Problem von Callie - 17 Jahre

Von Freundschaften und enttäuschten Hoffnungen [+Ergänzungen]

Hallo liebes Kummerkasten-Team! Ich habe euch schon ein paar Nachrichten geschrieben, die leider nicht beantwortet werden konnten – was völlig ok ist! – und dachte nach einiger Zeit, dass ich mein Problem schon allein irgendwie gelöst habe, aber wie es aussieht, ist es wohl nicht so. [Dieser Text besteht nun aus zwei Nachrichten: der ursprünglichen, die ich abgeschickt habe, und einem zweiten Teil mit Ergänzungen.]
Ein bisschen zu mir: Ich bin ziemlich introvertiert, ein richtiger Partymuffel, trinke keinen Alkohol, rauche nicht, interessiere mich kaum für Beziehungen, war noch nie wirklich verliebt und asexuell. Ich habe neben einigen Schulkameraden (die für mich nicht wirklich Freunde sind, ich treffe mich privat nicht mit ihnen) nur eine richtig gute Freundin, der ich etwas mehr anvertrauen würde, aber trotzdem nicht alles. Dennoch sind Freundschaften unglaublich wichtig für mich.
Bei meinem „Problem“ geht es um einen Jungen, ich nenne ihn mal X. Ich habe X, der in meiner Stufe ist, vor 2 Jahren oder so ein wenig besser kennengelernt. Wir haben festgestellt, dass wir den gleichen Musikgeschmack haben und auch einige Zeit oft darüber, über Schule oder Urlaub geredet. Er ist mir auch so ganz sympathisch (ich bin nicht in ihn verliebt) und dachte, dass ich mich doch mit ihm anfreunden könnte. Ich wünschte manchmal, ich hätte das nicht gedacht.
Ich kann X teilweise einfach nicht durchschauen: Entweder ist er mir gegenüber nett, hilfsbereit und (erstaunlich) aufmerksam, schrieb mir ab und an mal auch ein Herz hinter die „Gute Nacht“ Nachricht, auf der anderen Seite ist er wiederum still, geht manchmal nicht auf Fragen ein, schreibt oft nicht zurück und verhält sich etwas distanziert. In der Schule reden wir kaum miteinander, wir haben nur ein Fach zusammen und sonst kommt es mir manchmal auch so vor, als ob wir uns gegenseitig nicht beachten. Und nachdem es beim Chatten immer wieder Pausen gab, weil er nicht geantwortet hat, hat es nun komplett aufgehört.
Dass er mich in der Schule ab und zu ärgert, mir im Vorbeigehen leicht gegen den Arm „boxt“, in den Pausen mein Handy nimmt und damit spielt, mir halt ein paar Mal Herzen geschrieben hat (auf die ich im Übrigen nicht ebenfalls mit Herzen reagiert habe, damit er nicht denkt, ich würde auf ihn stehen) und mir helfen wollte, auf ein Konzert zu kommen, lässt mich nicht denken, dass ich irgendwas „Besonderes“ sein könnte. Immerhin redet (& ärgert) er in der Schule auch mit anderen Mädels, und das ist auch gut so.
Ich möchte auch nicht nur über sein Verhalten erzählen. Im Prinzip bin ich eigentlich der Meinung, dass ich an dieser Situation, dass wir uns anscheinend voneinander entfernen, mindestens genauso viel Schuld trage wie X, wenn nicht noch mehr. Wenn ich mit ihm alleine bin, dann kann ich mich ganz normal unterhalten, und wenn Freunde von mir dabei sind, zieh ich mich fast sofort zurück und ich hab das Gefühl, dass ich da richtig fies sein kann, obwohl ich das nicht will, das hat X auch gar nicht verdient. Eine Schulfreundin von mir, die mit mir und X das eine Fach zusammen hat, zieht mich nämlich gerne mal mit ihm auf, weil ihr aufgefallen ist, dass er sich ein paar Mal zu mir umgedreht hat und mich ab und zu ärgert. Und dann ignoriere ich X in solchen Moment sofort, fast instinktiv, obwohl ich das gar nicht will. Das ist eher so eine Schutzreaktion vor den Kommentaren meiner Schulfreundin, glaube ich.
Das ist der erste Grund, warum ich sauer auf mich bin.
Der nächste ist, dass ich mir zu viele Hoffnungen mache. Ich habe schon zwei beste Freundinnen verloren in den letzten 5 Jahren, weil sie irgendwann einfach nicht mehr mit mir geredet haben. Die eine, mit der ich schon seit der 5. Klasse sehr gut befreundet war, hat sich in der 8. Klasse von mir abgewandt und sich mit den neuen Klassenkameraden angefreundet. Seitdem habe ich nicht mehr richtig mit ihr geredet. Mit der anderen war ich seit der 7. Klasse befreundet, Ende der 9. hatte ich schon angenommen, dass das nichts mehr wird, weil sie viel extrovertierter ist als ich und damals nach Freunden gesucht hat, mit denen sie auf Partys gehen konnte, was ich nicht bieten konnte/kann. Nach den Sommerferien, also Anfang der 10., haben sich meine Annahmen dann bestätigt, und auch mit ihr habe ich mich nicht mehr richtig unterhalten. Ich trauere den beiden nicht hinterher. Wir haben uns nicht gestritten und wenn sie meinen, mich ersetzen zu können/wollen, meinetwegen. Solche Freunde brauche ich nicht. Aber jetzt, mit X, läuft es doch genauso wie früher. Nur mit den Unterschieden, dass ich wir uns „nur“ gut verstanden haben, aber nicht befreundet waren, dass ich nicht gerade durch irgendwen ersetzt werde und ich es schade fände, wenn der Kontakt verloren ginge. (Ich dachte ja, „dass ich mich doch mit ihm anfreunden könnte. Ich wünschte manchmal, ich hätte das nicht gedacht.“) Also 2.: Ich bin wütend auf mich, weil ich mir Hoffnungen mache, obwohl ich doch weiß, dass ich vermutlich eh enttäuscht werde.
