Problem von Karin - 14 Jahre

Glücklich?!

Liebes KuKa-Team!
Ich habe mir sehr, sehr viele Fälle in eurem Archiv durchgelesen, und einige haben mir auch geholfen, schon alleine, weil ich gesehen habe, dass es viele gibt, die gleiche, oder zumindest ähnliche Probleme haben. Aber trotzdem komme ich irgendwie nicht weiter. Deswegen hoffe ich, dass ich vielleicht von euch Hilfe bekommen kann, weil ich selbst so häufig Probleme habe, von anderen, mir bekannten Leuten, welche anzunehmen.
Mein Fall ist sehr verworren, und setzt sich aus vielen verschiedenen Themen, die ihr behandelt, zusammen. Deswegen versuche ich alle Details sinnvoll zusammenzusetzen.
Eigentlich könnte man meinen, ich sei eines der glücklichsten Kinder der Welt. Das wird mir auch andauernd gesagt. Ein jeder erzählt mir, wie gerne er "ich" sein würde. Tatsächlich versuche ich mir das auch immer vorzuhalten. Vermutlich habe ich die tollsten und fürsorglichsten Eltern die man sich wünschen kann, und habe auch sehr liebe und gute Freunde. In meiner Klasse bin ich auch beliebt, bei Mädchen wie Jungen. Ich bin auch immer bemüht, niemanden zu enttäuschen, dass ist mir eine der wichtigsten Sachen. Es gibt nichts, was ich mehr hasse, als andere zu enttäuschen. Auch bin ich sehr gut in der Schule und gehe auf ein Gymnasium, durch dass ich in einem Schulversuch mit meiner gesamten Klasse ein Jahr übersprungen habe. Allerdings baut das einen gewissen Druck auf. Alle Lehrer reden auf einen ein, man solle noch mehr geben. Vermutlich bin ich deswegen auch bulemisch geworden, allerdings weiß ich nicht, wann das angefangen hat. Dank euch habe ich diese Krankheit mmer mehr im Griff ud kann mich immer häufiger beherrschen. Darüber hinweg bin ich aber noch lange nicht, denn es kommen immer wieder Dinge, die mich aus der Bahn werfen. Anderen erzählen kann und möchte ich von dieser Schwäche allerdings auch nicht.
Denn das Problem ist, dass viele Mädchen in meiner Klasse zum Ritzen und zur Bulemie neigen. Und ich bin mehr oder weniger der "Kummerkasten" der Klasse. Versteht mich nicht falsch, ich helfe den anderen gerne, aber oft verringern sich dadurch meine eigenen Kämpfe mit mir selbst nicht gerade. Vielen meiner Mitschülerinnen konnte ich schon aus ihrer Krankheit hinaushelfen und sie unterstützen. Dabei bekomme ich auch oft hören, wie gut ich es doch habe, und wie stark ich bin. Ich bin ja auch eigentlich ein fröhliches Mädchen. Und dieses Bild versuche ich auch nach außen zu erhalten und keinerlei Schwäche zu zeigen. Denn nur so kann ich den anderen die Unterstützung geben, die sie brauchen. Wenn sie erfahren würden, dass eine "Kranke" ihnen hilft bzw. geholfen hat, dass würde auch viele meiner Freundinnen wieder in eine Krise stürzen...
Zudem kommt noch meine Mutter. Sie weiß auch nicht, dass ich an Bulemie erkrankt bin. Wir hatten sogar mal ein Gespräch darüber, zu der Zeit war ich schon erkrankt. Sie hat mir erzählt, dass sie selbst lange Zeit bulemisch war und dass es ihr das Herz brechen würde, wenn ich auch daran erkranken würde. Bevor ich daran erkranke, soll ich mit ihr sprechen, wir würden einen gemeinsamen Weg finden.
Aber genau das ist, was ich nicht will...Es würde sie verletzen wenn ich ihr erzählen würde, dass ich bereits Bulemie habe. Und das Gefühl,sie zu enttäuschen...es würde mich nur noch mehr zerstören.
Zumal ich momentan all meine kraft für eine meiner besten Freundinnen, Lisa, brauche. Sie hat mir erzählt, dass sie sich begonnen hat zu ritzen, und dass ihre Eltern sie regelmäßig schlagen. Lisa hat mir auch erzählt, dass sie überlegt hatte sich umzubringen, wegen einem Typen. Über den Selbstmordgedanken habe ich sie jedoch schon hinweggetröstet. Momentan versucht sie eine Beziehung zu einem anderen Typen aufzubauen, den sie über das Internet kennengelernt hat. Dabei bin auch wieder ich ihre helfende Hand, weil ich die "Verständigungsschwierigkeiten" zwische den beiden gelöst habe. Auch hier werde ich gebraucht, weil Lisas Eltern nichts von dem Jungen, der am anderen Ende Deutschland lebt, wissen sollen. Sie würden Lisa nur wieder schlagen und verachten.
Zu allem Überfluss werfen mir andere Freunde vor, ich würde mich momentan weniger um sie kümmern, weil ich mich um Lisa sorge. Darum haben sie begonnen wieder auf Lisa herumzuhacken. Die meisten Dinge konnte ich jedoch schon lösen, sodass hier zwar noch nicht wieder vollendete Eintracht herrscht, die anderen jedoch akzeptieren, dass Lisa momentan ein wenig mehr Aufmerksamkeit braucht.
