Problem von Jenny - 23 Jahre

Ich kann mich nicht entscheiden

Hallo, liebes Kummerkasten-Team!

Heute bin ich auf eure Seite gestoßen, nachdem ich in der Suchmaschine einfach nur "Hilfe!" eingegeben hatte. Ich weiß nicht mehr aus noch ein, und eigentlich auch gar nicht so recht, wo ich überhaupt anfangen soll, zu erzählen.
Im Moment studiere ich ein ziemlich schwieriges und arbeitsintensives Fach an der Uni (Ostasienwissenschaften). Da ich von BAföG abhängig bin, muss ich zum Anfang des 5. Semester drei bestandene Zwischenprüfungen vorweisen, die ich nun alle in diesem 4. Semester, in dem ich mich zurzeit befinde, machen muss. Die Prüfungen bestehen aus einer mündlichen Japanischprüfung, einer schriftlichen Japanischprüfung, sowie einer mündlichen Politikwissenschaftenprüfung, die ich im Moment machen könnte. Das Japanische ist aber unheimlich schwer, und ich habe auch unheimlich große Prüfungsangst, wenn es um mündliche Tests geht. Hinzu kommt, dass ich wegen meiner immensen Probleme gar nicht die nötige Konzentration aufbringen kann, um angemessen z. B. für Japanisch zu lernen.
Aus Angst, die Prüfungen nicht zu bestehen, und weil ich generell immer mehr Angst vor den hohen Anforderungen des Studiums habe, will ich nun eine Ausbildung anfangen. Sicher, dass ich das Studium abbrechen will, bin ich mir deshalb aber noch nicht. Leider. Da ich bisher immer sehr gut durchgekommen bin, ohne viel zu tun (z. B. Abi bestanden, obwohl ich nur jeweils zwei Tage vorher geübt habe), habe ich natürlich auch irgendwie die Hoffnung, dass es auch jetzt wieder klappt, auch wenn ich mir natürlich im Klaren darüber bin, dass ich viel besser sein könnte, wenn ich mich auf das Lernen konzentrieren könnte... :/
Aber selbst wenn ich die Prüfungen bestehen würde, dann gäbe es in nicht allzu ferner Zukunft wieder neue Hürden, die vor mir auftauchen, wie z. B. das Auslandssemester (welches unheimlich teuer ist) oder die Diplomarbeit. Deshalb weiß ich nicht, ob ich mich zu dem Studium zwingen soll, nur um ein paar wenige Vorteile zu genießen, die in der Zwischenzeit zwischen den riesigen Ängsten liegen.
Nun kommt das Problem mit der Ausbildung. Ich bin mir immer noch gar nicht so richtig sicher, welcher Beruf eigentlich der Richtige für mich ist. Ich habe mich als Kauffrau für Bürokommunikation beworben, weil ich denke, dass ich ganz gut Arbeiten am PC, Korrespondenz und andere organisatorische Arbeiten erledigen kann. Aber wirklich sicher, ob das mein Traumjob ist, in dem ich mein ganzes Leben verbringen will, bin ich mir nicht. Ich würde auch gerne Buchhändlerin werden, damit ich wieder, so wie früher, mehr lesen kann, statt immer nur fernzusehen und sich damit verdummen zu lassen. Aber irgendwie kann ich gar nicht richtig einschätzen, was ich kann und was nicht. Ich weiß zwar, was ich gerne tun würde, aber für alles, scheint es mir, eigne ich mich nur halbwegs: ich singe gern, kann aber sicher nicht der neue Superstar sein; ich zeichne gern, kann aber mit den geringen Fähigkeiten sicher kein Comiczeichner werden; ich schreibe gern, bin aber viel zu undiszipliniert, um mal bei der Sache zu bleiben, usw. etc. pp.
Außerdem bin ich total unsicher, was diese neue Struktur in meinem Leben angehen würde. Immerhin könnte ich nicht mehr, wie bisher mein Leben so einteilen, wie ich es gern möchte; ich muss jeden Tag zur Arbeit, ob ich will oder nicht, während alle meine studierenden Freunde ihre Studienzeit genießen können, und später sicher gern daran zurückdenken werden. Und was habe ich dann? Meine Studienzeit war bisher eher nicht so schön...
Um zu studieren, bin ich von zuhause ausgezogen. Und jetzt kommen meine weiteren zwei Probleme, die vielleicht viel zu meiner jetzigen Situation beitragen:
Es war notwendig, endlich von zuhause wegzukommen, da ich mich mit meiner Mutter (wir haben nur zu zweit zusammengelebt) leider überhaupt nicht verstanden habe. Sie hat mich sehr schlecht behandelt. Als Alkoholikerin hat sie alles an mir ausgelassen, was sie gestört hat, und hat mich als seelischen Mülleimer für alles mögliche ausgenutzt. Ich frage mich sowieso manchmal, wie ich das Abitur überhaupt schaffen konnte: ich hatte nicht den geringsten Rückhalt durch meine Familie (die nur aus meiner Mutter bestand).
Daraus resultiert wohl mein zweites Problem: ich klammere mich immer sehr an meinen Freund (Partner). Momentan habe ich keinen Freund, weswegen ich sehr an meinem Ex-Freund hänge. Dies ist auch nicht schlimm, da er auch noch an mir hängt. Aber er liebt mich halt nicht mehr so wie früher, aber das ist es nun mal, was ich mir so sehnlich wünsche. Ich brauche jemanden, an den ich mich bedingungslos klammern kann, und Wärme, Geborgenheit und Schutz erhalte. Natürlich kann ich das ja nicht von meinem Freund bzw. Ex-Freund verlangen, und langsam bekomme ich das Gefühl, immer mehr wie meine Mutter zu werden. Die hat sich auch immer so an mich geklammert, weil sie nie vernünftige Partner gefunden hat, keine richtigen Freunde und auch keine Familie hat. Und in der selben Situation befinde ich mich nun auch. Zuerst hatte ich ja nach dem Auszug aus dem "Elternhaus" mit meinem Ex-Freund zusammengelebt, aber nachdem das ja leider nicht funktioniert hat, lebe ich nun allein, und muss feststellen, dass das alles andere als angenehm ist. Ich gehe hier vor Einsamkeit fast ein. Am besten wäre es vermutlich, wenn ich in eine WG ziehen würde. Erst seit kurzem beginne ich etwas kommunikativer zu werden. Das ist mir schon immer schwer gefallen, auf andere Menschen zuzugehen, vor anderen zu reden, mich irgendwo einzubringen... und ich mache erst ganz kleine Fortschritte... eventuell wäre eine WG das richtige für mich, um den sozialen Umgang mit anderen zu lernen, und meine maßlose Enttäuschung und das riesige Misstrauen, dass ich anderen (Fremden) gegenüber hege, abzubauen.
Aber für welchen Weg ich mich jetzt entscheiden soll, weiß ich immer noch nicht. Den ganzen Tag bin ich nur am grübeln, die Vor- und Nachteile am abwägen, jeden Tag heule ich mindestens drei- bis viermal ziemlich heftig und würde meinem Leben am liebsten ein Ende bereiten. Es ist schon so schlimm, dass es meinen Körper ziemlich beeiträchtigt und mir Schmerzen im ganzen Brust- und Magenbereich verursacht, täglichen Durchfall, Appetitlosigkeit, Schlaffheit im Wechsel mit hypernervöser Stimmung, die meine Nervenenden in kleinste Stränge zerfetzt und nicht zuletzt, die über allem stehende fehlende Konzentrationsfähigkeit: Ich grüble den ganzen Tag, kann das auch nicht abstellen und falle deshalb nur noch umso tiefer in das Loch. Meine Sozialberatung an der Uni hat mir den Rat zu einem Termin bei einem Psychologen angedeihen lassen, den ich jetzt auch gemacht habe... aber die Zeit schreitet unaufhörlich voran, und ich muss mich langsam entscheiden, was ich will, was richtig und gut für mich ist...
Nun ja, eine richtige Antwort bzw. Hilfe kann mir da wohl keiner geben, außer mir selbst und einige Fragen habe ich mir wohl auch schon selbst beantwortet, aber ich habe Angst, noch mal einen Fehler zu begehen, so wie mit der falschen Studienwahl.
Es wäre sehr nett und sicher auch hilfreich, wenn ihr mir vielleicht ein paar Ratschläge geben könntet, welche Richtung ihr für sinnvoll haltet.
Vielen lieben Dank im Voraus und liebe Grüße
Jenny
Danke für eure Mühe! :3