Ich habe zu Neujahr versucht, X einfach aus meinen Gedanken zu verbannen, und damit abzuschließen, irgendwie kostet es ja auch Kraft, dauernd über so etwas nachzudenken, und ich bin generell jemand, der viel zu viel grübelt und sich Sorgen macht. Aber jedes Mal, wenn er in der Schule etwas macht, fange ich wieder an, über X nachzudenken. Ich habe mein Problem also nicht gelöst, sondern so gut es geht verdrängt, und jetzt kommt einfach alles wieder.
Mitte März sind meine letzten Schultage. Danach kommen nur noch die Abiturprüfungen. Vielleicht wird’s ja besser, wenn ich ihn danach nicht mehr sehe(n kann), ich kann mir sowieso nicht vorstellen, dass wir danach noch Kontakt haben werden (X denkt das übrigens auch, jedenfalls hat er das mal gesagt). Ich weiß nicht, ob ich das schade finden soll, oder nicht.
Ich glaube, dass Hoffnungen im Spiel sind/waren, macht das Ganze einfach so schlimm für mich. Bei meinen früheren BF’s hatte ich keine Hoffnungen, deshalb war das Abschließen auch leicht für mich. Jetzt, bei X, fühl ich mich einfach richtig schlecht und weiß mir selbst nicht zu helfen. Ich habe auch Angst, dass sich das in Zukunft wiederholen könnte und mich einfach nicht mehr trauen kann, mir bei Freundschaften (und in Zukunft evt. auch bei Beziehungen, wobei das nochmal viel komplizierter ist) Hoffnungen zu machen und mich irgendwann keinem mehr anvertraue.
Ich weiß nicht mehr weiter. Soll ich einfach bis zu den Osterferien abwarten, weil dann erstmal alles vorbei ist? Soll ich versuchen das Ganze zu retten, indem ich selbst auf X zugehe? (Aber was ist, wenn er doch gar kein Interesse an Freundschaften hat und einfach immer und zu jedem so ist, wie er halt ist?) Soll ich etwas ganz anderes tun, worüber ich gar nicht nachgedacht habe?
Danke schonmal für's Lesen! Ich würde mich auch sehr über Ratschläge freuen.
Viele liebe Grüße,
Callie.
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Hallo liebes KuKa-Team,
in der Zwischenzeit haben sich noch ein paar Dinge getan, die vielleicht erwähnenswert sind, bzgl. X.
In den letzten paar Tagen hab ich mich noch paar Mal mit ihm unterhalten. Zum einen, weil er mich mal von selbst angeschrieben hat, worauf hin wir uns den Abend dann ein bisschen unterhalten haben. Allerdings bleibt immer noch irgendwo in meinem Inneren ein leichtes Misstrauen – die Sorgen, die ich zuvor beschrieben habe, machen mich teilweise immer noch ein kleines bisschen unruhig. Ich freue mich also, mich wenigstens ein bisschen mit X unterhalten zu können, aber ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass ich kein richtiges Vertrauen aufbauen kann. Er ist wie immer nett zu mir, aber ich befürchte immer, dass jeden Moment wieder der Kontakt abbrechen könnte. An dem Abend habe ich mich auch so zwiespältig gefühlt: Wieso ist mir der Kontakt zu ihm überhaupt wichtig? Wieso geht mir das bei ihm so merkwürdig ans Herz? Ich weiß doch, dass ich nicht verliebt bin. Mich verwirrt das Ganze sehr, ich weiß nicht, wo ich das Alles einordnen soll.
Naja, das Chat-Gespräch hat dann nach einiger Zeit wieder aufgehört, weil er irgendwann nicht zurückgeschrieben hat, ist aber auch ok.
Später jedenfalls hat er sich in der Schule in dem einen Fach zu mir und meiner Schulfreundin (die, dich mich gerne aufzieht) gesetzt. In dieser Stunde war ich irgendwo zwischen zwei Verhaltensweisen: Auf der einen Seite bemüht, mich normal mit ihm zu unterhalten – was eigentlich ganz gut geklappt hat, auf der anderen Seite wieder etwas kühler, aber nicht so schlimm wie sonst.
X hat von sich aus wieder Dinge nachgefragt, mit meinem Etui rumgespielt, dauernd meinen Kulli genommen, wieder weggelegt und wieder genommen, als ob er möchte, dass ich etwas dazu sage – was ich aber nicht getan habe. Später hat er mich nochmal so leicht gegen den Arm gehauen, wobei ich (nach meinem Empfinden leider viel zu trocken) nur „Danke.“ gesagt habe, was mir auch sofort leid tat. Am Ende der Stunde hat er relativ schnell den Raum verlassen, meistens gehört er aber zu den letzten Schülern, die gehen.
Manchmal frage ich mich, ob er nicht auch ein etwas unsicherer Mensch ist. Eigentlich kommt er mir zwar introvertiert, aber dennoch selbstbewusst vor, aber dann habe ich wieder das Gefühl, dass er doch nicht immer so ist. Ich weiß es aber nicht. Eine andere Schulfreundin – die mal in X verliebt war, mittlerweile nicht mehr – hat mir mal erzählt, dass X eher schüchtern sein soll. Damals konnte ich mir das nicht vorstellen, ich dachte, dass ihr das nur so vorkommt, weil sie selbst viel offener und extrovertierter ist als er. Mittlerweile denke ich sogar, dass sie Recht hat. Vielleicht ist das ja der Grund, warum wir beide – X und ich – manchmal so aneinander vorbei agieren: Weil wir beide unsicher sind.
Auf der anderen Seite sage ich aber zu mir selbst: „Sicher interpretierst du das alles falsch. Du wünscht dir vielleicht nur sein Verhalten, aber eigentlich meint er das ganz anders als du glaubst. Vielleicht bist du ihm auch relativ egal. Wieso machst du dir überhaupt Gedanken über ihn?“

