Problem von kassi - 14 Jahre

Was kann ich tunich weis nicht mehr weiter!

in meinem Ort wo ich wohne, sind vor ungefähr einem Jahr leute aus Afghanistan, irak und anderen Kriegsländern her gezogen. da ich gerne Fußball spiele und rein gar nichts gegen sie habe, habe ich mit vielen von ihnen Fußball gespielt. Nach einer Zeit habe ich dann mit meiner Schwester zusammen mit zwei Jungs Deutsch geübt und Hausaufgaben gemacht. ich fande sie total nett, als Kumpels. viele meiner Freunde finden das nicht gut das ich was mit Flüchtlingen mache aber ich wollte mein eigenes bild davon machen. Die zwei waren gute normale Freunde. doch vor ca. drei Wochen ist der eine Junge A. total komisch zu mir geworden. er kommt(kam) manchmal zu mir nachhause mit seinem Kumpel R. und wir haben geredet, bis dahin normal aber er wurde "übergriffig", damit meine ich das er mich begrabscht hat an stellen die ihn nichts angehen. ich habe ihm signalisiert das ich das nicht will er hat aber weiter gemacht mit küssen und ähnliches. in diese Situation kam eich jetzt schon einpaar mal sein Freund R. hat mir auch geholfen aber ihm wurde von A. gedroht das sie dann keine Freunde mehr sind wenn er mir hilft. vorgestern war er sogar aggressiv gegenüber mir und hat mir ins Gesicht geschlagen, als ich ihm sagte das ich keinen Kontakt mehr haben möchte mit ihm. er ist auch 14 wie ich, ist aber alkohol abhängig. Meine cousine kennt A. auch und hat so ähnliche sachen auch gemacht, also verliebt ist er aufkeinenfall in mich oder in sie, da er eine Freundin hat. meinen Eltern kann ich das ganze nicht sagen sonst dürfte ich nicht mehr raus und allgemein Fußball spielen. Eine Schwester weis davon aber sie nimmt es nicht ernst. Es kann sein das es für mich auch nur so schlimm rüber kommt aber ich habe wirklich angst vor ihm da er mich auch mal aus "geilheit" die treppe runter gestoßen hat. Was kann ich tun ich weis nicht mehr weiter!
Danke schonmal im voraus für deine/eure Hilfe.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Kassi,

ja, was du tun kannst, fragst du mich. Es tut mir sehr leid, dass du diese schlimmen Erlebnisse machen musstest, und ich hoffe inständig, dass sie sich nicht wiederholen werden. Ich weiß nicht recht, ob du hier eine große Wahl hast. Zunächst mal ist klar, was du tun MUSST: Nämlich den Kontakt mit A. tatsächlich und vollständig beenden. Und zwar nicht deshalb, weil er ein Flüchtling ist, sondern deshalb, weil er dich angegriffen hat.

Ich kann verstehen, dass du zögerst, es deinen Eltern zu erzählen. Ich will dich auch nicht dazu drängen. Was aber, wenn das demnächst einem anderen Mädchen passiert, was dir passiert ist? Und wie ist es mit seiner Freundin? Geht er auch so mit ihr um, wenn sie ihn nicht ranlässt?

Was er getan hat, ist sehr wahrscheinlich strafbar, und er hat gezeigt, dass Worte ihn nicht beeindrucken. Warum? Ich kann es nicht beantworten. Natürlich, wenn das Wort "Flüchtling" im Zusammenhang mit einer Straftat fällt, zischt gleich eine böse Stimme im Kopf (auch bei mir, selbst wenn ich es vermeiden will): "Tja-ja, die Muslime halt..." Aber: Eine solche Reaktion wäre vorschnell. Wir wissen, dass ihr schon geraume Zeit Kontakt hattet, ohne dass es Probleme gab, und er also grundsätzlich einen Begriff davon haben dürfte, was sich dir gegenüber gehört - hier, wo wir in Deutschland sind. Schließlich hat eure Freundschaft dir einige Zeit auch Freude bereitet, und es gab keine solchen Vorfälle. Wären ihm seine Grenzen nicht klar, weil er aus einer anderen Kultur kommt, so hätte so etwas wohl schon früher passieren müssen. Das heißt, es gibt keine wirklich schlüssige Begründung ab, sofort im Affekt zu sagen "Ja, mal wieder ein Flüchtling." Er ist ein Junge, er pubertiert, er trinkt, er hat was weiß ich erlebt... all das können Gründe sein, für sein Verhalten. Aber Gründe sind keine Rechtfertigung und schon gar keine Entschuldigung. Deswegen solltest du auch gar nicht erst versuchen, dir im Kopf eine Entschuldigung für sein Verhalten zusammen zu stricken, sondern sofort den Trennstrich ziehen. Ganz egal, was er für dich empfindet, seine Taten geben dir Grund, vor ihm Angst zu haben. Und "aus Liebe" tut man so etwas schon mal gar nicht, das weißt du, oder?

