Problem von Anonym - 20 Jahre

Wie helfe ich Schwester?

Hallo! Es ist zwar ziemlich spät, aber da ich soeben die Mail bekommen habe, dass mein Problem nicht beantwortet werden konnte, schreibe ich halt nochmal. Ich entschuldige mich mal für Rechtschreibfehler - ich schreibe das mit dem Handy.
Es hat sich nicht wirklich was getan. Alles ist beim Alten geblieben. Meine Schwester (19) hat nach wie vor Probleme. Sie ist oft depressiv verstimmt, ritzt sich sehr tief, hat eine Essstörung und Null Selbstvertrauen. Zudem ist sie sehr eifersüchtig auf mich. Vielleicht hasst sie mich sogar. Sie ist seit ca. 2 Jahre in Behandlung (Hat einen Therapeut dem sie sehr vertraut) und es fand bis jetzt eine Verschlimmbesserung statt. Ihre Probleme wurden komplexer und vielseitiger. Sie war schon mehrfach in der Psychiatrie und hat manchmal wieder ein Rückfall, wo sie dann wieder an Suizid denkt und dann ging es, zu ihrer Sicherheit, dann immer wieder in die Klinik.
Wie kann ich ihr aber helfen? Sie ist halt sehr reizbar und aus einem "Liest du wieder ein neues Buch?" hört sie ein "Pah! Du liest ein neues Buch? Du kannst dich eh nie entscheiden und wirst es deshalb zu nie was bringen, du Versagerin!" Es darf halt nie um sie gehen. Nie. Sonst sieht sie es als Angriff an. Wenn man aber sich nie nach ihr erkundigt, dann glaubt sie aber wieder, dass sie keiner ernst nimmt! Sie sagte mir auch, dass sie Ritzen nicht schlimm findet und stolz auf ihre Narben ist. Das schockierte mich zutiefst. Ich hab das auch mal getan, muss ich zugeben, hab aber aus eigener Kraft wieder aufgehört mit dem Müll. Es ist egal, wenn man sagt, dass man sich um sie sorgt und sie einem viel bedeutet - sie ist dann immer überrascht. Und nach einer Woche hat sie das dann "vergessen". Sprich: sie denkt wieder, dass sie jedem egal ist. Wie soll man jemand Liebe schenken, der es selbst dann nicht sieht, wenn es einem direkt vor der Nase rumtanzt?
Egal was ich mache - es ist eh immer falsch. Sie ist nie zufrieden. Ich bin nie für sie da und wenn ich es doch bin, dann nur, um sie scharf zu kritisieren und sie als Versagerin zu beschimpfen. Jedenfalls ihre Meinung.
Sie sieht ihre Probleme in ihrer Hässlichkeit, ihrem Übergewicht (Wir sind ca. glrich gross, aber sie ist trotzdem 15 Kilo leichter), ihrer Dummheit und ihrer Nichtskönnen. Naja, eigentlich stimmt da nur was mit dem Selbstvertrauen nicht. Sie nutzt ihre Krankheit auch schon als Entschuldigung aus. "Ich hab dies und das, ich darf mich ritzen/hungern/absichtlich erbrechen/mies zu dir sein." Das ist echt nicht witzig.
Und die Eifersucht....noch so eine Sache. Irgendwie bin ich für sie das Ideal, dass sie nie erreichen wird. Dabei war mein Leben auch nicht immer eine geile Party gewesen. Wie schon oben kurz erwähnt hab ich mich auch mal geritzt und mir ist es auch schon richtig mies gegangen. Ein bisschen kann ich sie also nachvollziehen.
Ich versuche auch so gut es geht Verständnis zu zeigen. Aber da ich auch nur ein Mensch bin, mache ich nicht alles perfekt. Es macht mich eben manchmal schon sehr wütend das Ganze. Und hilflos. Etwas nutzlos fühle ich mich dann auch.
So. Dann bin ich mal gespannt auf eine Antwort was ich nun tun soll. Danke im voraus.

Monika Anwort von Monika

Liebe Unbekannte,

danke erstmal für deine vertrauensvolle Mail an uns.

Du hast es nicht leicht und das schon seit ziemlich langer Zeit. Eine kranke Schwester zu haben, bedeutet für die ganze Familie eine schwere Zeit.

Es geht nicht nur ihr schlecht sondern ihr alle leidet auf die eine oder andere Art mit.
Du schreibst gar nichts über deine Eltern - wie gehen die denn mit der Erkrankung deiner Schwester um? Wie reagieren sie, wenn deine Schwester eifersüchtig auf dich ist? Dich anmotzt oder alles schnell in den falschen Hals bekommt?

