Anwort von JuliaG

Hallo Johannes,

ich freue mich, dass du uns anvertraut hast!

In erster Linie möchte ich dir sagen, dass du eine sehr wichtige Sache bereits richtig erkannt hast: Zurückschlagen ist definitiv keine Option. Und hast noch etwas - nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das zu unseren Grundrechten hier in Deutschland gehört. Es ist deutlich heraus zu lesen, wie groß die Schmerzen sind, die dir deine Freundin zufügt, sowohl physisch als auch psychisch. Du schreibst, dass du mittlerweile sogar Angst vor ihr und erneuten Schlägen hast. Lieber Johannes, das ist ein deutliches Warnsignal an dich selbst. Dein Instinkt/ deine innere Stimme schätzt die Lage für dich richtig ein und möchte dir mit Hilfe der Angst sagen: "Hier ist es gefährlich, bring dich in Sicherheit".

Es besteht kein Zweifel: Was deine Freundin dir antut, muss sich bestimmt unsagbar schrecklich für dich anfühlen. Und ich kann auch deine Ohnmachtsgefühle verstehen - dass du nicht weißt, wie du handeln sollst. Denn du scheinst auch positive Gefühle für sie zu empfinden, was ein konsequentes Grenzen setzen für dich gefühlsmäßig nicht ganz einfach macht.
Jedoch möchte ich dich ermutigen und dir sagen, dass du in der Position bist, etwas daran ändern zu können. Das fängt bei der inneren Einstellung an. Du kannst eine Liste erstellen, welche Werte eine Beziehung für dich hat/ haben sollte. Sei währenddessen ganz bei dir. Für diese Liste zählt erst einmal nur, was dir ganz allein wichtig ist - ganz unabhängig von äußeren Einflüssen oder Meinungen. In die linke Spalte kannst du deine Wunschvorstellungen (d)einer Beziehung eintragen. In die rechte Spalte kannst du den momentanen Ist-Zustand notieren und schauen, wo es Übereinstimmungen gibt und wie viele es sind. Das muss nicht in einem Rutsch passieren. Wenn dir zu einem späteren Zeitpunkt noch etwas anderes einfällt, kannst du den Punkt nachträglich ergänzen.

Diese Liste kann dir dabei helfen, dir einen visuellen Überblick über die Beziehung zu deiner Freundin zu verschaffen. Daran kannst du erkennen, ob du diese Beziehung so wie sie ist (Schläge - Zärtlichkeiten) und was du dabei empfindest (Angst - Liebe) weiterführen möchtest. Vielleicht kannst du dich dabei auch fragen, ob und inwiefern du noch dazu bereit bist, die Gewalttätigkeiten deiner Freundin zu ertragen, neben den schönen Momenten, die ihr sicher auch miteinander teilt.
Meiner ganz subjektiven Einschätzung hättest du drei Entscheidungsmöglichkeiten (und vielleicht fallen dir sogar einige andere/ mehr ein als mir):
- Du könntest ihre Gewalttätigkeit dir gegenüber weiterhin ertragen. Dabei kannst du deeskalierend handeln und ihren Angriffen nach Möglichkeit ausweichen - notfalls den gemeinsamen Aufenthaltsort verlassen und erst zurückkehren, wenn sie sich beruhigt hat. Einige Zeit könnte das sicher so funktionieren. Es stellt sich lediglich die Frage, ob du bei dieser Methode nicht auf Dauer seelische oder weitere körperliche Schäden davon tragen könntest. Deinen Schilderungen zufolge klingt deine Freundin in meinen Ohren nach einer "Wiederholungstäterin", wenn man ihr nicht deutlich Grenzen aufzeigt.
- Die deutlichste Grenze, die du wohl ziehen könntest, wäre die Möglichkeit einer Trennung. Eine abgeschwächtere Variante wäre eine Auszeit von einigen Wochen oder Monaten. So kannst du deiner Freundin erklären, dass du dich für's erste zurück ziehen wirst, sobald sie dir wieder in irgendeiner Form schaden sollte. Wichtig ist, dass du diesen Schritt im schlimmsten Falle auch konsequent und entschlossen gehst. Anderenfalls würde sie dich wahrscheinlich nicht ernst nehmen und einfach weiter machen wie bisher. Halte dir bei dieser Variante immer vor Augen, dass es hier um DICH, um deinen Schutz geht! Eine Trennung wäre die endgültigere Form von beiden. Dies würde bedeuten, dass du ab diesem Zeitpunkt zwar einen anderen Weg gehen würdest als deine Freundin, jedoch auch die gewalttätigen Erfahrungen ein jenes Ende finden werden. Um dich vor schlimmeren Verletzungen zu schützen, empfehle ich dir für den Schritt einer Trennung einen öffentlichen Platz, an dem sie dich nicht ohne weiteres schlagen kann. Bereite dich darauf vor, dass du bei deiner Familie oder bei Freunden unterkommen kannst. Wenn du noch persönliche Dinge bei deiner Freunden zu liegen hast, kannst du dir eine zweite oder dritte Person dazuholen, damit du ihr in der Wohnung nicht schutzlos ausgeliefert bist.
- Für den Fall, dass du eine Trennung oder eine Auszeit (noch nicht) in Betracht ziehen möchtest, die Situation trotzdem nicht mehr aushalten kannst, hast du auch die Möglichkeit einer Paartherapie (hier kannst du nach Paartherapeuten in deiner Nähe suchen: https://paartherapeut-finden.de/paartherapie-finden/orte/all/ort). Das setzt natürlich voraus, dass deine Freundin sich ebenfalls dazu bereit erklären würde, daran teilzunehmen. Falls deine Angst vor ihrer Reaktion allerdings zu groß ist, kannst du dich auch eigenständig an eine Beratungsstelle (Hilfe bei der Suche: http://www.familienplanung.de/beratung/beratungsstellensuche/) oder an einen Psychotherapeuten (Hilfe bei der Suche: http://www.bptk.de/service/therapeutensuche.html) wenden. Zu letzterem kann man auch ohne psychische Erkrankungen gehen, bspw. wenn man wie du in einer Krise steckt. Auch für solche Fälle sind diese Fachkräfte da.

Schlussendlich möchte ich dich hiermit ganz herzlich ermutigen zu handeln und Veränderungen für dein Wohlbefinden zu initiieren, lieber Johannes, denn Umstände ändern sich selten von allein, wenn wir die Dinge so belassen, wie sie sind. Du allein bist Herr über dein Leben. Du bist nicht auf der Welt, um dich schlecht behandeln zu lassen - auch nicht von Menschen, die du liebst. Du bist es wert, ein glückliches Leben nach deinen Vorstellungen, Träumen und Wünschen führen zu können!
Bitte lass dir durch Schläge oder psychische Gewalt, nichts anderes erzählen.


Ich wünsche dir viel Kraft und eine große Portion Löwenmut, um dich der Gewalt deiner Freundin zu stellen. Lass dich nicht entmutigen und ziehe deine Grenzen, wenn es dir reicht. Mach dir keine Sorgen, wenn du einmal das Gefühl haben solltest, dass du das alleine nicht schaffen könntest - die o.g. professionellen Hilfen können dich dabei unterstützen.

Alles Gute wünscht dir

Julia G