Problem von Anonym - 17 Jahre

Seit der Diagnose, ist alles anders!

Ich bin so traurig... Ich habe die Diagnose Asperger Syndrom (eine leichte Form von Autismus) bekommen und es hat sich alles geändert. Gestern wollte ich zu einer Freundin und da hat meine Mutter gesagt „Sie kann doch mal hierher kommen...“ und ich habe dann gesagt,dass ich zu ihr will, aber meine Mutter hat gesagt,dass das nicht geht. Und dann hab ich gefragt,warum nicht und sie sagte dann „Lillis (so heißt meine Freundin) Mutter hat auch kein autistisches Kind zuhause.“ Früher durfte ich immer zu anderen,aber jetzt habe ich ja die Diagnose und deswegen muss ich andere immer erstmal in einer gewohnten Umgebung kennenlernen,meint meine Mutter. Heute hat sie auf Facebook einen Beitrag mit Herz markiert über einen Jungen mit Asperger Syndrom,der unmögliche Sachen macht. Aber das aller schlimmste Problem ist,dass ich jetzt eine Schulbegleiterin bekommen habe,die ich nicht leiden kann. Sie stört mich im Unterricht und ohne Schulbegleiterin hatte ich immer 8-2en im Zeugnis. In Mathe sitzt sie auf meinen Tisch,nervt und ich kann echt nichts mehr selbstständig machen. In der Pause sagt sie immer,wenn sie mich sieht „Da bist du ja!!!“ Ziemlich gemein ist,mich ab jetzt „autistisches Kind zu nennen.“ Eine Therapeutin,die mich behandelt wie eine geistig behinderte oder ein Kleinkind habe ich jetzt auch! Sie fragt Sachen wie „Ist es gut,wenn man gemein ist?“ und ich denke mir immer nur,dass das doch jeder weiß! Bald soll eine Therapeutin in die Schule kommen und ein Gespräch soll auch bald stattfinden. Wie ich mit meiner Cousine spazieren war,hat sie gesagt,dass meine Mutter wegen der Diagnose jetzt auch immer so gut auf mich aufpasst. Obwohl ich 17 bin!!!

Ich bin völlig am Ende,ich wollte so gerne ein glückliches Leben führen und nicht ein Leben als kranke. Früher war ich noch sooo glücklich...

Frauke Anwort von Frauke

Hallo!
Wundere dich nicht. Ich möchte deinen Namen hier nicht nennen, da du später vielleicht nicht möchtest, dass jemand, der dich kennt, deinen Beitrag hier liest.

Als ich deine Anfrage gelesen habe, hatte ich gleich ganz viele Fragen im Kopf. Vor allem die eine: Warum hat sich jemand die Mühe gemacht, diese Diagnose zu stellen und eine Schulbegleiterin anzustellen, wenn vorher alles vollkommen in Ordnung war?

Du sagst ja, vor deiner Diagnose war alles vollkommen in Ordnung. Auf jeden Fall hat es sich aus deiner Sicht so dargestellt. Haben das alle anderen auch so wahrgenommen? Hast du mit deiner Mutter darüber gesprochen?

Vielleicht ist ihr aufgefallen, dass du einfach ein wenig anders bist, als andere Mädchen in deinem Alter? Hast du vielleicht in der Schule nicht so viele Freunde? Gab es Probleme mit anderen Schülern? Oder hattest du in irgendeinem Schulfach besondere Probleme?
Irgendetwas muss da gewesen sein, dass deine Mutter entschieden hat, dich mal genau untersuchen zu lassen.

Wenn du vorher problemlos Freunde zu Hause besucht hast, dann besteht natürlich kein Grund, dass du andere erst in "gewohnter Umgebung" kennen lernen musst.
Frage deine Mutter, ob es vorher irgendwann einmal Probleme gegeben hat, die du vielleicht nicht gesehen oder von denen du nicht erfahren hast. Vielleicht ist da einmal etwas passiert, dass DU nicht besonders schlimm fandest, aber deine Mutter hat sich Sorgen gemacht. Mütter machen sich immer Sorgen!

