Problem von Christine - 23 Jahre

Die Hölle nach Studienabbruch

Hallo!
Ich weiß einfach nicht mehr weiter.
Meine Situation ist Folgende:
Ich bin 23 Jahre alt, wohne noch zu Hause und habe jetzt 7 Semester Lehramt studiert. Habe mich jetzt nach zahlreichen schlaflosen Nächten dazu entschlossen, mein Studium abzubrechen und eine Ausbildung im Herbst zu beginnen. Wie gesagt, das war keine Entscheidung, die ich Hals über Kopf gefällt habe, dieser Beruf, oder Pädagogik an sich, liegt mir überhaupt nicht. Ich dachte vor dem Studium, dass man das lernen könnte, mit Kindern umzugehen und in die Rolle als Lehrerin hineinwächst, aber Fehlanzeige. Allein der Gedanke, ich muss mich jeden Tag vor eine Klasse stellen, bringt mich nervlich ans Ende.

Vor etwa 3 Wochen habe ich meinen Eltern meinen Entschluss mitgeteilt. Und dann fing die Hölle erst richtig an...

Erst haben sie nach Gründen gesucht, warum ich mich jetzt so entschieden habe. Der erste Vorwurf war, ich mache einer meiner besten Freundinnen alles nach, da die erst kürzlich von Lehramt auf Magister wechselte. Das ging so 2 Tage lang.
Dann kam mein Freund ins Spiel. Wir sind erst seit einem knappen halben Jahr zusammen und natürlich muss er Schuld sein daran, dass ich "mein Leben weg werfe".
Also hat meine Mutter ihn heimlich morgens um 8 Uhr versucht anzurufen. Da er aber am Tag zuvor Spätschicht hatte, schlief er noch und seine Mutter ging ans Telefon. Natürlich bekam die haarklein alle Details erzählt, dass ich in der "Gosse enden würde", dass ihr Sohn daran Schuld wäre, weil er mir das eingeredet hätte und so weiter. Die Mutter meines Freundes meinte dann, dass sie das alles nichts anginge, und das wohl allein meine Entscheidung wäre.
Als mein Freund dann später meine Mutter zurückgerufen hatte, durfte er sich übelste Vorwürfe anhören, wieso er mich denn nicht von dieser Schnapsidee abbringen würde. Man muss dazu sagen, dass mein Freund mit dieser Entscheidung nicht das Geringste zu tun hat. Er hat sich immer rausgehalten und meinte "Geh deinen Weg, egal wohin, ich steh hinter dir!"
Nachdem er zu meiner Mutter jedoch gesagt hatte, dass so wie er mich kennengelernt hätte, der Beruf Lehrerin der Beruf ist, der am wenigsten zu mir passt, war er der komplett Schuldige.

Dass ich alleine die Entscheidung getroffen habe, dass ich für mich begriffen habe, dass ich nervlich daran kaputt gehen würde und dass der Beruf eben kein lockerer Halbtagsjob mit einem halben Jahr frei ist, das verstehen meine Eltern nicht.

So ging das munter weiter, es wurde von Tag zu Tag derber. Meine Mutter wirft mir Sachen an den Kopf wie: "Na, hast dich wieder die ganze Nacht durchvögeln lassen?" oder auch: "Da hast du dir einen gesucht! Sieht scheisse aus, hat nix im Kopf und will, dass du für ihn den Dreck wegmachst!"

Wenn ich so etwas an den Kopf geworfen kriege, weiß ich erstmal gar nicht, was ich sagen soll, und antworte meist nichts darauf,schließe mich dann in meinem Zimmer ein und fange an zu weinen.

Mein Freund und seine Familie sind mittlerweile richtig sauer auf meine Eltern und haben sich geschworen, dass meine Familie, egal wie oft sie sich bei ihnen entschuldigen würde, für sie gestorben sei.
Allerdings haben sie auch zu mir gesagt, dass ich jederzeit in ihrem Haus herzlich willkommen sei.

Die Folgen bisher:
Ich habe mein Auto abgenommen bekommen, da ich es mal geschenkt bekommen habe von meinen Eltern, und es mir damit ja nicht gehört, zumal ich nicht mal die Versicherung zahle.
Meine Heizung wurde abgedreht, und ich sitze nun bei etwa 10 Grad in meinem Zimmer.
Ich habe einen Stichtag bekommen, den 1.6.2008, bis zu dem ich meine Sachen gepackt haben sollte und ausgezogen sein muss.

Ich bin jetzt fleißig am Bewerben, habe in einer Woche über 30 Bewerbungen losgeschickt, und gestern schon die erste Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten. So schlecht stehen meine Chancen also doch nicht, und je mehr das meine Eltern mitkriegen, desto gemeiner werden ihre Sprüche und Beleidiungen. Auch weil sie zuvor der festen Überzeugung waren, dass ich als Studienabbrecher eh keine Chance hätte, nochmal irgendwo irgendwas zu bekommen. Außerdem trauen sie mir sowieso nicht zu, dass ich mein Leben selbst auf die Reihe kriege.