Anwort von Sabine

Hallo Jenny!

Warum zweifelst Du an Deiner Studienwahl? Klar, Du schreibst, dass es schwierig ist und kompliziert, aber das hast Du doch auch vorher gewusst. Was waren aber die Beweggründe bevor Du angefangen hast zu zweifeln, weil es schwieriger wurde? Irgendwas muß Dich doch veranlasst haben dieses Studium zu wählen.
Du grübelst die ganze Zeit in der Zukunft: was wird wenn? Was wird wie? Ich bin eigentlich nicht der Mensch, der an der Vergangenheit klebt aber in Deinem Fall wäre es vielleicht ratsam noch einmal darüber nachzudenken, was Du früher für Anhaltspunkte hattest um so zu entscheiden. Vielleicht kippt es Dich wieder ein wenig zurück.
Du tust Dich schwer mit Deinen Entscheidungen, wohl aus Angst vor Fehlern. Fehler muß man aber ab und zu machen um daraus zu lernen. Viele Möglichkeiten hast Du nicht, wenn ich ehrlich bin. Gib Dein Studium auf und beginne eine Lehre um leben zu können und weiter zu kommen oder setze Dich vor die Schwierigkeit und versuche Dich durchzubeißen. Aufgeben ist immer einfach, aber nicht immer die beste Lösung. Ich weiß nicht, wie ich Dich anhand Deiner Mail einschätzen soll. Gibst Du auf, weil es schwierig wird und Du Angst davor hast oder bist Du wirklich nur ein Mensch, der keine Entscheidungen treffen mag und es lieber anderen überlasst. Ich kenne Dich nicht und kann und darf mit keine Urteil erlauben, aber ich finde, Du solltest gar nicht zuviele Möglichkeiten in Erwägung ziehen mit den Fragen: was wäre wenn? Denke doch einmal darüber nach, was Du eigentlich wirklich willst? Viel Geld verdienen und dafür kämpfen ? Im Ausland arbeiten später? In Deutschland arbeiten? Wie wichtig sind Dir Freunde? Ich denke, dass sind Fragen, die kannst Du beantworten und wenn Du all diese Antworten mal zusammenfasst, dann könntest Du vielleicht auf Deine Antwort kommen, wie es weiter geht.
Klar, ist nicht immer alles einfach, aber wenn man wirklich etwas will im Leben, dann muß man manchmal in den sauren Apfel beißen oder halt einen Fehler machen um daraus zu lernen.
Ob Dein Studium ein Fehler war, kann ich Dir nicht sagen. Ich kenne Dich nicht, aber wenn Du kein Ziel mehr siehst mit dem fertigen Studium, dann wäre es vielleicht besser es abzubrechen und Dir neue Linien und Wege zu suchen.
Wie Du leben willst: Du hast doch bestimmt Vorstellungen, wie es sein soll, wenn Du nach Hause kommst. Alleine und Ruhe oder brauchst Du Gesellschaft? Diese Antwort sagt Dir doch schon, was der richtige Weg wäre.
Die Gespräche mit dem Psychologen, die werden Dich mit Sicherheit auch weiter bringen. Wenn auch nicht gleich beim ersten Mal, aber in Zukunft bestimmt. Die Gespräche werden Dir gut tun, denn es werden Dir mit Sicherheit auch Fragen gestellt und Du kannst lernen Dir selber die Antworten zu geben anstatt Dir immer die Fragen zu stellen.

Lieben Gruß.