Problem von Sanni - 29 Jahre

Ist meine Freundin psychisch krank?

Hallo,

ich bin 30J. alt und bin seit 5 Monaten mit einer gleichaltigen Frau zusammen. Wir kennen uns schon ein Jahr, waren die ganze Zeit über befreundet, aber heimlich ineinander verliebt und nun endlich zusammen. Sind wir zu zweit, in trauter Athmosphäre läuft es zwischen uns ganz gut, oft sogar sehr harmonisch. Aber sobald wir weggehen, egal wohin - Familienfeiern, Disco, Kino etc. fangen die Streitigkeiten an, die dann meist in einem großen Konflikt enden.
Ich muß dazu sagen, dass meine Freundin, wie auch ich ein etwas gespaltenes Verhältnis zu unseren Müttern haben, bei ihr ist es jedoch richtig krass. Ihre Mutter ist schon immer der Meinung, dass ihre Tochter psychisch krank sei, weil sie sich nicht in eine Gruppe einordnen kann bzw. mit Menschen nicht harmonisch umgehen kann,provoziert, laut wird,keine Kritik verträgt. Sie hat auch schon etliche Lehren abgebrochen und arbeitet nun in der Lebenshilfe (veranlaßt durch ihre Mutter). Weiterhin kontrolliert ihre Mutter sie ständig, macht ihr Vorwürfe, schreit sie an - ich kann kaum zusehen. Für ihre Mutter wird sie immer das "Problemkind" der Familie bleiben. Meine Freundin hat allerdings auch nie Liebe, Zuneigung, positiven Zuspruch für auch nur irgendwas von ihrer Mutter bekommen, seit sie klein war. Oft ruft die Mutter bei mir an und erkundigt sich nach meiner Freundin. Es nervt einfach nur. Viele sprechen von Hassliebe zwischen Mutter u Tochter.
Momentan ist die Situation so, dass meine Freundin "draußen" arbeiten will, entweder als "Ungelernte" oder mit einer neuen Ausbildung, denn in der Behinderten-Werkstatt geht sie kaputt unter den vielen psychisch Kranken u Behinderten dort. Außerdem fühlt sie sich total unterfordert. Vielleicht bekommt sie bald ein Praktikum draußen, das wäre der 1. Schritt.
Nicht, dass jemand denkt, meine Freundin wäre krank oder so. Sie händelt ihren Alltag mit allem was dazu gehört selbständig, trinkt nicht, nimmt keine Drogen, gibt nicht übermäßig viel Geld aus, raucht sogar kaum noch. Sie hatte bisher nur für Vermögensangelegenheiten eine Betreuerin, die ihr aufgrund einer damaligen Drogenkarriere - von ihrer Mutter - aufgebrummt wurde. Die Betreuerin hat aber bald ausgedient, da meine Freundin sie nicht mehr möchte.
Bin ich wie gesagt mit meine Freundin in Gesellschaft, verhält sie sich oft auffällig, d.h. sie provoziert andere, geht einfach weg, wenn sie sich nicht genug beachtet fühlt oder Gesprächen nicht folgen kann. Mir gegenüber wird sie manchmal ziemlich laut u auch aggressiv. Sie ist kaum konfliktfähig, fühlt sich sofort persönlich angegriffen, sobald sie etwas kritisiert wird. Bei Streit argumentiert sie mit Dingen, die längst durchgestritten wurden von uns. Sie ist besitzergreifend, eifersüchtig ohne Ende, wird anderen gegenüber auch handgreiflich. Meine Freundin hat wenig Selbstwertgefühl, was aber auch klar ist bei der Mutter (die sogar in aller Gesellschaft sagt, wie schwer es ist eine psychisch Kranke Tochter zu haben). Ärzte meinen, sie wäre nur verhaltenslabil und hätte Anpassungsprobleme, aber nicht psych. krank. Ich selber weiß es nicht, aber irgendwie stößt sie schon immer an.
Ich hoffe, sie schafft es draußen zu arbeiten, denn da wird sicher nicht so einfühlsam u umsichtig mit ihr umgegangen, wie in der Lebenshilfe. Kritik muß sie vertragen können.
Außerdem hoffe ich, dass sie bald einen ambulanten Therapieplatz bekommt. Die Therapie WILL sie, weil sie mitbekommt, dass sie es braucht. Tabletten nimmt sie schon, um sich besser konzentrieren zu können. Ich merke auch, dass ihr meine Liebe sehr gut tut. Die emotionale Bindung an EINE Person baut sie unheimlich auf, aber sie klammert sich auch mit allem was sie ist an mich, möchte jetzt bald in meine Nähe ziehen, weg von der Mutter in deren Nachbarschaft sie wohnt. (Die Mutter kündigt ihr die Freundschaft, wenn sie von der Lebenshilfe weggeht).
Ich liebe sie, aber oft kommen wir an unsere Grenzen u wenn sich nichts ändert, weiß ich nicht wie lange ich das noch aushalte mit ihr, denn trotz Gefühle - es strengt unheimlich an.
(Das schlimme ist, wir können tagelang friedlich ohne Streit zusammensein. Dann kommt irgendein Auslöser und bumm! die Stimmung kippt von jetzt auf dann um und wenn der Streit einmal da ist, steigert sie sich so dermaßen hinein, dass es kein zurück gibt.)
Bin sehr dankbar über Ihren Rat und freue mich auf Ihre Antwort. Danke fürs lesen.

