Problem von Anonym - 17 Jahre

Alles und sowieso - wie soll es weitergehen?

Also..
Hallo liebes Kummerkasten-Team!

Ich hab lange überlegt, ob ich mich an einen Online-Kummerkasten wenden soll. Ich wollte immer stark sein, nicht einsehen, dass ich vielleicht Hilfe brauche.
Vor 3 Monaten bin ich von einem 10 monatigen Schüleraustausch zurückgekommen. Das Jahr war ganz schön, auch wenn ich einige Probleme mit meiner Gastfamilie hatte. Ich gelte als selbstbewusst, kreativ, nett..
Momentan bin ich in der 11ten Klasse am Gymnasium. Ich musste die Stufe wiederholen..hab aber kein Problem mit meiner neuen Klasse. Eigentlich sind sie alle nett.
Nur..Zu Hause klappts erst mal überhaupt nicht. Meine Mutter arbeitet von früh bis spät..meine Eltern sind geschieden, mein Vater meldet sich so gut wie nie bei mir. Geschwister wohnen nicht hier..Es gibt nur noch den Freund meiner Mutter, der aber auch NUR arbeitet. ernsthaft.
Ich kann machen was ich will, kann in die Disco bis in der Früh um 6, kann hingehn wo ich will. Egal.
Aber so schön ist diese Freiheit gar nicht. Seit ich aus dem Ausland zurückbin, hat sich dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit in mir ausgebreitet. Ich fühl mich alleingelassen..weiß nicht mehr so recht, wo ich hingehör (also natürlich nach Deutschland aber ich mein im Hinblick auf Familie und Freunde). Seit ich wieder da bin, hat sich mein Freundeskreis komplett verändert..ich habe Freunde..klar..bin auch immer auf Achse..aber mir fehlt so krass die Orientierung.
Eignetlich könnte ich auch gleich ausziehen. Ich verdiene mein Geld mit Nebenjobs (Mi, Fr. und Sa.) größtenteils selber (naja..ich bekommen noch 200 Euro von meiner Mutter, aber 150 sind ja eh Kindergeld) ..koche mein Essen selber, passe selber auf mich auf...meine Probleme muss ich auch selber lösen (oder ich spreche mal mit einem engen Freund)..aber irgendwie fehlt was in meinem Leben.
Ich hab des Gefühl ich fliege durch Raum und Zeit, weiß nichts richtiges mit mir anzufangen (ausser Gitarre spielen und Party machen..und klar: arbeiten und Schule).
Ich glaube ich bin ziemlich unglücklich und verwirrt. Und ich hab eine panische Angst vor der Zukunft und davor allein gelassen zu werden. (Obwohl ich ja eignetlich Freunde habe...)
Äusserlich glaube ich wirke ich normal..ich würde mich selbst glaube ich auch nicht als depressiv beschreiben oder so.
Nur ziemlich verwirrt und orientierungslos und haltlos.
Hinzukommt noch, dass vor ca. 3 Jahren bei uns daheim eingebrochen wurde und ich seitdem echt echtes Problem damit hab, nachts alleine zu sein. Früher hatte ich nie ein Problem mit sowas...ach ja...aber meine Mutter checkt von all dem überhaupt nichts.
Irgendwie hab ich auch keine Lust mit ihr darüber zu reden. Unsre Beziehung ist seit Jahren total im Eimer.
Aber alle Probleme alleine lösen zu müssen ist ziemlich anstrengend.. besonders emotional..

Und jetzt?
Vielen vielen Dank fürs zuhören!!!

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Es ist jetzt der zweite Morgen, an dem ich Deine Mail lese - es ist schwierig, Dir zu antworten. (so kommen auch die unterschiedlichen Wartezeiten zustanden; nicht immer fällt uns auf Anhieb etwas wirklich sinnvolles ein). Auch muss ich zugeben, dass ich zwar verstehe, aber innerlich nicht ganz zu fassen bekommen, was Du meinst.

Kannst Du genauer benennen, was Dir fehlt und worin diese Orientierungslosigkeit begründet liegt? Kann es mit dem Auslandsaufenthalt zusammenhängen? In einem anderen Land, in einer anderen Familie gibt es immer neue Regeln, in die man sich einfinden muss. Und dann kann genau das im eigentlichen Zuhause fehlen. Auch kann ich mir vorstellen, dass Du in diesem Jahr immer einen Punkt fest vor Augen hattest, der jetzt einfach fehlt. Du wusstest, wann Du wieder zurückfliegst, hattest eine Zeit, die klar begrenzt war. Das gibt es jetzt so nicht mehr.

Hast Du klare Vorstellungen von Deiner Zukunft? Einen Berufswunsch, auf den Du zuarbeitest? Etwas, worauf Du vielleicht sparst (eigene Wohnung etc - die ist allein vom Kindergeld usw. kaum zu bezahlen). Etwas in der Zukunft, was Du haben / machen / erreichen willst? Etwas zum Anstreben? Ich denke, wenn das fehlt, kann die Orientierung auch verloren gehen. Denn es fehlt der Fixpunkt, auf den man hinarbeitet. Und so einen Fixpunkt brauchen wir immer zur Orientierung; egal, worum es geht.

Eines ist mir aufgefallen: Du beschwerst Dich ein wenig, dass Deine Mutter 'nichts checkt' - redest aber auch nicht mit ihr. Wie soll jemand etwas verstehen, etwas merken, wenn der andere kein Wort verliert? Wir können den anderen immer nur von den Kopf gucken; niemals hinein. Deine Mutter sieht ein Mädel, das lernt, arbeiten geht, Party macht, viel unterwegs ist - und ich denke, für sie sieht es nach einer glücklichen Tochter aus. Woran kann sie erkennen, das dem nicht so ist? Verlangst Du zu viel von ihr?

Du beschreibst recht genau, warum es Dir schlecht geht - kannst Du auch sagen, was passieren müsste, damit es Dir besser geht? Das ist der zweite Schritt, den viele außer acht lassen. "Es wird sich dann etwas ändern, wenn Du etwas änderst" - einer meiner Lieblingssätze. Und genau dazu muss man wissen, was sich ändern sollte und sich in Schritt drei überlegen, wie die Wege dorthin aussehen können, um sie dann umzusetzen.

Nach einem Einbruch passiert viel in den Menschen, die sich bis dahin sicher und geschützt in der Wohnung fühlten. Du musst Dich wegen dieser Ängste nicht schämen. Spreche darüber; denn alles, was Du über die Worte hinaus lässt, kann sich innen nicht mehr gar so sehr festfressen. Du kannst Dich auch z.B. an den Weißen Ring wenden; einfach mal für ein Gespräch. Das sind die Fachleute für die Opferbetreuung und sie werden Dir mit ihrer Erfahrung zur Seite stehen.

Gegen die innere Angst im Dunkeln kann u.a. ein Selbstverteidigungskurs helfen. Es geht einem einfach besser, wenn man weiß, dass man sich im Fall der Fälle besser wehren kann.

Alles Gute!
Dana