Nur wie soll ich ihr genau helfen? Es ist sehr schwierig mit ihr. Ihre Eltern kann man kaum um Hilfe bitten. Auch Lisa ist sher kompliziert. Den einen Tag schreit sie mich an und beschimpft mich, weil sie will, dass ich sie in Ruhe lasse, den nächsten Tag ruft sie mich weinend an und bittet um meinen Rat, damit sie sich nichts antut. Ich habe auf sie eingereredet, sie müsse in eine Therapie, ich würde ihr helfen, nur damit sie wirklich nie wieder darüber nachdenkt, sich etwas anzutun. Wie gesagt, von dem Gedanken hat sie sich einigemaßen erholt, doch ritzen tut sie sich noch immer. Eine Therapie möchte sie niemals machen. Wenn ich ihr diese Hilfe anbiete,wird sie besonders aggressiv. Ich kann sie doch aber nicht einfach mit ihren Problemen stehenlassen! Sonst tut sie sich am Ende wirklich mal etwas an...
So habe ich in meiner ganzen kleinen Welt niemanden, der weiß dass ich selbst auch Ängste und Probleme habe. Ich versuche alle anderen mitzutragen. Aber manchmal fühle ich mich von der Last so müde...
Bisher gibt es nur einen einzigen, der ein wenig mehr über mich weiß. Es ist ein Typ, den ich auch über das Internet kennengelernt habe. Auch er weiß nicht, dass ich Bulemie habe, ist aber so ziemlich der einzige, der mich durchschaut und weiß, dass hinter meiner fröhlichen Art mehr verborgen liegt. Wir chatten sehr oft und manchmal ganze Nächte durch. Weil er mir fremd ist, erzähle ich ihm ab und an von meinen Freundinnen und er versucht mit mir deren Probleme besser in den Griff zu bekommen. Dabei fallen von ihm, da er ein wenig älter ist (2 bald 3 Jahre), und auch hier schon mehr Erfahrungen hat, oft Dinge wie: "Was muss nur mit Mädchen loß sein, die solche Probleme haben? Das ist doch krank, das darf doch nicht sein!" Er meint das nicht böse, sondern kann es einfach nicht verstehen, was z.B. viele Mädchen in meiner Klasse an Druck durch Eltern und Lehrer verspühren. Aber wenn er sowas sagt, fühle ich mich dabei schlecht, denn insgeheim bin ich auch ein solches Mädchen, er weiß es nur nicht. Ein Mädchen, dass versucht ihre Versagungsängste "wegzukotzen".
Das Blödeste was jedoch passiert ist, ist dass ich mich, weil ich mich diesem Typen ein wenig geöffnet habe, promt in ihn verliebt habe. Ich sehe das ganze Thema "Liebe" etwas kritischer, mehr ist wohl bewusst, dass es sich mit der Zeit legt und dass das nur eine dumme Teenischwärmerei ist, die vermutlich in ein paar Monaten vorrüber ist. Dagegen machen kann ich trotzdem nichts.
Durch Lisas Internetbeziehung, von der ich ihm auch erzählt habe, weiß ich jedoch, wie er darüber denkt. Er findet Beziehungen über das Internet lächerlich und sagt, er versteht Leute nicht, die sich in andere über das Internet verlieben können. Er lebt auch am anderen Ende Deutschlands, sodass hier ein Treffen eh abgehakt ist.
Also, sitze ich mal wieder in einer Zwickmühle. Wenn ich ihm erzähle, dass ich mehr für ihn empfinde, verliere ich meine einzige Stütze, die ich momentan habe. Bisher ist er der einzige, der mich wirklich versteht und versucht mir zu helfen. Ihn kann ich endlich mal an mich heranlassen, ohne Angst zu verspüren... Aber ich weiß, dass er den Kontakt abbrechen würde, wenn er herausfindet, dass ich ihn heimlich liebe, denn darüber haben wir einmal im "Scherz" gesprochen. Wenn ich ihm nichts sage, lüge ich mich jedoch nur selber an und wede vermutlich auch nicht glücklicher.
Es ist ein Teufelskreis: Helfe ich meinen Freunden, dann stellt sich Bulemie ein, weil ich unter Druck stehe, gleichzeitig fühle ich mich aber besser, weil ich weiß, Gutes zu tun. Nachdem ich mich Übergeben habe, suche ich irgendwie Hilfe und wende mich an den Typen. Danach geht es mir aber auch wieder nicht besser... Nur solange eben, wie ich mit ihm rede.
Nun muss ich irgendwie schaffen, meine Brechanfälle in den Griff zu bekommen! Den Kontakt zu dem Jungen will ich nicht aufgeben, weil es auf mich vermutlich auch eine negative Beeinflussung hätte. Wenn ih meine Gefühle für ihn nur in "wegbekommen" würde, dann wäre auch schoneine große Last verschwunden...
Und meinen Freundinnen die Hilfe verweigern, damit mich das nicht mehr belastet? Niemals, das kann ich doch nicht machen! Wer soll ihnen dann noch helfen?
Meiner Mum alles erzählen? Das kann ich nicht, dass würde sie so sehr enttäuschen! Und das...würde ich nicht ertragen.
Darum brauche ich auch so dringend Hilfe und jemanden, der mir den rechten Weg weißt. Auch, wenn ihr schon viele solcher Fälle hattet, und diesen hier vielleicht nicht einmal mehr beantwortet, so hat es mir doch schon alleine geholfen, mal alle meine Probleme niederzuschreiben und somit von der Seele zu haben. Vielen, vielen Dank dafür und ich hoffe, dass diese Seite noch jede menge Leute die nötige Hilfe schenken kann.
LG, Karin

