Problem von Anonym - 19 Jahre

Ich bin allen sowieso egal

Hallo, liebes Kummerkasten-Team, vorab: Es hat mich eine Menge Überwindung gekostet, mein Problem hier nieder zuschreiben. Das Problem fängt eigentlich schon mit meiner Erziehung an.

Meine Mom hat mich mit jungen 18 Jahren auf die Welt gesetzt, meinen Erzeuger kenne ich nicht, mir wurde bis zu meinem 13. Lebensjahr vorgeschwindelt, dass mein Stiefvater mein leiblicher Vater ist.

So etwas wie Liebe kenne ich nicht, denn seit ich eigentlich denken kann, bin ich an allem Schuld: Schuld daran, dass man keinen anständigen Job erlernen konnte, Schuld daran, dass die Finanzen nicht stimmen, Schuld daran, dass gesundheitliche Probleme aufkommen.

Ihr seht, ich durfte mit meinen 19 Jahren schon oft erfahren, was es heißt, NICHTS zu sein. Probleme wie häusliche Gewalt durch meinen Stiefvater sind auch so eine Sache, aber mittlerweile bin ich an Schläge gewohnt. Was mich aber wirklich sehr verletzt ist, dass mich meine vermeintliche, von mir zurecht gehasste Familie nicht unterstützt, auf meinem Weg ins "Erwachsenen"-Leben.

Kurze Info an dieser Stelle: Ich habe 2013 meine Mittlere Reife gemacht, habe allerdings mit meinem Notenschnitt keine Chance gehabt, mich auf einem beruflichen Gymnasium zu bewerben. Daraufhin habe ich eine Ausbildung zur Kauffrauim Einzelhandel angefangen, bei einer Bäckerei. Und es war die reinste Hölle für mich. Meine Kolleginnen haben mich förmlich tyrannisiert und mir immer mit einer möglichen Kündigung gedroht. Daraufhin habe ich die Lehre abgebrochen, nach einem Jahr, um mich meinem eigentlichen Wunsch zu widmen: Mein Abi nachholen und ein Lehramt Studium beginnen.

Also habe ich, auf Raten meines Exfreundes hin, mich bei einem Fernstudium angemeldet. Die Schule ist in Hamburg. Der Unterricht findet allerdings daheim statt. Es läuft super, ich bin wirklich gut in der Schule. Allerdings ist die Finanzierung echt schwer. Da es eine Art Privat Schule ist, muss ich nebenher arbeiten, um es zu finanzieren. Klingt nicht schlimm, ist es auch nicht. Allerdings darf ich mir ständig daheim anhören (Meine Eltern haben vor einigen Jahren unsere Wohnung gekauft und sind Vollzeit tätig) das ich absolut nichts für deren Wohlergehen tue und mich gefälligst um den Haushalt kümmern soll. Ich kann es gar nicht beschreiben, es ist wirklich schlimm! Ich habe Depressionen davon bekommen, denke gerne mal über Selbstmord oder "von zuhause abhauen" nach und verletze mich selbst. Wie soll ich denn alles unter einen Hut bekommen? Ich will ein möglichst gutes Abitur hinlegen! Bitte, helft mir. Ich bin mit meiner Kraft am Ende. Ich will nicht so werden wie meine Eltern.

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Mir schneidet es immer ins Herz, wenn ich lesen muss, dass, aus dem Unvermögen der Eltern heraus, Kinder denken, sie seien ein "Nichts". Eltern, die nicht in der Lage sind, ihren Kindern das mitzugeben, was Eltern unbedingt mitgeben sollten (Geborgenheit, Liebe, Verwurzelung, Halt etc), schaffen es dann noch, ihrem eigen Fleisch und Blut einzureden, sie seien an allem schuld und im Grunde unnötig.

Das Gute: du scheinst stark zu sein und genau zu sehen, dass du NICHT schuld bist. Im Gegenteil. Ich verstehe ja, dass deine Mutter sehr jung war und anscheinend oft überfordert ist, so dass sie härter reagiert als das sein müsste. Aber schwanger zu werden, ist heutzutage kein Grund mehr für mangelnde Ausbildung etc. Das ist ganz alleine ihr Problem, ihre Fehlleistung, nicht deine. Insgesamt ist es sehr traurig, dass bei euch solche Verhältnisse vorherrschen, dass Fehlentscheidungen getroffen wurden (zB dir nicht zu sagen, dass dein "Vater" nicht der leibliche ist) und dass das Meiste davon zu deinem Schaden ausgetragen worden ist.

Was ich toll finde und wofür ich dich sehr bewundere, ist die Tatsache, dass du dich nicht unterkriegen lässt und deinen Weg durchziehen willst. Das können nicht viele. Du hast dir eine gesunde Selbsteinschätzung bewahrt und schaffst es anscheinend, alles zu ordnen und auch viele Dinge abzutrennen, die dir nicht gut tun. Auch dass du dich jetzt an uns wendest, zeigt mir, dass du alles dran setzt, dein Ziel zu erreichen und überlegst, wie du Hindernisse aus dem Weg räumen kannst.

Ich möchte dir wärmstens empfehlen, dich mit einer Erziehungsberatungsstelle in Verbindung zu setzen.
Erziehungsberatungen sind kostenfreie Anlaufstellen, die bei familiären Problemen helfen. Es ist auch völlig egal, ob Mutter, Vater oder die Kinder sich an diese Stellen wenden. Dort gibt es Hilfe für familiäre Schwierigkeiten, Beratung, aber auch aktive, fassbare Hilfe, was zB Wohngruppen oder die Ämter angeht, das Überlegen, wie du deinen Weg weiter gestalten kannst, wo es Unterstützung gibt (seelisch und finanziell) und welche Möglichkeiten du hast, zB daheim auszuziehen. Erziehungsberatungsstellen haben alle Nummern, Kenntnisse von den momentanen Rechtslagen und Möglichkeiten und sind einfach am besten in der Lage, dir da zu helfen. Die bauen sich immer mehr aus deutschlandweit, ich bin mir sicher, in deiner Nähe wird es eine geben.

Du kannst mal googeln nach "Erziehungsberatungsstelle" und deiner Heimatstadt, falls du in einer Kleinstadt wohnst, nimm mal die nächstgrößeren in deiner Umgebung, da wirst du sicher fündig. Du kannst einfach hingehen (nimm deinen Personalausweis mit) und dich dort vorstellen. Es kostet nichts.

Klar ist so etwas unangenehm und man würde am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Aber du selbst sagst, dass es körperliche Gewalt gibt (wichtig, das musst du ansprechen!), dass es seelischen Missbrauch gibt (du bist nichts und an allem schuld!) und dass dir dein Weg verbaut wird. Es kann sein, dass die Familienhilfe des Jugendamtes dann mit eingeschaltet wird und dir hilft, in einer Wohngruppe unterzukommen, wo du entspannter leben kannst. Es gibt SO viele Möglichkeiten, wie du deine momentane Situation verbessern kannst, du musst nur den Mut aufbringen, dich an diese Stelle zu wenden.

Und hey, du bist es WERT. Vergiss das nie. Du hast so vieles schon zu Unrecht einstecken müssen - vergiss nie, dass du wertvoll bist. Und kämpfe dafür. Du wirst nicht so wie deine Eltern, weil du schon völlig anders veranlagt bist und auch nicht so werden willst. Du wirst deinen eigenen Weg gehen, ich hoffe inständigst, ich konnte dir jetzt dabei helfen.

Alles Liebe und ganz viel Erfolg!

Dana