieser Richtung nochmals zu bewegen? Dir diese Chance noch zu geben? Ich weiß, dass es in deinem Zustand sehr schwer ist, überhaupt Ja zu einer neuen Chance zu sagen. Zu oft ging es schief, zu oft hat man Schiffbruch erlitten, zu wenig ist an Gefühl überhaupt noch da...aber den Tod als "rosarotes Einschlafen und alles ist dann besser" zu bezeichnen, halte ich für zu romantisch.

Wäre ich in deiner Situation und hätte gar keinen Lebenswillen mehr, wäre der Tod sicher ein willkommener Weg. ABER: dann würde ich wo runterhüpfen, Tabletten nehmen oder sonstiges anstellen, aber sicher nicht irgendwo meine Gedanken notieren und jemandem schreiben, wie er die Dinge sieht. Für mich sieht es so aus, als sei in dir drin durchaus noch "Glut". Und diese Glut bräuchte nur wieder jemanden, der sie anpustet und das Feuer wieder zum Leben erweckt. Daher schreibe ich dir zurück, denn du hast diesen Weg der Kommunikation erwählt. Du alleine. Und damit meine ich, hast du selbst entschieden, in welche Richtung du gehen möchtest. Und das ist nicht die Richtung der Chancenlosigkeit durch Sterben, sondern die der Öffnung und des Alternativensuchens.

Daher sage ich dir einfach, wie ich das sehe. Was du davon umsetzt, ist natürlich rein dein Weg alleine. Ich reiche dir aber gern die Hand dazu und bin auch durchaus bereit, dir da noch etwas weiter an der Hand zu bleiben, wenn du das möchtest.

Für mich wäre der Weg wie folgt:
- unbedingte Wiederaufnahme in die oder eine Klinik. Ein paar Wochen Runterkommen, Tapetenwechsel, Entspannen des Mörderstresses, der auf deiner Seele lastet und dich kaum atmen lässt.
- Therapiewechsel zu jemandem, der dich 1. öfter dran nimmt (da auch ruhig mal mit der Krankenkasse ein Wort reden) und 2. besser zu dir passt. Wenn du sagst, dass du nicht wirklich mit der Therapie klar kamst, ist das ein Punkt, der wirklich zu ändern ist, damit du da für dich Erfolge und Milderung sehen kannst. Da spielt der Therapeut/die Therapeutin eine wirklich riesige Rolle. Du hast das RECHT auf eine Behandlung.
- zusätzliche Suche nach einer Selbsthilfegruppe. Das ist nicht zu unterschätzen. Und damit meine ich vor Ort (oder in der Nähe) und keine Foren. Foren halte ich da eher für gefährlich, weil viele Leute rumlaufen, die nur halb oder teiltherapiert sind und Floskeln runterbeten, die keine Basis haben und unreflektiert sind. Das ist eher schädlich als hilfreich.
- Menschen mit ins Boot holen, die dir Hilfestellung geben können (keine Ahnung, wie das verwandtschaftstechnisch oder freundestechnisch bei dir aussieht). Allerdings NICHT (und ich betone das) therapeutisch, sondern rein "technisch", also Zeit haben, dich mal wo hinfahren, mit dir Gänge machen, die du nicht alleine machen möchtest etc. Therapie nur fachlich, das können Freunde und Familie in deinem Umfeld nicht leisten.
- und abschließend auch die Überlegung, sich örtlich mal komplett rauszuziehen. Umzug, andere Stadt, andere beruflichen Ideen (da weiß ich noch nicht, was du da schon angefangen hast), ein Auslandsjahr in einem Entwicklungsland zB (da habe ich persönlich schon mit Menschen gute Erfahrungen gemacht, die das gemacht haben) oder ein Auslandssemester, falls du studierst...

Wenn das Leben, so wie es momentan ist, nicht funktioniert, kann man es beenden. Dies durch Tod natürlich, aber dies vor allem durch neue Weichenstellungen. Wenn dein Zug durch trostloses Land fährt, kann man ihn entgleisen lassen, aber man kann auch die Weichen neu stellen, dass er sich ein neues Gebiet vornimmt. Dazu braucht man Kraft und Energie, daher erst einmal eine Tankstelle aufsuchen, die einem diese Kraft wieder gibt.

Natürlich weiß ich, dass ich gesund bin und daher diese Überlebenswillen habe und du eher nicht. Aber genau da liegt der Punkt! Deine Depressionen sind ein Erkrankungsbild! Du selbst bist darunter versteckt, wie unter einem Teppich, der dich langsam erstickt. Wärst du gesund, hättest du ganz andere Gedanken und auch einen Überlebenswillen. Daher möchte ich dir einfach sagen, was ein Mensch denkt, der diese Krankheit nicht hat.

Vielleicht hilft es dir ja und du kannst daraus Kraft schöpfen und neuen Mut?
Schreibe gerne wieder!

Alles Liebe,

Dana