Problem von Stephan - 34 Jahre

Wie kann ich vergessen lernen

Hallo liebes Kummerkastenteam,

Mein Aufschrei kommt spät, sehr spät aber ich bekomme mich selbst nicht in den Griff.
Es ist jetzt mittlerweile fast 4 Jahre her, aber mir kommt es immer noch vor wie vorgestern. Wo ist der Ausschalter für Zuneigung, Wut, Liebe und Hass. Im Jahr 2000 kam ich neu nach München, Berufsanfang Wohnungssuche, das übliche Programm. Ich habe nach bestem Können für meine Frau und mich ein Nest, einen Freundeskreis, eine ansprechendes Freizeitprogramm aufgebaut. Es gab beruflichen Stress (als Berufsanfänger normal) und leider ein chaotisches Zeitmanagement meinerseits. In der Freizeit waren wir in unserer Gemeinde in der Kirchenmusik aktiv, und ich habe Kindergottesdienste gestaltet. Wir hatten Ziele im Auge, aber wie sich später herausstellte nicht immer die gleichen. Ich wollte eine Familie, sie konnte sich mit mir keine Kinder vorstellen. Unsere Erwartungen an die Zukunft liefen auseinander. Um das Ergebnis vorwegzunehmen. Am 3. Advent 2003 zog sie zu einem anderen Mann. Dieses war ein Freund von mir (Musik - Blechbläserensemble). Es war schleichendes Vortasten von den beiden. Erst als Tanzpartner, dann gemeinsame Einkäufe, dann bei Urlauben mit dabei. Ich war auf beiden Augen blind, da ich mir im Betrieb eine kritische Situation zugezogen hatte. (Passiert nun mal, wenn man noch nicht so viel Berufserfahrung hat.) Es gab Streit zwischen uns. Ihr nein zu einer Familie mit Kindern konnte ich damals nicht verstehen (jetzt um so besser). Irgendwann durfte ich das Thema gemeinsame Kinder zu Hause nicht mehr erwähnen. Die Gespräche wurden seltener. Schließlich war Sie bei Ihm. Seit dieser Zeit ist sie nicht mehr zu Hause aufgetaucht (außer zum Taschen packen). Ein Zettel auf dem Tisch ?Alexander will, dass wir uns offiziell trennen?. Letztendlich hat er sein Ziel erreicht. 1,5 Jahre konnte ich die Scheidung hinauszögern, habe das Nest gehalten, habe ihr Freiraum gegeben und ihr den Rückweg freigehalten. Nach dieser Zeit war meine Energie zu Ende. Ich willigte in die von Ihr beantragt Scheidung ein. Der Freundeskreis war weg (Da saß sie mit Ihrem neuen Lover), die Frau war weg, die gemeinsame Wohnung musste ich aufgeben, da die Miete alleine nicht mehr zu tragen war. Ein ganz großes Hoch auf meinen Arbeitgeber, dort konnte ich die Stellung halten, dass war verlässlicher als alles andere. Ca. 3 Monate nach der Scheidung war sie mit ihrem Alexander wieder verheiratet. Die drohende Scheidung über mir habe ich versucht sie immer wieder zu einer Rückkehr zu bewegen und mit Sicherheit mehr falsch als richtig gemacht. Es war viel Verzweifelung und sinnlose zerstörerische Hoffnung dabei. Das hat sie todsicher gespürt. Aber genau deshalb war ja das Unterfangen so aussichtslos. Im Kopf ist vieles klar wogegen das Herz Sturm läuft, und am Ende kommt nur Murks heraus.

Inzwischen ist es 2007. Eigentlich eine lange Zeit. Und trotzdem gibt es seither keine Nacht, in der meine Gedanken nicht bei Ihr sind und viele Stunden, in denen ich mir selbst alle Fehler und Unterlassungen zum Vorwurf mache. Die Ehe ist dahin, und Ihre erneute schnelle Hochzeit mit Alexander klingt wie Hohngelächter. Alle Freizeitaktivität habe ich zurück gefahren, und mich nur noch voll auf die Arbeit konzentriert. Da durfte einfach nicht auch noch was schief gehen, und dass hat fürs erste auch geholfen.

