Problem von Jacki - 18 Jahre

Ausbildung abbrechen?

Liebes Team,

letztes Jahr habe ich eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten angefangen. Diese habe ich nach einem Jahr beendet weil es nicht gepasst hat. Ich habe mir den Beruf komplett anders vorgestellt. Man musste den Kunden tatsächlich dazu drängen die Kasse zu empfehlen. Es gibt selbst für die ersten Monate (bis Jahresende) vorgeschriebene Zahlen für Neumitglieder die jeder erreichen muss. Sonst wurde mit Kündigung in der Probezeit und ähnlichem gedroht. Der Druck war dementsprechend imens groß.
Irgendwann hab ich es nicht mehr ausgehalten und hatte einen Nervenzusammenbruch. War dann 4 Monate in stationärer Behandlung in einer Psychiatrie. Nebenbei habe ich schwere Depressionen.
Dieses Jahr habe ich eine neue Ausbildung angefangen als Rechtsanwaltsfachangestellte. Früher hab ich 2 Praktika in Kanzlein gemacht und dachte das ist es. Aber nach 3 Jahren ändern sich die Interessen und der Job würde mir auf Dauer keinen Spaß machen.
Dazu kommt allerdings dass ich von den Mitarbeitern stark gemobbt werde. Mein Chef sagt dazu nichts bzw tut so als würde er nichts sehen. Ich habe mit anderen Azubis und Mitschülern, Lehrern, Eltern und meiner Psychologin geredet. Leider hat es bisher alles nichts gebracht. Es wird nur immer schlimmer. Ich hab auch keine Möglichkeit die Kanzlei zu wechseln. Der letzte Ausweg wäre nur abbrechen. Aber ich bin mir extrem unsicher was ich jetzt machen soll..

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Jacki!

Zunächst mal Danke, dass Du Dich mit Deinem Problem uns anvertraut hast. Hm, da hast Du ja wirklich schon einiges mitmachen müssen. Es ist ein grauenhaftes Gefühl, wenn man sich so unsicher ist, mit dem, was man tut. Doch alle Achtung, ich ziehe meinen Hut vor Dir, Du hast ja schon bemerkenswert viel getan, um Dir da raus zu helfen. Dass Du Dich in stationäre Behandlung begeben hast, ist für Dein Alter wirklich toll, denn Du hast Deine Probleme am Schopf gepackt und bist sie angegangen. Und auch nun, da Du gemobbt wirst, hast Du Dir Hilfe geholt, Lehrer, Eltern, Psychologen. Ich kann natürlich verstehen, dass Du schon sehr frustriert bist, wenn Du meinst, dass Dir nichts geholfen hat. Da gibt man sich viel Mühe und dann ändert sich nichts. Dein Chef wird es wahrscheinlich schon bemerkt haben, aber einfach wegschauen.

Ich kann leider keine Entscheidung für Dich treffen, denn ich kenne Dich leider nicht und kann nicht in Dich hineinschauen. Zudem wäre meine Lösung auch nur MEINE Lösung und nicht zwangsläufig DEINE. Wie lange würde die Ausbildung denn noch dauern? Ich kann verstehen, dass sich die Interessen verändern, plötzlich kommt man drauf, dass die Ausbildung gar nicht das ist, was man wirklich möchte. In diesem Fall ist natürlich eine Möglichkeit, abzubrechen, aber Du solltest Dir genau überlegen, wie es dann weiter geht. Hast Du eine andere Idee in Aussicht? Gibt es etwas, wofür Du brennst, eine Tätigkeit, bei der Dein Herz lacht und Du Dich wirklich wohl fühlst? Wenn ja, dann sieh Dir mal diesen Ausbildungsweg an, erkundige Dich, wie die Ausbildung funktioniert und "schnuppere" vielleicht ein paar Tage/eine Woche in den Job hinein. Wenn nicht, gibt es die BEST, "Das Sprungbrett", das "BFI" und andere Institutionen, die Dir helfen können, herauszufinden, was Du wirklich gerne tust und in welchem beruflichen Bereich Du Dich niederlassen möchtest. Wenn Deine Ausbildung, die Du jetzt hast, noch sehr lange dauert, wäre abbrechen vermutlich keine schlechte Idee - wenn es sowieso nicht das ist, was Du jetzt machen möchtest, musst DU Dich damit ja nicht mehr unnötig quälen. Aber wenn Du nur mehr ein halbes Jahr oder Jahr vor Dir hast, wäre es vielleicht besser, dieses noch "durchzuziehen", in den sauren Apfel zu beißen und es einfach fertig zu machen, damit Du die Zeit nicht verschwendet hast. Egal welche Ausbildung man absolviert hat, jede macht sich gut im Lebenslauf. Dennoch ist das Deine Entscheidung und Du musst wissen, was Dir wichtiger ist. Aber abbrechen ohne die Aussicht auf etwas anderes wird Dich vermutlich auf Dauer unglücklich machen, wenn Du dann vom Geld des Arbeitsmarktservices leben musst und keine Perspektive hast, wie es weitergehen soll. Wenn Du einen Plan hast, wie es weitergeht, fällt Dir das Ganze vermutlich gleich viel leichter.

Was das Mobbing betrifft - hast Du mit Deiner Psychologin auch über das Thema Mobbing gesprochen? Denn sehr oft kommt es vor, dass Personen, die gemobbt werden, ein Thema mit ihrem Selbstwertgefühl haben oder sich selbst nicht so annehmen können, wie sie sind. Vielleicht wäre es gut, sich das einmal anzusehen. Wenn Deine Psychologin Dir nicht helfen kann, kannst Du Dich auch jederzeit an PsychotherapeutInnen wenden, diese haben evtl. bestimmte therapeutische Ansätze, um da weiter zu helfen (Gestalttherapie, Musiktherapie, NLP,...). Hier habe ich zwei Links für Dich rausgesucht, die Dir beim Thema Mobbing noch eine Hilfe sein könnten: https://www.arbeiterkammer.at/beratung/arbeitundrecht/Arbeitsklima/Mobbing.html
https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/gesunde-lebenswelten-beruf-psyche-mobbing.html

Liebe Jacki, Du scheinst mir ein reifes, reflektiertes und kluges Mädchen zu sein! Du hast bestimmt schon viel erreicht und geschafft in Deinem Leben und jede Hürde wurde irgendwie überwunden. Deine Stärke wird Dich auch hier durchbringen. Glaube an Dich, dass Du die schwere Zeit überstehst, Du bist stark! Bisher hast Du auch verblüffende Stärke bewiesen, wenn ich mir Deinen Text durchlese. Das ist wirklich toll für Dein Alter! Du wirst ganz bestimmt die richtige Entscheidung treffen und dann scheint bald wieder die Sonne.

Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen.
Alles Liebe für Dich!
Herzliche Grüße,
Christina