Den ganzen Tag über werde ich mit Beleidigungen konfrontiert, und wenn ich mich nur versuche zu verteidigen oder meinen Freund zu schützen, wirds noch schlimmer und es fallen Sätze wie: "Wann ziehst du denn endlich zu deinem Idioten, dass wir dich nicht mehr ertragen müssen?"

Ich fühl mich momentan so alleine. Eigentlich war das Verhältnis zu meiner Mutter immer ein gutes. Nur mit meinem Vater bin ich nie klar gekommen, da er viel trinkt und oft ausfällig wird. Der hält sich aber zur Zeit im Hintergrund, schaut viel zu und kommt nur mal auf mich zu und will reden, wenn er grade wieder getrunken hat. Einmal hat er dann sogar das Heulen angefangen und jammerte, dass er doch so stolz auf mich gewesen sei, dass ich studieren würde.
Ich verstehe ja ihre Enttäuschung, aber warum wollen sie mich nicht verstehen? Und sie wollen offensichtlich nichts mehr mit mir zu tun haben, wenn ich einmal meinen Ausbildungsvertrag unterschrieben habe.

Ich frage mich, wie ich das daheim noch aushalten soll, bis ich eine passende Lehrstelle gefunden habe. Und dann stehe ich erst recht alleine da, da ich dann wohl nicht mehr in der Nähe wohnen werde und meinen Freund, den Einzigen, der mir noch das Gefühl gibt, was wert zu sein, dann wenn überhaupt nur noch am Wochenende sehe.
Und dann? Den Kontakt zur Familie komplett abbrechen? Und wie weiterhin mit ihnen umgehen?

Ich bin so nervös geworden in den letzten Wochen, kann kaum noch schlafen und bin nur noch am Weinen. Ich pack das nicht mehr...

Anwort von Sabine

Hallo Christine!

Ja, es verunsichert sehr sogar, wenn man nur negative Dinge zu hören bekommt, wenn man reden möchte und im Grunde nicht die Bestätigung findet, die man für sich selber doch schon getroffen hat.

Du weißt am besten, was gut ist für Dich und was nicht. Du fühlst und lebst Deine Gefühle und Du solltest wissen was Du willst.

Vielleicht fällt es Deinen Eltern auch schwer etwas loszulassen. Du bist nicht mehr die Kleine, die sie früher erzogen haben und um die sie sich gekümmert haben. Während des Studiums warst Du für sie vielleicht immer noch die Kleine, die zur Schule geht, auf die sie stolz sind und mit der sie angegeben haben. Jetzt hat die Kleine aber einen eigenen Koopf und möchte ihr Leben leben, wie sie weiß oder denkt, dass es am besten ist. Das Leben besteht aus Fehlern und genau daraus lernt man doch. Dir kann niemand sagen was richtig und was falsch ist. Niemand kann das vorher sagen. Du weißt es nicht und Deine Eltern auch nicht. Während des Studiums konnten sie Dich kontrollieren und Du bist in gewisser Weise abhängig gewesen. Nun löst Du Dich mit Deiner Entscheidung und lebst Dein Leben. Vielleicht kommen sie damit einfach nicht klar und vielleicht sollte man die Situation einfach aus der Perspektive einmal betrachten, damit es einen selber nicht so verunsichert.

Das Dein Freund mit hineingezogen wird, ist nicht fair, aber vielleicht suchen sie einfach einen Schuldigen, wenn sie bei Dir nicht weiterkommen. Es könnte ein Grund sein für ihr Verhalten. Wissen kann ich es nicht.

Christine, es ist Dein Leben und es sind Deine Entscheidungen. Vielleicht brauchen Deine Eltern einfach ein wenig Zeit um zu sehen und zu verstehen, dass Du Dir Dein Leben jetzt aufbaust. Versuche gar nicht dagegen anzukämpfen, was sie gerade durchmachen, sondern denke an Dich. Ich hatte ähliche Situation damals, als ich von zuhause ausgezogen bin (recht früh). Mein Vater hat gar nicht mehr mit mir gesprochen über Wochen und Monate. Irgendwann kam er von alleine wieder auf mich zu. Gar nicht zu reden ist oftmals schlimmer als Vorwürfe. Ich habe ihm und meiner Mutter auch, einfach die Zeit gegeben sich damit abzufinden. Sie lernen in ihrem Alter auch noch dazu.

Wichtig ist, dass Du glücklich bist und Du Dich wohl fühlst in dem Weg, den Du wählst, denn das gibt Dir die Kraft für das, was kommt. Habe keine Angst vor Fehlern, denn die gehören zu Leben dazu. Auch im Alter ist man nicht perfekt und man lernt bis ans Lebensende.

LG, Sabine