Ruf ihn nicht mehr an, lade ihn nicht mehr ein, und wenn ihr zum Fußball zusammen trefft, versuche für die nächsten Wochen, nicht irgendwo allein mit ihm zu sein. Achte darauf, dass immer Menschen in der Nähe sind, und sollte er dich wieder angehen, mach dich sofort lautstark bemerkbar. Wenn nötig, renn weg oder wehre dich körperlich. Und schließlich: Kassi, es wäre besser, wenn du dich einem Erwachsenen anvertrauen würdest. Ich rate dir dazu. Es müssen nicht gleich deine Eltern sein - aber vielleicht dein Trainer oder Trainerin, ein erwachsener Flüchtlingshelfer, oder eine Lehrerin? Es ist nicht in A.'s Interesse, dass man ihn hängen lässt, in seinem Elend nicht, und in seiner Rohheit auch nicht. Es muss sichergestellt werden, dass Andere vor ihm beschützt werden - und auch er vor sich selbst. Was soll sonst aus seinem Leben werden? Das geht nur, wenn jemand es erfährt, der oder die dafür sorgen kann. Und auch dir wird es besser gehen, es dir einmal im direkten Gespräch von der Seele geredet zu haben. Weder kann es für dich so weitergehen, dass du mit der Angst vor ihm leben musst, noch ist es in seinem Interesse, jetzt hier in Deutschland vor die Hunde zu gehen.

Was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich nicht mehr ändern. Es ist schlimm - und auch sehr schwierig - dass solche Dinge passieren. Doch man hilft niemandem, wenn man sie verschweigt. Ganz egal, was von seiner Seite die Gründe waren - du hast ein Recht darauf, ohne Angst durch die Tage zu gehen. Was ist dir lieber: Jeden Tag mit einem unguten Gefühl zum Sport zu gehen, oder eine Zeit lang die Diskussion über etwas auszuhalten, wofür du ja nichts kannst? Ich denke nicht, dass R. und die übrigen Flüchtlinge dafür verantwortlich gemacht werden. Fakt ist, dass A. ein Problem hat. Ein Problem mit seiner Auffassung, was er darf oder nicht, ein Problem mit seiner Männlichkeit, ein Problem mit dem Alkohol... vielleicht von allem ein bisschen... egal! Es kann so nicht bleiben! Besser ist, du öffnest dich, als ihn in seinem argen Zustand zu lassen und mit Furcht zu leben. Weil ihr Freunde seid oder wart, mag sich ein schlechtes Gewissen einstellen, Kassi, das verstehe ich; doch weder bist du in der Verpflichtung, einen Freund, der einen solchen Vertrauensbruch begeht, zu schützen, noch ist es für ihn auf Dauer gut, wenn man sich seiner nicht annimmt. Genau darum geht es nämlich: Wir wissen nicht, warum er das getan hat, aber wir wissen, dass es so nicht bleiben kann. Das heißt, er ebenfalls Hilfe braucht. Und du sollst dich damit nicht belasten müssen. Daher bitte ich dich, dich in dieser Sache nicht zu verschließen. Das wäre für euch beide keine Lösung.

Ich wünsche dir Mut, zu deinem Recht zu stehen - und dass du unter den Vorfällen nicht sehr leiden musst. Da ich aber annehmen muss, dass deine Tage und Nächte sehr unter dem Zeichen der Erinnerung daran stehen, hoffe ich auch, dass du bald wieder befreit bist und die Schwere dieser Erlebnisse nicht mehr auf dir lasten wird. Eines sollst du wissen: Ich würde diese Dinge genauso geschrieben haben, wenn der Mensch, von dem wir reden, kein Flüchtling wäre. Es geht hier nicht darum, mal wieder jemanden zu beschuldigen, er würde (ausgerechnet) ein deutsches Mädchen anfallen; es geht darum, dass jemand dir ein Unrecht getan hat, und dass sich etwas tun muss. Ich hoffe, du findest die Ruhe und Stärke, dich zu öffnen - und dass es ohne schlimme innere Folgen für dich bleibt.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul