Problem von Sue - 17 Jahre

Ich kann nicht mehr!

Hallo (Michaela)!

Jetzt ist es wieder eine Weile her, das ich das letzte mal geschrieben habe.

Seit geraumer Zeit geht es mir wieder sehr schlecht. Um genau zu sein seit meinem Geburtstag, welcher am Dienstag (23.05.) war. Seitdem fühle ich mich wieder so alleine, so allein gelassen und unbeachtet.
An meinem Geburtstag haben wir abends mit meinen Verwandten "gefeiert". Anfangs war alles noch ok, nicht wirklich prima, aber ok. Doch dann als wir alle am Tisch saßen und aßen, da kam ich mir so ignoriert vor, alle redeten miteinander nur mit mir, dem Geburtstagskind, redete niemand. Das muss man sich einmal vorstellen, wenn man sonst immer denkt, das ein Geburtstagskind die "Hauptperson" des Tages sein sollte.
Das kann ich von mir nicht behaupten. Es kam mir vor als säße ich im Stadion, alle anderen Fans sind am jubeln, schreien und grölen, sie toben auf den Rängen, nur mich sehen sie nicht, sie trampeln mich nieder und bemerken es nicht einmal.
Genauso fühlte ich mich.
Nach einer gewissen Zeit habe ich das alles einfach nicht mehr ausgehalten. Ich ging weg, hoch in mein Zimmer und verkroch mich da und fing, wie so oft, an zu weinen. Ich fühlte mich eben so ignoriert und unerwünscht. Ich hatte an diesem gesamten Abend nicht einen Satz gesagt. Selbst wenn ich es versuchte dagegen anzukommen, es half alles nichts. Wenn ich einen Satz begann, dann wurde ich spätestens nach 3 Silben wieder unterbrochen und das Gespräch ging bei anderen Personen weiter. Ich habe ziemlich lange geweint, bis ich mich wieder einigermaßen gesammelt hatte, ja mich soweit zusammenreißen konnte um wieder herunter zu gehen, damit es nicht zu auffällig wäre. Doch selbst als ich dann wieder am Tisch saß, störte das niemanden wirklich, es ging weiter wie zuvor. Ich saß da und alles zog an mir vorüber. Ich war wie in einer fremden Welt. Ich konnte schon gar nicht mehr verstehen was die anderen redeten, worüber sie sich amüsierten und lachten. Nein, ich war nicht am Geschehen beteiligt. Ich nabelte mich geistig ab und verlor meine Kraft.
Jetzt bin ich seit Dienstag so kraftlos, wie noch nie. Meine ganze, in letzter Zeit gesammelte Kraft ist wieder verloren.
Ich fühle mich so alleine auf dieser Welt und bin mir selbst schon so fremd. Ich habe das Gefühl mich nicht mehr wirklich zu kennen.
Ich habe keine Freude mehr im Alltag, in meinem Leben. Mir fehlt einfach die Kraft zur Freude.
Gestern (Mittwoch) war ich die ganze Zeit unterwegs mit den Johannitern, bei welchen ich sehr engagiert bin. Das war schön. Ich konnte zumindest zeitweise all meinen Kummer versiegen lassen, doch glücklich war ich nicht. Ich hatte den ganzen Tag meine Mundwinkel nicht um einen Zentimeter gehoben. Alle waren sie fröhlich und lachten und hatten Spaß. Und ich? Ich war traurig. Das fiel den anderen natürlich auf. Sie sagten, ich solle doch mal wieder lächeln, das tat ich dann nur sehr gequält und unwirklich. Ich kann es einfach nicht mehr. Ich kann meiner selbst kein Lächeln mehr entlocken. Ich kann nicht mehr.
Ich sehne mich so sehr nach Zuneigung und Geborgenheit, aber ich erreiche dies nicht. Ich merke das ich mich verstelle, nach außen nicht diejenige bin, die in Wirklichkeit eigentlich in mir schlummert. Doch ich kann mein wikliches Ich mir nicht entlocken, weil ich so schwach bin. So endlos schwach, wie eine leere Batterie, die zum Sondermüll geschmissen wird.
Ich möchte doch einfach nur diejenige sein, die Spaß am Leben hat und das wirklich, ohne mir etwas vorzumachen. Nach außen spiegle ich eine andere Susi wieder, wie sie eigentlich sein möchte. Nur fehlt mir wieder die Kraft die wirkliche Susi zu zeigen. Ich habe die Angst, dann noch weniger akzeptiert zu werden, noch weniger gemocht und geliebt zu werden. Es kommt mir alles so scheinheilig vor, wie in einer Scheinwelt. Doch ich denke, dass ich ein Leben in dieser aufgesetzten Welt nicht mehr lange leben kann. Mein Kraft ist jetzt schon auf Null und ich sehe nichts das meine leeren Tanks wieder füllen könnte. Ich komme alleine nicht mehr aus diesem Teufelskreis heraus und es scheint als könne mir niemand helfen. Es ist alles so aussichtslos. Und weiter verdrängen kann ich auch nicht mehr. Wenn man sein ganzes Leben nur verdrängt, ist irgendwann der Zeitpunkt gekommen, an dem dann die Speicherkapazitäten der Verdrängungen ausgelastet sind. Diesen Zeitpunkt habe ich nun erreicht.
Wie finde ich nur endlich zu meiner selbst, zu dem Ich, das ohne Zweifel zu mir gehört. Wie kann ich nur meine Kraft zurück erobern.