Ich fühle mich gerade so hilflos. Ich habe dauernd den Drang, Ordnung in meinem Kopf herzustellen, sonst staut sich alles nur noch weiter auf. Aber ich bekomme das gerade nicht hin.
Es tut mir im Übrigen leid, dass mein Text so lang geworden ist…
Vielen lieben Dank nochmal und viele Grüße,
Callie.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Callie,

bitte entschuldige, dass dein Problem jetzt mehrere Male keine Beachtung gefunden hat. Es ist gut, dass du nicht nachgegeben hast - so komme ich jetzt endlich dazu. Vielleicht kann ich dir helfen, ein wenig Klarheit in die Situation zu bringen.

Es ist mehr als augenfällig, Callie, dass du ein unheimlich gedankenvoller Mensch bist. Du bist sicher eine gute Freundin, da du sehenden Auges die Menschen wahrnimmst und dir Gedanken machst, wie sie sich befinden und was mit ihnen geschieht. Allerdings gebe ich deiner Schulfreundin Recht: Es kann auch fatal sein, jedes Detail mit einer Bedeutung belegt sehen zu wollen. Was in deinem Text deutlich wird, ist, dass du leicht der Versuchung erliegst, sogar kleine und kleinste Details zu interpretieren. Die Voraussetzung, um das zu können, ist zunächst mal eine sehr umfassende Wahrnehmung und ein beeindruckendes Erinnerungsvermögen - über beides verfügst du offensichtlich. Nun frage ich mich: Folgt daraus, dass du vielleicht den Menschen um dich herum (möglicherweise, ohne dass dir dies bewusst ist) auch diese Eigenschaft zuweist?

