Problem von Simon - 28 Jahre

Gehe ich zum Klassentreffen?

Hallo liebes KuKa-Team,

Mein Problem ist jetzt nicht allzu weltbewegend, aber ich wollte mir zumindest mal eine Meinung einholen, der das ganze eventuell neutral betrachtet.

Vor ein paar Tagen bekam ich einen Anruf von einer alten Klassenkameradin aus meiner Realschulzeit, die mir mitteilte, dass Mitte des Jahres ein Klassentreffen geplant ist. Das Telefongespräch ging auch nicht allzu lang und es hieß, dass ich per Post noch eine Einladung bekommen werde mit genaueren Daten bezüglich Ort und Datum.

Die Frage die ich mir stelle ist:
Gehe ich da wirklich hin? Ich denke nämlich nicht gerne an meine Realschulzeit zürück. Denn ich war in meiner Schulzeit immer das Mobbingopfer. Ich wurde von allen ausgeschlossen sowie gemobbt und fertig gemacht bis zum geht-nicht-mehr. Die Pausen habe ich stets alleine verbracht, indem ich mich immer irgendwo im Gebäude auf einer Toilette versteckt habe, da ich auf dem Pausenhof eh nur wieder den verbalen und körperlichen Attacken meiner Mitschüler ausgesetzt gewesen wäre. Zwar wurde das Thema mit dem Mobbing mir gegenüber zwar öfters in der Klasse diskutiert, aber danach wurde es eher schlimmer als besser. Lehrer und Eltern waren mir da keine große Hilfe. Selbst die anderen Schüler aus den Parallel-Klassen waren gegen mich.
Kurz gefasst: Meine Schulzeit war mehr als unangenehm und ich hoffe doch, der Hass, den ich gegen meine Mitschüler hege/hegte ist verständlich.

Auch wenn jetzt alle "reifer" und "erwachsener" geworden sind, so ist das Vergangene dennoch nicht rückgängig zu machen.
Es wäre doch mehr als heuchlerisch, wenn ich da aufkreuze und auf einmal so tue, als hätte ich mit meinen ehemaligen Schulkollegen eine schöne Zeit verbracht und auf der Feier dann so tue, als wären wir auf einmal sowas wie "gute Kumpels", oder etwa nicht?

Heutige Freunde sagen mir allerdings, ich solle hingehen einfach nur um zu schauen, wer von "den Idioten" heute so richtig auf die Nase geflogen ist und um denen zu zeigen, was aus mir geworden ist (ich hatte nach der Schule über 30 Kilo abgenommen und bin heute ziemlich trainiert).

Was ratet ihr mir.
Vielen Dank für die Antwort

Liebe Grüße

Simon

JuliaZ Anwort von JuliaZ

Lieber Simon,

Es freut mich sehr, das Du den Weg zu uns gefunden hast und uns geschrieben hast.

Ich werde versuchen dir hiermit eine weitere Meinung zu geben, zu der Frage, ob Du an dem Klassentreffen teilnehmen solltest oder nicht: Letztendlich gilt jedoch: Nur DU kannst entscheiden, ob Du dorthin gehen wirst oder nicht. Die Entscheidung kann Dir kein Mensch dieser Welt abnehmen - da nur Du sehen kannst, wie stark die Verletzung und auch ein Desinteresse an deinen Ehemaligen Schulkollegen überwiegt.

Eigentlich sind Klassentreffen etwas wunderschönes. Man sieht all die Menschen wieder, die man in vielen Jahren aus den Augen verloren hat und man sieht, wo heute eigentlich alle gelandet sind. "Was wurde eigentlich aus dem Klassenbesten." "Was ist aus den "Coolen" geworden?" "Was macht eigentlich mein Ehemaliger Sitznachbar heute?" Für viele ist genau das Die Faszination an diesen Treffen, denn So kann man schauen, in welche Richtung sich welches Leben eigentlich entwickelt hat. Denn in deinem Alter gilt: Viele haben eventuell schon eigene Familien, haben Beruflich sich gefunden, haben Sich eine eigene Struktur aufgebaut - und viele Wohnen heute vielleicht in anderen Städten, oder gar Ländern.

Einerseits kann man sagen, das Du eben dahin gehen kannst um all diese Wege dir anzusehen und was aus diesen Menschen eigentlich geworden ist. Es werden auch diese "Idioten" von denen Du schriebst ihren Weg gegangen sein. Es muss nicht sein, das Sie auf die Nase gefallen sind. Natürlich wäre das vielleicht ansatzweise eine "Freude" für Dich, zu sehen, wie aus anderen nicht das geworden ist, was Sie erwartet hatten. Aber es kann auch in die falsche Richtung gehen und Du ärgerst dich, wenn eventuell Wege eingeschlagen wurden, die nicht deiner Erwartung für Diese Menschen entsprechen. Du hast dich seitdem (deines Denken nach) Positiv entwickelt, hast dich körperlich und Geistig verändert. Schön wäre es vielleicht diesen Menschen dies zu zeigen und eventuell nachträgliche Entschuldigungen und Lob zu bekommen.

Meine ganz persönliche Meinung ist: Gehe nicht zu diesem Klassentreffen. Es bringt dir nichts, denn Du bist innerlich viel zu verletzt - mit Recht! So, das Es eben nur ein Tag mit viel Schauspiel von dir wäre. Du selbst hast dein Leben voran gebracht - hast diese Menschen während und nach der Schulzeit nicht "gebraucht" - da Sie dir nur geschadet hatten. Vollkommen egal, ob Sie reifer geworden sind und heute einen anderen Charakter aufweisen. Du selbst asoziierst diese Menschen immer noch mit all der Verletzung in dir. Die solltest Du dir nicht antun und dein Leben so weiterleben, wie Du es nun auch zur Zeit tust. Du hast aktuell einen Freundeskreis der dich trägt - so würde Dir diese Verletzung zur Zeit nichts bringen können, sondern nur Schaden zufügen. Vielleicht würdest Du in einigen Momenten bei diesem Treffen denken "Wow, aus denen ist etwas geworden, oder eben nicht", aber was bringt das Dir und deiner Vergangenheit? Diese bleibt und ist nicht mehr zu löschen.

Wenn Du teilnimmst, klingt es eher nach einem "Aushalten" - Diese Anstrengung kannst Du dir sparen und in dein jetziges besseres Leben investieren. Klar ist es furchtbar leicht zu sagen "Geh da doch hin, schau was aus allen wurde" - aber wenn deine Verletzung zu groß ist und ein NEIN ausspricht, solltest Du darauf hören, denn eigentlich möchtest Du es dir nicht selbst antun. So ist meine Meinung zu deiner Situation.

Ich wünsche Dir in jedem Fall, ganz egal für was Du dich entscheiden wirst, Alles Liebe und Gute weiterhin.
Es würde mich sehr freuen, wenn Du nochmal Rückmelden würdest als Feedback (am Besten im Titel: An JuliaZ) wie deine Situation weiterging und wofür Du dich nun letztendlich entschieden Hast. Und wenn Du Dort warst - wie Es gelaufen ist.


Verbringe in jedem Fall eine Gute Zeit mit dir und den Menschen denen Du wert bist, so wie Die, die Dich wert sein lassen.

Julia