Problem von Anonym - 24 Jahre

Das Familienglück bröckelt schon seit vielen Jahren

hallo! ich bin 24 jahre alt und studiere.
meine familie und ich machen grade nicht so dolle zeiten durch. meine mutter wollte sich letztens von meinem vater trennen. hat ihm aber noch einmal eine chance gegeben, da er gedroht hat sich umzubringen. Meine eltern sind seit 35 jahren zusammen. mein vater ist ein sehr introvertierter mensch. er spricht kaum über seine gefühle und hat auch massive probleme sie andersweitig auszudrücken. seit 25 jahren hat er ein alkoholproblem. die gründe sind vielschichtig. zu einem hat er keine freunde. meine mutter und meine schwester (21) sind die einzigen bezugspersonen, die er hat. Aber meine schwester und ich kommen nicht an ihn ran. im grunde hatten wir nie einen richtigen vater. natürlich war er physisch da, hat uns aber nie psychisch/emotional unterstützt, da er mit sich selbst genug zu tun hatte. meine mutter hat sich während unserer kindheit sehr um uns gekümmert und meinen vater auch etwas aus der erziehung verdrängt. mein vater hat in dieser zeit die intime beziehung zu seiner frau vermisst. meine schwester und ich sind ihr ein und alles. sie hat und würde alles für uns tun. sie liebt uns sehr. dennoch hat sie meinen vater vernachlässigt. das war natürlich sehr schwer für meinen vater. und so flüchtete er immer mehr in den alkohol. ich habe es nie so richtig mitbekommen (oder wahrscheinlich wollte ich es auch nicht so richtig wahrhaben), dass er alkoholabhängig war. vor ein paar jahren dämmerte es mir. er hat es immer gut kaschiert, dadurch dass er sowieso ein sehr ruhiger typ ist und wenig redet. meine mutter wollte sich von ihm trennen, da sie noch einmal richtig leben möchte. mit meinem vater kann man nichts anfangen. er hat keine lust zu nichts. bei meiner mutter wurde letzten herbst eierstockkrebs diagnostiziert. er war schon fortgeschritten und hatte schon die bauchdecke erreicht. es konnte jedoch im gesunden operiert werden, d.h. es konnte alles sichtbar krankes gewebe entfernt werden. danach folgte chemotherapie. es sieht ganz gut aus. natürlich kann man noch nicht von einer heilung sprechen. dafür ist noch zu wenig zeit vergangen. aber meine mutter hatte noch einmal glück. sie hat gesehen, wie schnell es vorbei sein könnte. jetzt will sie das nachholen, was sie jahrelang verpasst hat. meine mutter hat das verdient, da sie auch schon vor der krebserkrankung schwierige zeiten durchmachen musste. als meine schwester und ich noch klein waren, musste meine mutter aufhören zu arbeiten, da sie eine recht seltene nervenkrankheit in den händen hatte. sie wurde mehrmals an den händen operiert. das verschlimmerte aber nur noch die situation. ihr gehirn erlitt ein neuronales trauma und jahrelang hatte meine mutter furchtbare heiße schmerzen in den händen und an den narben. es gab zeiten, in denen sie sehr depressiv wurde und medikamente nehmen musste. irgendwann ging es wieder. es hat sich mittlerweile eingependelt. sie hat soviel durchgemacht und wirklich mehr in ihrem leben verdient als sie erlebt hat. die ganzen geschichten haben natürlich auch meinen vater belastet. dadurch ist auch er depressiv und pessimistisch geworden. jetzt wollte meine mutter (52) aus diesem "gefängnis" raus und leben. aber mein vater kam mit diesen drohungen, die natürlich sehr kritisch und nicht zu verachten sind. jetzt hat sie ihm ein ulitmatum gestellt.: "Zeig mir, dass du leben willst und trinke absolut keinen alkohol mehr." Ich frage mich, ob er das schaffen wird. Er ist 56 jahre alt. ein mann, der nur seine frau hat. ich hoffe das wird ihm bewusst und er kann außerhalb unserer familie kontakte knüpfen und vielleicht etwas engere bekannte kennenlernen, als nur arbeitskollegen. als mir meine mutter das erzählte, wurde mir so richtig bewusst, dass unsere familie unter der oberfläche es schwer hat (bzw. es sich schwer macht) glücklich zu sein. diese ganze sache belastet mich neben meinen eigenen problemen sehr. ich habe erkannt, dass meine schwester und ich nicht die von mir gewünschte beziehung haben. wir lieben uns, das ist klar, aber wir stehen uns nicht sehr nah, jedenfalls können wir das nicht so ausdrücken. außerdem habe ich ein sehr großes problem damit, dass ich keinen partner habe. ich hatte erst eine richtige beziehung, die mir etwas bedeutet hat. die hielt so etwa ein jahr. das ist jetzt schon eine weile her. ich vermisse es geliebt zu werden. ich vermisse es, dass mich jemand in den arm nimmt und mir sagt, dass er mich lieb hat und dass er bei mir ist. mein sexualleben ist zwar stabil, aber das ist nicht alles. ich habe mich in der pubertät auch oft sehr allein und ausgeschlossen gefühlt. wenn ich mit freunden darüber spreche, sagen sie mir ich solle kraft haben und den kopf nicht hängen lassen, aber das wird von tag zu tag schwieriger...ich will glücklich sein...ich will dass meine familie glücklich ist und keine schmerzen ertragen muss.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Du möchtest glücklich sein und wünschst Dir das gleiche für Deine Familie - ich denke, das ist ein Wunsch, den jeder unterschreiben würde. Aber leider schenkt uns das Leben nicht immer das, was wir wollen. Oft genug müssen wir kämpfen und hinnehmen, sehen, was wir aus dem, was wir haben, machen können. Mit dem Schicksal umgehen lernen ist oft nicht leicht... aber d.h. lange nicht, dass nirgends da draußen das Glück auf uns wartet.

Im Moment klingst Du sehr niedergeschlagen - aber das war auch schon anders, nicht wahr? Schau mal zurück auf den Leben und richte dabei Dein Augenmerk gezielt auf die schönen Erinnerungen. Das spendet Kraft für den Blick voraus.

Dein Vater hat diese Chance - und es liegt bei ihm, sie auch zu nutzen. Ich wünsche euch, dass er das tut und schafft. Hat er denn fachliche Hilfe, um aus dem Alkoholismus heraus zu kommen? Die kann ich nur dringend ans Herz legen.

Und vielleicht denkt ihr einfach auch mal über eine Familientherapie nach? Mir scheint, als wären da hinter all den Fassaden eine Menge Spannungen, Ungesagtes, oder? So eine gemeinsame Therapie kann euch näherrücken lassen. Und vielleicht auch z.B. das Verhältnis zu Deiner Schwester herzlicher machen.

Meine ältere Schwester habe ich immer geliebt - aber nicht immer sind wir wirklich mit einander ausgekommen. Es gab Zeiten, in denen wir uns regelrecht aus dem Weg gegangen sind. Und das nicht nur in der Pubertät oder so. Unser Verhältnis zu einander macht aber etwas aus: Wenn wir uns brauchen, ist der andere ohne zu fragen sofort da; dann sind alle Streits, Meinungsverschiedenheiten sofort vergessen. Ist es bei euch vielleicht ähnlich? Wir Schwestern haben uns erst in den letzten Jahren (34 und 36 Jahre alt) so zusammengerauft, dass wir uns 'unzertrennlich' nennen können. Nichts muss bleiben, wie es heute ist - alles ist wandelbar. Das ist eigentlich das, was ich damit sagen möchte.

Auf der Suche nach der großen Liebe sind so viele. Viele davon schreiben uns - aber ich weiß leider nicht, wo sie zu finden ist. Irgendwo da draußen. Sei unterwegs, hab Spaß (das lenkt auch von den Problemen ab); so erhöhst Du die Chance, dass er morgen vor Dir steht. Und mache Dein eigenes Glücklichsein nicht von einem Mann abhängig. Beziehungen sind nicht da, um glücklich zu machen. Sondern sie machen glückliche Menschen noch glücklicher.

Alles Gute!
Dana