Liebe Grüße Sanni

Sandra

Michelle Anwort von Michelle

Hallo Sanni,

die arbeit mit Behinderten ist nicht leicht. Ich persönlich könnte dort auch nicht arbeiten, weil ich einfach kein sehr geduldiger Mensch bin. Deshalb bewundere ich jeden, der es schafft über Jahre, oder sein ganzes Leben in der Lebenshilfe oder direkt im Behindertenheim zu arbeiten.

Ein gestörtes Verhältnis zu der Mutter ist immer schwierig. Ich persönlich denke nicht, dass jemand psychisch krank ist, sondern höchstens anders. Möglicherweise hat deine Freundin in ihrer früheren Kindheit nie die Liebe und Zuneigung erfahren, die sie benötigt hat. Du schreibst ja selbst, dass ihre Mutter sie als psychisch krank bezeichnet. So eine Aussage von der eigenen Mutter zu hören tut weh und ist schwer zu verarbeiten. Deine Freundin hat schon selbst erkannt, dass sie Hilfe braucht. Das ist schon einmal ein erster guter Schritt. Ich würde auch vorschlagen, dass sie sich professionelle Hilfe sucht um eventuelle Probleme (möglicherweise auch aus der Kindheit) zu verarbeiten. Wurde bei deiner Freundin schon mal getestet ob sie an Depressionen leidet? Für mich hört sich das nämlich ziemlich stark danach an. Diese spontanen Stimmungsschwankungen sind ein Zeichen dafür. Das heißt jedoch nicht gleich, dass sie psychisch krank ist. Sie hat einfach nur eine Krankheit, die professionell behandelt werden muss. Ich würde deiner Freundin raten, dass sie mal mit einem Psychologen über ihre Probleme spricht. Die können die Situation am besten analysieren und wissen wie man deiner Freundin helfen kann. Viele denken, dass man psychisch krank ist, wenn man zum Psychiater geht. Ich sehe das etwas anders. Sie sind auch nur Ärzte, die einem helfen eine Krankheit zu überstehen. Wenn ich mir was gebrochen habe gehe ich zum Orthopäden, bei Grippe zum Hausarzt und wenn mein Leben nicht im Gleichgewicht ist, dann halt zum Psychologen! Ich finde, da ist nicht schlimmes bei!

Ich wünsche Dir und deiner Freundin alles Gute
Michelle