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Karin!

Ja, wir hatten schon viele solcher Mails und ja, ich habe überlegt, diese hier zu löschen. Denn Antworten und Wege findest Du im Archiv, hast sie wahrscheinlich schon gelesen, nur noch nicht für Dich akzeptiert oder umgesetzt. Deine Art zu schreiben, hat mich aber doch irgendwie berührt und ich möchte Dir persönlich ein paar Worte schreiben (wahrscheinlich werden es mehr als 'ein paar').

Erst einmal "Willkommen im Club"! Anderen helfen ist ein schöne Aufgabe, was? Ich sitze nicht nur täglich Stunden hier vor dem Bildschirm, sondern bin auch im privaten Bereich stets und ständig für meine Lieben da und erreichbar. Ob nun nachts das Telefon klingelt, weil mein bester Freund in Traurigkeit versackt, meine kleine Schwester (13) ihren ersten Liebeskummer durchmacht oder, oder, oder... ich bin stets da. Das war schon immer so.

Und wie Du stand ich lange Zeit mit meinen eigenen Sorgen allein. Wenn man immer für andere da ist, sich an den Sorgen der anderen fast aufreibt, kommt man selbst oft zu kurz. Freunde sehen immer den starken Menschen, und um nicht zur Last zu fallen, spielt man ihn auch weiterhin. Es kommt gar niemand auf die Idee, es könne anders sein. Wie auch?

Ich habe etwas begriffen: Wenn ich es allen recht machen möchte - muss ich es mir selbst als erstes recht machen. Ich selbst gehöre zu diesen 'allen'; ich stehe ganz vorn. Denn wenn ich nicht auf mich achte, dann kann ich auch nicht mehr auf andere achten. Ich denke, Du stehst kurz davon, dies sehr bitter erkennen zu müssen. Du bist wichtiger als die anderen. Denn ohne Dich kannst Du den anderen nicht zur Seite stehen.

Und noch etwas habe ich erkannt: Starke Menschen haben Schwächen. Auch die besten, tollsten, liebsten Menschen haben Schwächen. So wie jeder. Und es ist eine Stärke, die Schwächen zu erkennen. Und noch stärker ist es zu sagen: Ich brauche Hilfe. Denn ohne Stärke, Selbstbewusstsein und Erkenntnis kann man das nicht.

Du hast so große Angst, Deine Mutter von Deiner Essstörung zu erzählen, weil Du sie nicht enttäuschen möchtest. Aber wie enttäuscht wäre sie, wenn sie wüsste, dass Du ihr dieses Vertrauen nicht schenken kannst? Dass Du diese großen Probleme mit Dir selbst ausmachen möchtest und ihre Hilfe ausschlägst? Auch das tut weh. Und ich fürchte sogar, es schmerzt noch mehr.

Glück im Unglück? Deine Mutter kennt die Krankheit, verachtet sie nicht, redet sie nicht klein, sondern kennt sich sogar aus und sieht sie als Erkrankung, für die es Hilfe gibt. Sie wird nicht denken, es ist eine Pubertätsspinnerei, sondern um den Ernst wissen. Sie wird traurig sein, dass Du krank bist. Aber sie wird froh sein, Dir helfen zu können.

Alles Gute, Kraft und Mut!
Dana