Wenn du richtig liegst und fremde Umgebungen und "fremde" Leute absolut kein Problem für dich sind, dann sag das deiner Mutter noch einmal klar und deutlich. Sag ihr, dass Autismus etwas ist, das bei jedem Menschen ganz anders sein kann. Vielleicht haben andere Leute mit Asperger-Syndrom Probleme mit unbekannten Situationen, du kommst damit aber ganz gut klar.

Zu dem Facebook-Beitrag, den deine Mutter mit Herzchen markiert hat:
Bestimmt denkt sie nicht, dass du so bist, wie der Junge, in dem es um den Artikel geht. Aber vielleicht hat sie die eine oder andere Kleinigkeit gesehen, die sie bei dir auch schon bemerkt hat. Eventuell redet dieser Junge gerne und sehr lange über Themen, die ihn interessieren und das hat sie bei dir auch schon fest gestellt. (Das ist ja z.B. eine Sache, die viele (nicht alle) Menschen mit dem Asperger gern tun und es ist nichts Schlimmes oder Unmögliches, sondern einfach eine Eigenart.) Und darum hat sie den Artikel gut gefunden. Oder sie fand ihn einfach so gut geschrieben und sieht überhaupt keine Gemeinsamkeit mir dir.

Jetzt kommen wir zu deinem größten Problem: Die Schulbegleiterin. Meiner Erfahrung nach, brauchen Schüler und Schulbegleiter immer ganz schön viel Zeit, um wirklich miteinander klar zu kommen. Gib ihr Zeit, dich kennenzulernen und sage ihr ganz genau, was dir hilft und was dich nervt. Sieh sie als Chance, als deine persönliche Assistentin. Was kann sie für dich tun, dass dir hilft z.B. nicht nur 2en, sondern sogar 1en auf dem Zeugnis zu bekommen? (Mit einem NOCH besseren Abschluss hast du später bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz oder ein Studium.)
Sag deiner Schulbegleiterin deutlich, dass du z.B. in der Pause wirklich eine Pause von ihr brauchst, dass du in Mathe lieber selbstständig arbeiten möchtest. Sie muss dich ja auch erst einmal kennen lernen. Versuche aber auch ihr entgegenzukommen und probiere auch aus, wenn sie etwas vorschlägt. Denke daran: Für sie ist das auch nicht leicht. Sie muss mit jemandem jeden Tag zusammenarbeiten, der sie gar nicht da haben will. Und dabei will sie ja eigentlich nur helfen. Glaube mir, es geht ihr nicht ums Geldverdienen, denn dann hätte sie sich sicher einen besser bezahlten Job gesucht!

Ich muss sagen, dass ich nur ein Mädchen mit Asperger-Syndrom kannte. Bei ihr ist mir aufgefallen, dass sie manchmal schneller wegguckte als andere, sie hielt also nicht so lange Blickkontakt. Wenn etwas Unerwartetes passierte (z.B. ein Feueralarm in der Schule), dann machte sie das so nervös und ängstlich, dass sie danach nach Hause gehen muss, weil sie einfach Ruhe brauchte. Und manchmal fand sie es schwierig, wenn ihre Freundin mit ihr stritt, weil sie einfach nicht verstehen konnte, warum die Freundin auf sie sauer war. Das lag aber nicht nur an ihr, sondern auch an der Freundin!

Ich glaube aber nicht, dass dieses Mädchen findet, dass sie "anders" ist als andere. Sie selbst findet sich total normal. Sie hatte übrigens auch eine Schulbegleiterin, aber die hat sie eigentlich selten gebraucht. Es war nur gut, dass sie da war und sie hat ihr z.B. geholfen, wenn es Streit mit anderen Schülern gab oder hat viel besser als die Lehrer gemerkt, wenn sie mal eine Pause brauchte und ist dann zu den Lehrern gegangen und hat gesagt, dass sie mit der Schülerin jetzt raus geht, weil sie lieber in einem anderen, ruhigerem Raum arbeiten möchte. Das war wirklich praktisch.