Das Problematische ist: Wenn man das Verhalten Anderer beurteilt, denkt man sehr gerne diejenigen Reaktionen und Sehweisen in sie hinein, die man in einer bestimmten Situation auch haben würde. Zum Beispiel vertraue ich jemandem, weil ich mir denke: "Wenn das, was er / sie mir gerade erzählt, unwahr wäre, müsste er / sie doch ein unübersehbar schlechtes Gewissen haben!" Leider ist das nur bedingt richtig. Wo ICH als einzelner Mensch beschämt, traurig, schuldbewusst, entsetzt, ängstlich, befriedigt wäre, muss das noch lange nicht für jeden anderen auch zutreffen. Wenn du mit anderen Leuten interagierst, egal ob intensiv oder eher rudimentär, ist es von Vorteil, wenn du erkundest, mit welchen Hemmschwellen sie ausgestattet sind, und wo ihre Prioritäten liegen. Man kann es vielleicht mit den Tonleitern in der Musik vergleichen: Die Empfindungen Anderer können immer zum Teil um einige Halbtöne versetzt beginnen, wo die deinen schon längst entwickelt wären. Im Klartext: Ein anderer Mensch braucht länger, bis ihm etwas peinlich ist, als du, und selbst dann dauert es vielleicht nicht annähernd so lange an. Da gibt es Leute, deren Emotionen sind sehr tiefreichend, sehr dauerhaft und sehr wirkungsvoll; anderer Leute Gefühle sind manchmal eher kurzlebig, spontan, wechselhaft. Das muss nichts Schlechtes heißen, ganz und gar nicht. Bloß muss man damit umgehen können. Wenn du jemanden kennen lernst, und der- oder diejenige reagiert in einer Art und Weise, die bei DIR schon bedeutet, dass der absolute breaking point erreicht ist, muss es bei ihm oder ihr noch lange nicht der Fall sein. Und selbst wenn, ist es vielleicht morgen vorbei. Es ist - so ist meine Überzeugung - bei gut funktionierenden Freundschaften und Beziehungen meistens so, dass die Leute ihre Tonarten erforscht haben und wissen, was wann wieviel bedeutet. Kommt man damit nicht zurecht, überfordert es einen, dann kann es besser sein, man trennt sich ohne Bedauern.

Wahrscheinlich kennst du X zu wenig - und ich natürlich erst recht - als dass wir eine wirklich verlässliche Erklärung finden könnten, warum die Dinge sich so entwickeln. Du solltest dir grundsätzlich im Klaren sein, dass es nicht zwangsläufig so sein muss, dass er beleidigt wird, wo DU beleidigt wärst. Dass er nicht zwangsläufig gelangweilt ist, wo DU es würdest. Und so weiter, und so fort. Überdies können Ereignisse, die du mit ihm erlebt hast, die dich noch lange beschäftigt haben, weil du sie als ungünstig empfandest, für ihn gar nicht diese negative Bedeutung haben. Und natürlich auch umgekehrt! Daher fällt es schwer, eine zuverlässige Aussage zu treffen, was ihn antreibt und wie er zu dir steht. Das Gute daran ist: Wir müssen auch nichts Schlechtes annehmen.