Danke fürs "zuhören".
Gruß Sue

Anwort von Michaela

Hallo Sue,

vielen Dank, dass du die Kraft gefunden hast, wieder an den Kummerkasten zu schreiben! Das ist auch für uns ein Zeichen, dass wir, wenn auch nur ein bisschen, helfen können.

Während ich deine E-Mail lese, kann ich förmlich spüren, wie du um eine Antwort ringst und sie doch nicht findest, weil dir die Kraft dazu wiederum fehlt. Es ist schlimm, wenn man unter Menschen sitzt und nicht beachtet wird. Diese Empfindung kann einen tatsächlich so tief herunterziehen, wie du es beschreibst, und die Frage stellt sich, was der Grund dafür ist. Von hier aus kann ich es dir leider nicht sagen, da ich zu wenig von dir weiß, und weil es per E-Mail generell sehr aufwändig ist, eine adäquate Lösung zusammen zu erarbeiten.

Es gibt in deiner E-Mail einen Hinweis, wo du konkrete Hilfe finden kannst: Du schreibst, dass du gerne mit den Johannitern unterwegs bist. Soweit ich weiß, gibt es dort auch die Möglichkeit, sich mit psychologisch geschulten Laien bzw. "echten" Psychologen zusammenzusetzen. Die Aufforderung, dass du doch mal wieder lachen sollst, mag zwar gut gemeint sein, bringt dir aber nicht wirklich was. Der Grund liegt bei dir anscheinend viel tiefer, und der lässt sich nicht mit so einem Satz wegdiskutieren. Hast du einen Gruppenleiter, oder kennst du jemanden in der Hierarchie, der dir weiterhelfen könnte? Jemand, dem du vertraust? Dann wäre es evtl. ein Weg, dich an diese Person zu wenden und zu fragen, was du für dich tun kannst, um auch wieder Spaß am Leben zu haben. Viele Jugendliche in deinem Alter leiden unter diesem Phänomen, was die Erwachsenen als "Null-Bock" bezeichnen, doch das hat damit meiner Ansicht nach nichts zu tun.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, wenn du dich mal mit deinem Hausarzt unterhältst. Vielleicht kann er bei dir etwas Körperliches feststellen, das deine Verstimmung ausgelöst hat, das sich mit Medikamenten einstellen lässt. Ein beliebtes Mittel ist Johanniskraut, das rein pflanzlich ist und sehr gut wirkt. Evtl. schlägt er dir auch vor, dass du dich mit einem "richtigen" Psychologen unterhältst oder, wenn dein Hausarzt diese Zusatzqualifikation hat, mit ihm oder ihr eine Gesprächstherapie machst. Die würde dann auch die Krankenkasse übernehmen - genaueres kann dir da dein(e) Hausarzt/Hausärztin sagen.
Ich möchte dir ans Herz legen, professionelle Hilfe aufzusuchen, bevor es dir noch schlechter geht, denn es gibt einen Weg aus dieser Sinnlosigkeit, die du beschreibst.

Was mich auf jeden Fall freuen würde ist, wenn du uns hin und wieder mal schreibst, wie es weitergegangen ist, wie du dich fühlst, vielleicht auch, was dir geholfen hat.

Ich wünsche dir alles Gute und nachträglich noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Viele liebe Grüße,

Michaela