Zu dem Problem mit der Therapeutin. Sag ihr bitte ganz deutlich, dass du den Eindruck hast, dass sie dich wie ein Kleinkind behandelt. Nenne als Beispiel diese Frage, die sie dir gestellt hat: "Ist es gut, gemein zu sein?" Wie gesagt, es gibt viele verschieden Arten von Asperger und vielleicht muss auch sie dich erst kennen lernen und herausfinden, wie ausgeprägt das bei dir ist. Es gibt eben Menschen mit Asperger, die große Schwierigkeiten mit Gefühlen haben.

Abgesehen davon: Vielleicht ist das gar keine Frage für Kleinkinder. Ich meine: Kann es nicht manchmal auch Vorteile haben, wenn man gemein ist? Vielleicht ist die Frage gar nicht so dumm, oder? Man kann darüber ja einmal nachdenken und vielleicht hatte die Therapeutin einen tieferen Grund, dir diese Frage zu stellen. Frag sie einfach danach.

Du schreibst: "Ich wollte ein glückliches Leben führen und nicht ein Leben als Kranke" Also, erst einmal kann man ein glückliches Leben führen, wenn man krank ist und zweitens ist das Asperger-Syndrom keine Krankheit. Darum sollte man es eigentlich auch wirklich nicht "Syndrom" nennen.

Menschen mit Asperger nehmen die Welt anders wahr als Menschen ohne Asperger. Und da es weniger Menschen mit Asperger als ohne Asperger gibt, gibt es einfach ab und zu Schwierigkeiten, weil die Menschen ohne Asperger die mit Asperger nicht immer verstehen und die Welt eben mehr für die Leute ohne Asperger gebaut ist.

Meine Cousine ist fast 2m groß. Damit hat sie auch Probleme in einer Welt, die eher für Leute mit einer Größe von 1,70m gemacht ist. Sie hat z.B. alle Küchenschränke höher hängen müssen. Ihre Größe ist auch keine Krankheit, auch wenn fast alle Frauen kleiner sind als sie.

Ich fand diese Website übrigens sehr interessant. Hier habe ich den Einstieg der Website kopiert:

"Willkommen

Es hatte richtig ausgesehen. Ein Globus mit allem, was man braucht: Wasser, Pflanzen, Tiere, Luft. Der Landeanflug gelang. Und nun warst du hier. Auf dem Planeten, den man Erde nennt. Doch ziemlich schnell entdecktest du, daß trotzdem etwas nicht stimmte. Da waren diese anderen Geschöpfe, Menschen geheißen wie du selbst. Eigentlich hättest du dich mit ihnen anfreunden sollen. Dich fühlen sollen wie eine/r unter ihnen. Du konntest es nicht. Denn du bist anders.

Autismus in den verschiedenen Varianten wird manchmal als Oops, wrong planet - Syndrom bezeichnet. Menschen mit autistischen Zügen leiden darunter, daß sie anders sind als die meisten Menschen und deshalb oft anecken. Hinzu kommt, daß den meisten Mitmenschen nur die schwere Variante des Autismus bekannt ist, der frühkindliche Autismus. Personen mit Asperger Syndrom werden nicht als autistisch erkannt, und oft genug wissen sie nicht einmal selber um ihr Handicap."

Und? Findest du dich wieder? Dann lies dort weiter: http://www.aspergia.de/

Interessant fand ich auch diesen Artikel: https://autismus-kultur.de/autismus/autistic-pride/die-entdeckung-von-aspie.html Da erfährst du, welche besonderen Stärken Leute haben, die Asperger haben. Vielleicht erkennst du dich auch hier wieder?

Und es gibt auch Selbsthilfegruppen für Leute mit Asperger. Hier ist der linke für eine, die ich in Mönchengladbach gefunden habe: http://www.shg-asperger-syndrom.de/shg_jugendliche.htm Vielleicht findest du auf der Website noch mehr interessante Informationen.

Vielleicht gibt es bei dir in der Nähe auch eine Selbsthilfegruppe. Google danach! Es kann ja sein, dass andere Leute auch genau wie du die Erfahrung gemacht haben, dass andere Menschen sie nicht richtig ernst nehmen. Frage nach, welche Lösungen sie gefunden haben!

Ich wünsche dir viel Erfolg und ein glückliches Leben!
Frauke