Nun das Problem: Wo ist der Ausschalter für Gefühle. Ich kann doch nicht den Rest des Lebens mit Ihrem Bild im Kopf verbringen, oder mir immer neue Mordszenarien an diesem Alexander ausdenken. Es kann doch nicht sein, dass man seine Gedanken und Gefühle nicht so weit beherrschen lernt, dass sie sich nicht immer wieder in den Vordergrund drängen. Ich ertrinke in den eigenen Vorwürfen, in falscher Zuneigung zu Ihr, und blinden Hass gegen ihren neuen Mann.

Anwort von Sylvia

Grüß dich,

ich würde dich am Liebsten an die Hand nehmen und Dir die tausend Dinge im Leben zeigen, die schön sind. Diese Milliarden Dinge, die es gibt und dich glücklich machen könnten und die gar nichts mit deiner Exfrau zu tun haben. Ich kann deine Wut und Verzweiflung wirklich sehr gut nachvollziehen. Fragen wir uns gemeinsam, was bringt es, dass du dich in die Vergangenheit flüchtest?

Wenn man nur kurz darüber nachdenkt kommt man schon zu dem Ergebnis: Nichts. Es bringt nichts, außer das deine Wut und Trauer immer größer und größer werden.

Hast du wirklich Wut auf ihren neuen Mann? Möchtest du sie wirklich zurück? Möchtest du wirklich jemanden zurück, der dich trotz aller Bemühungen, aller Liebe, aller Aufmerksamkeit so dermaßen verletzt hat? Ich kann mir vorstellen, dass diese ganze Situation so belastend ist, weil es ja wohl doch plötzlich kam. Weil du Dir soviel Mühe gegeben hast und diese Mühe mit Füßen getreten wurde.

Was bleibt aus einer solchen Erfahrung? Ich weiß, das klingt im ersten Moment perplex, aber man muss versuchen, die positiven Seiten an soetwas sehen. Ich glaube an Vorbestimmung. Ich glaube daran, dass ein jeder Schritt und jede Erfahrung im Leben einen Sinn hat. Wo hätte deine Beziehung mit ihr hingeführt? Sie wusste es ganz offensichtlich nicht zu schätzen, was du getan hast. Sie wollte keine Kinder. Vielleicht war deine Liebe zu ihr eine andere als die ihrige. Grade so ein wichtiger Punkt wie keine Kinder oder doch Kinder, ist etwas wo man sich zumindest auf einen Kompromiss einigen können muss. Wie hättest du euch in ein paar Jahren gesehen?

Ich sehe dich in ein paar Jahren an der Seite einer tollen Frau, die dich zu schätzen weiß. Einer Frau, die die gleichen Ziele verfolgt wie du. Leider muss man im Leben machmal erstmal schlimme Dinge erleben, bevor die Guten ins Spiel kommen.

Such die Schuld nicht bei ihrem neuen Mann, oder Dir. Was bringt es. Es war ihre Entscheidung. Sei mal ehrlich, du kannst doch mit reinem Gewissen zurück blicken und Dir selber sagen, dass ganz egal was für Fehlerchen du gemacht hast, denn die macht jeder, du trotz allem alles für eine funktionierende Beziehung getan hast. Das sie trotz allem zu jemand anderen gegangen ist, ist das deine Schuld? Nein.

Natürlich musst du nicht den Rest deines Leben mit ihrem Bild im Kopf herum laufen. Es gibt keinen Ausknopf für Gefühle. Aber du musst los lassen. Du musst sie gehen lassen. Es gibt da draußen jede menge Menschen, die auf dich warten. Du hast es schon einmal geschaft Dir etwas aufzubauen. Dieses Mal wird es vielleicht härter. Aber dieses Mal machst du es für jemanden der es braucht und der es zu schätzen weiß. Für dich selber. Verbann sie aus deinem Leben. Damit du dich wieder anderen öffnen kannst. Vielleicht glaubst ja auch du an Vorbestimmung...ich glaube der Platz an deiner Seite ist für jemanden bestimmt, jemanden den du erst noch finden musst. Aber er ist garantiert nicht für deine Exfrau bestimmt.

Liebe Grüße
Sylvia