Ferner ist mir aufgefallen, dass du dem Thema Liebe und Beziehung eher suspekt gegenüber stehst. Du hast auch von dir als asexuell gesprochen. Grundsätzlich steht dir das zu, es ist ja auch nicht schlimm. Nur weiß ich jetzt nicht, was es konkret bedeutet: Hast du kein Bedürfnis, vielleicht sogar Abneigung gegen körperliche Berührung? Oder möchtest du dich eher um keinen Preis abhängig machen? Fehlt dir (bisher) das Gefühl der Liebe als solches, ohne dass du es vermisst? Die Einschätzung "Liebe oder nicht Liebe?" kommt, wenn du dich als asexuell definierst, in deinen Bewertungskriterien nicht vor. Im Gegenteil, du hast dich sehr bemüht, zu unterstreichen, dass du eben nicht in X verliebt bist. Für deine Bewertung der Dinge, die du mit X erlebt hast, ziehst du die Frage "Könnte er in mich verliebt sein?" nicht so sehr in Betracht. Weiß er - und wenn er es weiß, glaubst du, er erkennt es an? - dass ER bei dir diesen Maßstab nicht verwenden darf? Nach dem, wie du ihn geschildert hast, glaube ich nicht, dass er etwas gegen dich hat. Ich könnte mir mehrere Dinge vorstellen: Entweder, er stand / steht auf dich, empfindet dein positiv gemeintes, aber unzweideutig kameradschaftliches Verhalten jedoch als Zurückweisung (auch wenn du sie nicht offen ausgesprochen hast), und zieht sich jetzt zurück, um seine Gefühle zu ordnen. Was nicht heißen muss, dass er nicht trotzdem humorvoll und freundlich mit dir umgeht. Die zweite Möglichkeit ist, dass er dich zwar mag, aber für ihn eher nur Freundlichkeit als wirkliche Freundschaft drin ist - weil er euch nicht so auf einer Wellenlänge empfindet. Oder aber, er ist tatsächlich eher schüchtern, weiß aber nicht, wie es mit der Freundschaft weitergehen soll. Wenn ihr beide intensivere Gespräche führen könnt, euch Dinge anvertrauen könnt, ist es schon mal gut. Ein nächster Schritt könnte sein, dass ihr was zusammen unternehmt, Zeit über die Schule hinaus teilt. Hindert dich etwas daran? Du hast dich als introvertiert beschrieben, die Aktivitäten der Anderen reizen dich nicht so. Aber gibt es nicht noch mehr darüber hinaus? Andere Möglichkeiten, sich umzutun, Spaß zu haben? Vielleicht fällt es X einfach schwer, deine Persönlichkeit zu ergründen, weil du ihm zwar sympathisch bist, freundlich, vertrauenswürdig, solide wirkst, aber noch kein wirkliches Profil gewonnen hast.

Wenn du entdecken willst, wie X zu dir steht, ist das ebenso Einfachste wie Komplizierteste (?): Lade ihn auf einen Kaffee ein! Dann kannst du ihm erzählen, dass du ihn echt nett findest, dachtest ihn als Freund gewonnen zu haben, aber nicht verliebt bist. Wenn dir das zu heftig vorkommt: Nun, es wäre immerhin die sicherste Möglichkeit, dir Klarheit zu schaffen. Denn über "Schuld" oder "Nichtschuld" lässt sich in deiner Angelegenheit - meiner Meinung nach - schwer sprechen. Es mag sein, dass er reservierter ist, als es nötig wäre; es mag auch sein, dass du vielleicht etwas zugeknöpft warst. Andererseits sind diese kleinen Unsicherheiten und Unüberlegtheiten auch ganz normal. Wenn es zwischen euch stimmt, dann ist es an sich kein Problem, man kann das ausräumen. Nur wäre es wichtig, dass du einen Vorstoß unternimmst, Dinge klärst, bevor du aufgrund von kleinen Details, die mehr oder weniger alles, aber auch nichts bedeuten können, Deutungen unternimmst und dir selbst eine Schuld zuweist, die es nicht gibt. Tuchfühlungen, wie du sie mit X erlebst, gibt es zuhauf bei den Menschen, und es gibt keinen Grund, warum er dich, wenn er im Grunde seines Herzens ein guter Mensch ist, dafür ablehnen, schneiden oder auslachen sollte, wenn du dich darum bemühst. Wenn es nicht klappt, dann muss es immer noch nichts mit dir zu tun haben, dann ist es vielleicht schlicht so, dass ihr euch mögt - aber noch nicht ganz aus eurer kleinen "Verklemmung" (verzeih das Wort!) kommen könnt. Ich meine es nicht böse; so sind die Menschen. Und wenn ich ehrlich sein soll: Woher sollte eine solche Unsicherheit von beiden schon kommen, als dass beiden der Andere wichtiger ist, als er zugibt? Vielleicht sogar: Vor sich selbst nicht zugibt? Ohne Offenheit und Wagemut geht es nicht, aber auch die Vorsicht und Nachdenklichkeit, die du mitbringst, gehören dazu, Callie. Insofern musst du dir nichts vorwerfen. Wenn du aber Sicherheit möchtest, will ich dich ermutigen, dich nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern dich zu trauen. Ganz egal, ob es je und je um Freundschaften, oder auch mal um die Liebe geht: Nur Reibung erzeugt Wärme.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul