Problem von Jean - 20 Jahre

Väter, und Väterfiguren

Seit meinem 9ten Lebensjahr lebe ich mit meiner Mutter und ihrem "Lebensgefährten" zusammen. Vorher lebte ich mit meiner Mutter bei meinen Großeletern und da war alles in Ordnung, vielleicht nicht alles, aber es gab Liebe und Wärme in der Familie. 1992 sind meine Mutter und ich dann mit ihrem Freund zusammen gezogen. Und da hörte meine Kindheit auf unbeschwert zu sein. Der Typ ließ regelmäßig seine Wut, die sich bei seinem Job aufm Bau agestaut hat, zuhause aus. Er hat nie meine Mutter geschlagen, aber mich. Eigentlich wollte ich immer nur seine Aufmerksamkeit, weil ich von meinem leiblichen Vater nichts wusste und so immer nur ein Phantombild vor mir hatte, wenn ich den Begriff "Vater" hörte. Ich suchte also immer unbewusst nach einer Vaterfigur, und da er der einzige männliche Mitbewohner war, tat ich das auch in ihm. Aber er versuchte alles andere als die Vater-Rolle anzunehmen. Und bis vor kurzem hab ich trotz seiner regelmäßigen Gewalt-Ausbrüche immer wieder versucht, ihn zu lieben. Doch als er mir vor kurzem an die Gurgel gesprungen ist, weil ich vergessen hatte eine 10x10cm große Wasserpfütze im Bad wegzuwischen, habe ich erkannt, dass ich mir keine Vorwürfe machen muss, weil ich als Kind regelmäßig unter seinem Terror litt und heute noch leide. Ich habe heute zum Beispiel immer noch Angst wenn ich bei Freunden bin und dort mit dem Vater in Kontakt komme. Unbewusst habe ich Angst, er könnte mich angreifen, obwohl es keinen Grund gibt. Jetzt weiß ich, dass nicht ich Schuld war, wenn er mich angegriffen hat, sondern er selbst. Ich mache mir keine Vorwürfe mehr, ich erlaube mir ihn zu hassen. Und das fühlt sich gut an.
Was auch gut für mich war, dass ich Ende letzten Jahres die Suche nach meinem leiblichen Vater begonnen habe und ihn kurze Zeit später auch treffen konnte. Das Phantom-Bild Vater, was sich jedesmal auftat wenn ich vorm Spiegel stand ist weg. Und die ehemalige Vater-Figur, mit der ich noch unter einem Dach lebe, kann ich jetzt endlich hassen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Wenn euch eure Väter oder Vater-Figuren weh getan haben, dann ist es vollkommen okay dass sich Wut angestaut hat, Ihr dürft sie hassen, sie lieben euch nicht so wie sie es müssten und werden es auch nicht.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Jean!

Danke für Deinen Beitrag. Es ist schade, dass Deine unbeschwerte Kindheit mit dem Auszug bei Deiner Oma so ein Ende nahm. Niemand an das Recht, einen anderen zu schlagen.

Umso schöner finde ich, dass Du da selbst rausgefunden hast, Dich selbst analysieren konntest, sehen konntest und Deinen Weg gehst. Scheinst ein viel denkender und auch starker Mensch zu sein.

Aber bedenke auch immer: Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Hass ist auch noch immer ein sehr starkes Gefühl.

Alles Gute!