Ich finde es toll von dir, dass du deiner Schwester helfen willst. Ich sehe auch, dass du schon Einiges versucht hast, aber immer wieder an ihr abprallst. Da entsteht natürlich ein Gefühl von Hilflosigkeit.
Ich frag dich trotzdem einfach auch mal - wer hilft dir denn? Wer ist für dich da? Bei wem kannst du dich mal ausweinen, wenn dir alles zu viel wird?

Deine Schwester hat sich bereits Hilfe geholt und zwar Professionelle! Sie hat einen Therapeuten, den sie mag und dem sie vertraut, was super ist.
Eine Therapie vor allem wenn es mehrere "Problembereiche" gibt, wie es bei deiner Schwester der Fall zu sein scheint, ist nicht immer leicht und kann zu Anfang auch die Symptomatik verschlimmern.
Aber die besten Voraussetzungen für das Gelingen scheinen vor zu liegen. Das ist die Motivation deiner Schwester und das Vertrauen in ihren Therapeuten UND sie hat deine Unterstützung und kann auf dich zählen. Ich bin mir sicher sie weiß das, auch wenn sie oft schroff ist und dich abweist.
Gerade, wenn man depressiv ist, kann man oft nicht so reagieren wie man es gerne möchte. Man ist in seiner eigenen Trauerwelt gefangen und es fällt schwer, da etwas Licht hineinzulassen.

Inwieweit bist du denn über die Krnakheit deiner Schwester informiert? Weißt du welche Auswirkungen sie hat? Auch auf das Umfeld?
Ich könnte mir vorstellen, dass es mal sinnvoll wäre sich zu erkundigen. Vielleicht nimmt sie dich mal mit zu ihrem Therapeuten oder du wendest dich selbst an eine Beratungsstelle und informierst dich. Das kann dir schon mal sehr helfen deine Schwester und ihre Reaktionen zu verstehen.
Hilfreich könnte auch eine Gruppe für Angehörige von psychisch Kranken sein. Dort triffst du andere, die in einer ähnlichen Situation sind und kannst dich gut austauschen. Schau einfach mal im Internet, ob es in deiner Stadt so etwas gibt.
Ich finde nämlich, so toll es ist was du für deine Schwester tust, du darfst und sollst dich selbst dabei nicht vergessen!
Es kostet dich viel Kraft und Energie immer wieder auf deine Schwester zuzugehen, ihre Stimmungsschwankungen mitzubekommen, zu erleben wie es ihr mal besser mal schlechter geht. Das alles ist bestimmt auch für dich nicht leicht und deshalb ist es wichtig, dass du dich auch um dich selbst kümmerst!

Dazu gehört auch, dass du dir mal Auszeiten gönnst!
Unternimm auch was außerhalb der Familie, triff dich mit Freunden, geh deinen Hobbies nach und habe Spaß! Und zwar ohne, dass du dich schuldig fühlen musst. Es darf dir gut gehen auch wenn es deiner Schwester nicht gut geht!
Nur so hast du auch wieder die Kraft heim zu gehen und für deine kleine Schwester da zu sein.
Im Umgang mit ihr gibt es kein Richtig oder Falsch. Pack sie nur nicht zu sehr in Watte!
Ihr seid Schwestern ihr dürft euch weiterhin streiten, wie Geschwister das nun mal so machen. Ihr dürft euch anzicken, und schreien und euch dann wieder vertragen. Immer in dem Wissen, dass ihr Geschwister seid und immer zueinander halten werdet, wenn es hart auf hart kommt.
Deine Schwester braucht auch Normalität. Und dazu gehört eben auch, dass du nicht immer nur Rücksicht auf sie nimmst. Dazu gehört auch, dass sie ihre Krankheit nicht immer als Entschuldigung für alles hernehmen kann. Wie reagieren denn deine Eltern da?
Was habt ihr vor ihrer Krankheit gerne miteinander gemacht? Was hat euch verbunden? Woran hattet ihr beide Spaß? Vielleicht gibt es eine Chance daran wieder anzuknüpfen?

Du kannst deine Schwester nicht retten, ihr nicht immer alles Recht machen. Sei dir dessen bewusst. So wie du es geschafft hast, mit dem Ritzen aufuhören, so muss auch deine Schwester für sich selbst ihren eigenen Weg finden. Alles was du tun kannst ist sie dabei zu unterstützen - aber letzendlich ist es ihr Weg den sie gehen muss!

Ich wünsche dir sehr, dass du auch den Mut hast dein eigenes Leben zu leben und dass es deiner Schwester bald besser geht!

Liebe Grüße
Monika