Problem von Anonym (m) - 41 Jahre

Platonische Liebe und schlechtes Gewissen

Hallo KuKa-Team und KK-Leser,

Ich habe folgendes Problem. Im April 2006 fuhr ich mit dem Auto durch meinen Stadtteil und dachte ich habe Halluzinationen. Es waren aber keine. SIE war es. Mein absoluter Jugendschwarm B. ? und das war über 20 Jahre her - ging mit einem etwa 5-jährigem Kind an der Hand spazieren. In der Nähe Ihres Elternhauses.

Rückblende: Als Teenager habe ich mich in ein total hübsches Mädchen, das ich fast jeden Tag im Bus gesehen habe, verliebt. B. (= ihr Vorname) war im Gymnasium eine Klasse über mir. Ich war damals schon gut im Recherchieren, nur nicht im Handeln. Und so fand ich ein paar allgemeine Dinge über sie heraus. Sie wurde geboren im April 1965, ich im Dezember. Das sind bei Teenagern ja schon Welten und Mädchen wollen meistens mit älteren Jungs gehen. Kurzum: Ich habe mich nie getraut sie anzusprechen. Typisch schüchterner Typ also. Wahrscheinlich hätte ich mich damals auch total blamiert. Ich habe ihr dann doch einmal einen anonymen Liebesbrief geschickt. Das ist für einen im Grunde schüchternen Typ ja schon eine Glanzleistung. Es ist mir aber bis heute noch peinlich. Erstens weil er bestimmt sehr naiv auf sie gewirkt hat. Und weil sie auch Latein hatte, hatte ich als Absender AMANDUS geschrieben, was so viel bedeutet wie ?Der geliebt werden muss?. Ich weiß nicht, was ich mit dem Brief bezwecken wollte und was ich damals hineinschrieb. Es muss eine Katastrophe gewesen sein. Ich hoffe, sie hat ihn weggeworfen und vergessen. Ich, ein Spätzünder, nicht hässlich, aber damals eher Typ Mauerblümchen und Brillenträger als Brad Pitt, hatte erst später Kontakt zu Mädchen. Sie hatte natürlich ihre ?Boyfriends?, was ich immer mit ansehen musste und mir sehr weh tat. Die waren immer etwas älter (19/20 oder so). Ich kam mir so klein und minderwertig vor. 1984 verlor ich sie dann total aus den Augen, als sie ein Jahr vor mir ihr ABI machte. Sie muss dann in unserer Stadt studiert haben. Ich machte nach dem ABI eine kaufmännische Ausbildung und das Leben nahm seinen Lauf. Die Zeit heilt (fast) alle Wunden, dachte ich ...

Ich habe ein paar Jahre später meine jetzige Frau gefunden. In ganz wenigen Punkten vielleicht ist sie ihr etwas ähnlich, aber doch nur sehr entfernt. Sie hat nicht diese tolle Figur, nicht diese charismatische Ausstrahlung. Sie hat auch schöne Augen (braun, nicht blau wie B.), aber sie hat mich dennoch nie so fasziniert wie B. Aber sonst hat fast alles gestimmt und wir sind bis heute zusammen. Wir haben zwei Kinder und gerade ein Haus gebaut. Ich schätze an meiner Frau (Arzthelferin), dass sie sehr gewissenhaft ist und dass man sich voll auf sie verlassen kann. Sie ist eine großartige Mutter und immer für uns alle da. Sie ist im Prinzip der ruhende Pol der Familie, der alles zusammenhält. Da ich selbständig bin und im Moment nicht gerade üppig verdiene, arbeitet sie halbtags. Das rechne ich ihr sehr hoch an, denn neben Haushalt und Kindern ist dies eine hohe Zusatzbelastung. Durch sie haben wir viele tolle Freundschaften. Ich glaube, das ist in vielen Beziehungen so, dass die Frau diese Seite (Freunde/Kontakte) pflegt, während der Mann mehr mit sich selbst zu kämpfen hat und sich um seinen Job kümmert. Die große Leidenschaft ist nach 18 Jahren und 12 Jahren Ehe leider draus. Sex ist bei uns äußerst selten. Es ist nicht abwertend gemeint, aber intellektuell fühle ich mich ihr gegenüber im Gegensatz und im Vergleich zu meinem großen Schwarm unterfordert und überlegen. Ich empfinde für meine Frau tiefe Zuneigung und Respekt. Wir haben zwei tolle Söhne, die ich sehr liebe.

Als ich B. im April 2006, also vor etwa 15 Monaten, wieder sah, waren plötzlich all die alten Gefühle und Schmetterlinge im Bauch wieder da. Sie sieht noch immer so toll aus wie damals und hat einfach das gewisse Etwas. Das Schema, das mich bei einer Frau anspricht. Sie fasziniert mich unheimlich. Charisma, Intelligenz, Solidität, anscheinend auch eine perfekte Mutter, tolles Aussehen, nicht aufgedonnert. Aus der Entfernung ist sie für mich einfach nach wie vor die Traumfrau schlechthin. Persönlich kenne ich sie ja noch nicht. Dank Internet fand ich heraus, dass sie in der Zwischenzeit in den USA lebte. Ich fand teilweise heraus, was sie dort gemacht hatte und was sie jetzt beruflich macht. Sie ist jetzt Lehrerin. Anfangs sah ich sie immer nur alleine mit ihren Kinder oder in weiblicher Begleitung. Dann erschien auch dieser Mann an ihrer Seite.

Kopfzerbrechen machen mir die Fragen, ob sie mit ihm verheiratet ist, ob er der Vater ihrer Kinder ist oder nicht, ob sie geschieden wurde und jetzt neu mit ihm verheiratet ist oder ob sie einfach nur so zusammenleben. Er scheint gut zu verdienen, hat einen Dienstwagen (Benz) und arbeitet anscheinend jeden Tag sehr lange. Das Folgende klingt für Euch bestimmt komisch: Es könnte vielleicht ihr Bruder sein. Jedenfalls rede ich mir das ab und zu ein, wahrscheinlich, um die Wahrheit zu verdrängen. Im Telefonbuch steht nur ihr Name (Vor- und Zuname, aber nicht der Geburtsname!). So war es auch in New York, wo sie einige Jahre lebte. Ihr Vater wohnt im selben Haus und es könnte durchaus sein, dass sich hier Bruder und Schwester zusammengetan haben, um sich um den Vater zu kümmern, der zwar noch rüstig, aber nicht mehr der Jüngste ist. Das ist aber wahrscheinlich nur Wunschdenken meinerseits?

Ich trau mich heute noch weniger sie anzusprechen als damals. Jedenfalls im Augenblick. Denn sie scheint ja in festen Händen zu sein. Wenn ich es jetzt täte und abblitzen würde, wäre das eine fatale Situation. Einmal würde es mir natürlich das Herz brechen. Und im ungünstigsten (oder sollte ich sagen, im günstigsten?) Fall kommt mein jüngster Sohn bald mit ihrem jüngsten Sohn vielleicht in dieselbe Schulklasse und es kommt auch noch heraus. Stellt Euch vor, ihr und mein Sohn freunden sich näher an. Als Eltern muss man dann ja auch miteinander sprechen, telefonieren, Elternabende besuchen. Also habe ich es bisher gelassen, sie anzusprechen.

Ich glaube (hoffe) aber, sie hat mich bemerkt. Sicher weiß ich das aber nicht. Vielleicht weiß sie ja sogar ganz genau, dass ich der Junge von damals bin, der diesen seltsamen Liebesbrief geschrieben hat. Wenn sie mich bemerkt hat, weiß ich nicht, ob sie mich interessant oder abstoßend findet. Letzteres kommt jedenfalls nicht rüber, wenn ich sie zuällig sehe. Ein Vorteil ist, dass ich heute sicher nicht mehr wie ein Milchbubi aussehe. Ein Nachteil ist, dass ich auch mit den Jahren kein Frauentyp geworden bin. Ich war früher nie dick, nur von der Statur her kein Spargel. Heute allerdings bin ich dank guter Küche meiner Frau und Null-Sport seit etwa 10 Jahren etwas fülliger geworden. Schockieren tut mich diesbezüglich eigentlich nur ab und zu, dass ich seit etwa 2 Jahren öfter mal auf meinen Bauch angesprochen werde. Der ist dann wohl doch etwas zu groß geworden. Aber das lässt sich mit etwas Zeit und Sport ja ändern. Ich hoffe, dass auch auf mich zutrifft, dass Männer Anfang vierzig mit leicht grauen Schläfen zumindest interessant aussehe. Vielleicht sieht B. das ja auch so? Ihr Freund, Mann, Lebensgefährte, Bruder ? wie auch immer ? sieht auch nicht gerade berauschend aus. Allerdings ist er nicht übergewichtig.

Ihr fragt Euch sicher. Was will er nun eigentlich. Meine Wünsche sind klar:

Ich würde B. gerne kennenlernen, richtig kennenlernen. Ich bin sehr in sie verliebt. Insgeheim wäre ich gerne der Mann an ihrer Seite, ein Teil ihres Lebens. Diese Frau hat mich nachhaltig beeindruckt und tut es heute noch. Ich bin fasziniert von ihren schönen blauen Augen, ihrem Blick, ihrer Anmut und ihrem Leben (New York!). Dagegen komme ich mir wie ein Langweiler vor, der seine besten Jahre verschwendet hat. Ihre Blicke sind so schön wie damals. Ich fahre oft an ihrem Haus vorbei und hoffe, sie sehen zu können, und sei es nur einen Augenblick. Sie bringt an einigen Tagen ihren Sohn in den Kindergarten. Ich bringe meinen in einen anderen Kindergarten. Dann versuche ich es immer es so einzurichten, dass wir uns entgegenkommen und sie mir einen Blick (oder sogar ein Lächeln) schenkt.

Auf der anderen Seite möchte ich meiner Frau und meinen Kindern nicht wehtun. Aus schlechtem Gewissen rede ich mir oft ein, dass sie etwas Besseres als mich verdient hat. Es ist schon ein Unterschied, ob man jemanden mag und respektiert oder ob man ihn innig liebt. Sie fragt mich oft, ob ich sie noch liebe. Ich sage dann immer ja. Ich glaube, ich tue es auch. Nur nicht mehr so wie am Anfang. Und ich hasse mich dafür. Aber ich spüre gleichzeitig, B. ist das, was mir fehlt.

Ich bin nicht sehr gläubig und habe oft meine Zweifel. Aber, wenn es Gott wirklich gibt, warum hat er gerade jetzt wieder B. in mein Leben treten lassen? Momentan bin ich an einem Punkt, wo für mich alles nur unklar ist und ich nicht weiß, was ich will und was ich machen soll. Immer wenn ich B. sehe, erwachen diese Wünsche, gleichzeitig rutscht mir das Herz in die Hose. Und einen Moment später denke ich, dass es wahrscheinlich nie etwas werden kann. Ein Seufzer hilft dann manchmal, aber immer nur kurz.

Ich weiß: Auch Ratschläge können Schläge sein. Ich schreibe mir hier aber meinen Kummer von der Seele, um Antworten zu finden. Wer mir also einen Ratschlag geben möchte, und ich hoffe, das tut jemand, ist herzlich eingeladen, etwas zu meinem Problem zu schreiben. Meine Geschichte ist mitten aus dem Leben gegriffen und kommt so oder so ähnlich vielleicht öfter vor. Für mich ist es jedoch im Moment eine Sackgasse und DAS Problem. Ich weiß, es ist kompliziert, aber weiß jemand Rat?


H.

Anwort von Sabine

Hallo H.!

Ja, was Du beschreibst, kommt sicherlich recht oft vor in manchen Leben, doch es ist für jeden speziell und etwas ganz Besonderes. So, wie für Dich.
Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie es sich anfühlt, aber ich möchte auch sagen, dass ein Schwarm vom einer Liebe zu unterscheiden ist.
Du weißt, dass sie Kinder hat und einen Mann an ihrer Seite, den Du nicht recht einordnen kannst. Doch die Kinder müssen schließlich auch irgendwo herkommen und ich könnte mir schon vorstellen, dass es eine Verbindung gibt.
Sie hat ihren Weg gefunden und nun haben sich eure Wege gekreuzt. Sie lächelt Dich an, weil sie Dich z.B. aus der früheren Zeit erkannt hat. Jetzt muß ich aber auch erwähnen, wenn sie wirklich Interesse auch an Dir hätte, dann hätte sie doch die Gelegenheit schon nutzen können um Dich anzusprechen.
Sei mir nicht böse, aber für mich klingen Deine Beschriebenen Gefühle wie ein Schwarm für einen Popstar oder Fernsehstar. Das ist nicht böse gemeint. Ich möchte Dir nur auf diesem Wege versuchen zu erklären objektiv zu bleiben und nicht - wie im Teenageralter - alles hinzuwerfen, weil sie Dich so beeindruckt.
Es ist völlig ok jemanden faszinierend zu finden. Es ist auch völlig ok für jemanden etwas zu empfinden, aber bitte vergiss nicht, dass es eine Frau an Deiner Seite gibt, die Dich über alles liebt und Dir wundervolle Kinder geschenkt hat. Sie liebt Dich wie Du bist und was Du bist. Sie möchte Dich. Sie liebt Dich. Du zweifelst, weil Du vielleicht denkst, dass es da draußen in der Welt vielleicht noch mehr gibt. Ich denke mal, dass diese Gefühlsmomente viele Menschen haben. Ja, auch ich frage mich manchmal, ob es da draußen noch mehr gibt, als ich bisher erlebt habe. Sicherlich ist es auch so. Würde es mich aber auch so glücklich machen, wie das, was ich bisher erlebt habe?
Denke nicht nur an das, was Du nicht hast, sondern vielmehr an das, was Du hast und sei stolz darauf. Du wirst geliebt von Deiner Frau und Deinen Kindern und alles, was Du geschaffen hast und alles, was Du erreicht hast. Auch gemeinsam mit Deiner Familie kannst Du noch mehr erreichen, wenn Du es willst. Warum mit einer anderen Frau? Warum nicht mit Deiner Familie?
Du schreibst aus Deiner Teenagerzeit und bist fasziniert. Völlig normal und ok. Es tut hin und wieder ja auch gut in alten Zeiten zu stöbern. Mal traurige Zeiten, mal glückliche Zeiten. Deswegen muß man kein schlechtes Gewissen haben. Hast Du schon mal versucht Deine Erinnerungen mit Deiner Frau zu teilen? Sie ist nicht nur Deine Frau, sondern auch Dein Freund, Kumpel und Liebhaberin.


Lieben Gruß
Sabine