Ewiges Single
Moin
Ich weiß nicht, ob ich die richtige Kategorie erwischt hab, hätte vielleicht auch zu Liebeskummer gepasst, aber angesichts der komplexen Situation fand ich die gewähte Kategorie irgendwie passender.
Ich werde nächsten Monat 25 und hatte noch nie eine Freundin, noch nicht einmal nen ernsthaften Flirt und über sexuelle Erfahrungen möchte ich gar nicht reden. Ich bin zwar jetzt nicht gerade Brad Pitt, aber ich schätze mich jetzt auch nicht so abstoßend unattraktiv ein, dass ich aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes Probleme mit Frauen hätte. Die Ursache muss also irgendwas mit meiner Persönlichkeit zu tun haben. Eine Ursache könnte vielleicht meine doch sehr feminine Ausstrahlung sein. Es wissen zwar bislang nur mein Freundeskreis und meine Eltern, aber ich bin ein Crossdresser/Genderqueer. Ich fühle mich also zumindest teilweise auch dem weiblichen Geschlecht zugehörig und trage (derzeit nur zu Hause) regelmäßig Frauenkleider. Ich weiß aber, dass ich nicht transsexuell bin. Ich habe Kontakt zu mehreren Transfrauen und einem Transmann und daher ist es eindeutig, dass das auf mich zutrifft. Das weibliche Geschlecht ist ein Teil von mir, aber ich bin definitiv auch ein Mann und ich habe mit meinem männlichen Körper keinerlei Probleme. Schwul bin ich auch nicht. Ich finde Männer weder körperlich noch charakterlich sonderlich attraktiv. Und da sehe ich das Problem: Ich habe Angst, dass diejenigen Frauen, die sich für mich interessieren, auch in meinem männlichen Erscheinungsbild meine feminine Ausstrahlung wahrnehmen und glauben, dass ich doch sowieso schwul sei.
Anwort von Judith
Lieber Unbekannter,
Schön, dass Du Dich mit soviel Offenheit und Klarheit an uns wendest. Gern möchte ich Dir antworten.
Ich schreibe schon im ersten Satz "Klarheit". Wenn auch Deine jetzige Situation für Dich arg belastend ist, weil Du nicht "ewig Single" sein möchtest und Angst hast, keine Freundin zu finden, hast Du zwei wichtige SChritte bereits getan:
1. Du bist Dir über Deine eigene Identität und Deine Vorlieben bewusst
2. Du schämst Dich nicht, sondern nimmst Dich so an, wie Du bist.
Das möchte ich Dir gern als erstes ganz klar spiegeln, denn das sind zwei absolut wichtige Schritte, die viel Bschäftigung mit sich selbst und vor allem Mut erfordern. Toll!
Aber nun zu Schritt drei: Wie findest Du eine Partnerin? Und da denke ich, kommt es ganz darauf an, wie Du auf Frauen zugehst, und ggf. auch, in welchen Kreisen Du auf Partnerinnensuche gehst. Es ist gut möglich, dass Personen, die mehr in den altherrkömmlichen Genderklischees leben und denken, Dich von vornherein in die falsche Schublade stecken. Umgib Dich mit Menschen, die offen sind, und die mit dem Thema Identität und Sexualität unverkrampft und modern umgehen. Die nicht "richtige Männlichkeit" und Heterosexualität danach messen, wie laut und "tough" jemand auftritt, wie gut er Fussball spielt und wieviel Bier er verträgt, sondern die erst auf den Charakter schauen, bevor sie urteilen.
Wenn Du in einer grösseren Stadt wohnst, ist das natürlich einfacher, denn da gibt es entweder an den Universitäten, in alternativen Kulturzentren oder in von Verbänden organisierte Treffen und Veranstaltungen zu Gender-Themen. Erkundige Dich mal online. Vielleicht gehst Du mal zu dem ein oderen anderen Anlass? Lesungen, Filme, Konzerte, Diskussionen -- was auch immer da angeboten wird. Was vielleicht am Anfang schwierig ist, weil man sich überwinden muss, allein etwas Neues zu wagen, könnte ein Anfang sein, jemanden kennen zu lernen, der Dich in die richtige Schublade steckt: nämlich in gar keine ;)
Die Queer-Szene ist eng verwoben: Homosexuelle, Bisexuelle, transidentische Menschen kommen oft zusammen um für die im Endeffekt selbe Sache zu kämpfen: Toleranz und gesellschaftliche Akzeptanz. Schau mal, wo die nächste Queer-Veranstaltung ist; Juni ist wieder "Pride Month", geh einfach mal hin. Denn auch als genderqueer hast Du eine nicht der Heteronormativität entsprechende Identität und damit Deinen Platz in der Szene.
Du schreibst, dass Du Kontakt zu Transfrauen- und Männern hast. Hast Du das Thema einmal mit ihnen angesprochen? Vielleicht haben sie noch Ideen. Oft lernt man ja seine/n Partner/in über andere kennen. Nicht-klischeehaft lebende Menschen kennen andere offene Menschen, also geht raus, lern Leute kennen. Irgendwer bringt irgendwen zu einer Party mit... etc. :)
Es gibt sicher Frauen, die deine androgyne und weibliche Seite schätzen und auch anziehend finden.
Nur Mut! Steh weiterhin zu Dir, geh mal raus und geh unter Leute, die ebenfalls ein "buntes Leben" führen, und ich bin sicher, Du machst interessante Bekanntschaften.
Alles Gute für Dich! Herzliche Grüsse,
Judith
PS: Hier ist noch eine Seite, die ich gerade beim Googeln gefunden habe; da sind einige Musik-, Film- und Buchtipps drauf. Geht etwas viel um das Thema Trans*, aber auch um Identität allgemein, also nicht ganz ab vom Thema.
http://www.meingeschlecht.de/musik-filme-buecher-usw/