Problem von Amy - 19 Jahre

Borderline

Liebes Kummerkasten Team,

ich weiß gar nicht wie oft ich schon diese Seite geöffnet hatte und immer wieder versucht habe mein Problem zu beschreiben? - Doch jedes Mal ist es mir missglückt und ich habe das Geschriebene mit einer Mischung aus Bedauern und Trauer wieder gelöscht. Es scheint mir fast so als könnte ich gar nicht alles aufschreiben was mich so sehr belastet und in die Verzweiflung treibt. Sollte ich mein Problem so kurz wie möglich zusammen fassen würde ich sagen es ist mein Leben und ich selbst...

Ich habe die Diagnose Borderline bekommen und weil ich oft denke diese Krankheit drückt am besten aus was ich bin, habe ich sie als Überschrift gewählt. Doch leider lässt sich auch Borderline nicht so einfach erklären und darum stehe ich wieder ratlos hier und weiß nicht wie ich anfangen soll?

Ich befinde mich zur Zeit wieder in Therapie, ich gehe einmal die Woche zu einer Therapeutin und einmal im Momant zu einem Neurologen, ich bekomme ein Medikament gegen Depressionen verschrieben und trotzdem... es hilft nichts. Ich fühle mich so als wäre mein Leben schon zu Ende obwohl es noch nicht einmal richtig begonnen hat, so als würde ich direkt vor dem Abgrund stehen.

Eigentlich gehe ich auf eine Fachoberschule, doch dieses Schuljahr habe ich in den Sand gesetzt. Mir ging es gesundheitlich/seelisch oft so schlecht das ich einfach nicht in die Schule/unter Menschen gehen konnte und wollte. Die Fehltage sind der Hauptgrund wieso ich den Anschluss am Unterrichtsstoff verloren habe und nun ist klar das ich dieses Jahr wiederholen muss. Ein Gespräch mit dem Schulleiter und auch meinem Klassenlehrer ergab das beide der Ansicht sind ich solle erstmal der Schule fern bleiben und mich darauf konzentrieren das es mir bald besser geht und ich gesund in das neue Schuljahr starten kann.

Mein Neurologe wird mich nun das restliche Schuljahr über krank schreiben und rät mir in eine Klinik zu gehen, für sechs Wochen oder länger... ich sehe selbst ein das es anders kaum noch Sinn macht und trotzdem fällt es mir so schwer mich dazu zu überwinden. Ich habe keinen Halt in meinem Leben. Meine Familie ist für mich der Hauptgrund warum es mir so schlecht geht und obwohl wir uns bemühen das sich die Situation verbessert haben sie doch kein Verständnis für meine Lage. Freunde... ich habe keine Freunde mehr. Wenn ich zurück denke sehe ich nur noch Schmerz, fast jeder Mensch der mir einmal lieb und teuer war hat mich irgendwann einmal zutiefst enttäuscht und verletzt. Mit 12 Jahren ca. habe ich mich vollkommen isoliert, denn ich dachte mir immer: wenn ich keinen an mich lasse kann mir auch keiner mehr weh tun.

Im Grunde genommen lebe ich ein Leben das keines ist. Ich verkrieche mich seit Jahren in andere Welten, immer auf der Flucht vor dem was mich verfolgt. Ob mit Büchern, Filmen oder Computerspielen... ich habe immer einen Weg gefunden dem hier und jetzt zu entfliehen und den Schmerz, wenn auch nur für kurze Zeit zu vergessen. Doch irgendwann musste ich einsehen das man zwar vor dem davon laufen kann was einen verfolgt, aber nicht vor dem was in einem ist. Und diese Erkenntnis treibt mich schier in den Wahnsinn. Ich muss jeden Tag gegen mein Innerstes ankämpfen, ich leide an SVV und einer Essstörung, dazu die Depressionen und ständige Gedanken an den Freitod. Langsam habe ich keine Kraft mehr... ich wünsche mir nur noch das alles vorbei geht. Ich will das dieser innere Kampf aufhört und ich endlich Ruhe finden kann. Doch es geht nicht! Es hört niemals auf.

Den Mut mich selbst zu töten habe ich nicht, obwohl der Gedanke immer in mir ist weiß ich das ich es niemals tun könnte. Denn so lächerlich es auch klingt ich wünsche mir tot zu sein habe aber schreckliche Angst vor dem sterben. Hilfe zu finden ist schwierig, zu mal man sie meistens nicht einfach so bekommt sondern wirklich danach suchen muss. Für mich bedeutet es das ich immer aus eigener Kraft heraus reagieren muss, doch wie schon gesagt: ich kann einfach nicht mehr. Selbst für den bevor stehenden Klinikaufenthalt finde ich keinen Ansporn mehr, ich weiß einfach nicht mehr wofür noch das Ganze?

Wahrscheinlich wollen sie nun schreiben das ich es für mich selbst tun soll, damit es besser wird... doch ich bin ganz ehrlich, ich hasse mich. Wäre ein anderer Mensch da für den es sich lohnen würde, ich würde es sofort tun, doch da ist niemand.

Über das Internet hatte ich einen sehr netten und verständnisvollen, jungen Mann kennen gelernt und obwohl ich nicht wollte das es passiert hat er es geschafft die Mauer um mich herum einzureißen. Es war fast perfekt, alles hatte plötzlich wieder einen Sinn, ich hatte Freude am Leben und Ziele. Ich wollte gesund werden und er hat mich auch dazu ermutigt, er hat mir sehr geholfen, mehr wie irgendwer sonst. Ich habe ihm Dinge erzählt über die ich noch nie zuvor mit wem gesprochen habe und er hat mir zugehört und mich getröstet. Lange Zeit habe ich in ihm Halt und Geborgenheit gefunden, er war meine Kraftquelle. Ich träumte von einer gemeinsamen Zukunft und hätte alles dafür getan. Und auch er redete davon das er mehr für mich empfindet als nur Freundschaft. Immer und immer wieder wollte er mich zu einem Treffen überreden, doch mir war es zu früh und ich dachte wenn er diesen schrecklichen Menschen sieht verlässt er mich sofort. Ich wollte ihn nicht verlieren, die Nähe zu ihm nicht missen und so habe ich nach einem 3/4 Jahr doch dazu eingewilligt. Ich bin zu ihm gefahren und die Zeit dort war sehr schön, die schönsten Tage die ich seit langem erleben durfte. Und für mich war klar: er ist es. Ich hatte noch nie eine Beziehung, noch nie einen Menschen so nah an mich gelassen und immer von der großen Liebe geträumt, davon das jemand kommt der mich aus dieser grauenhaften Welt rettet und plötzlich stand er vor mir. Und er gab mir das Gefühl das er auch für mich so empfindet... doch als ich wieder zu Hause war sagte er mir das er sich nicht in mich verliebt hat. Er möchte Freundschaft, keine Beziehung. Und ich, ich habe mein Herz an ihn verloren, denn er ist der wunderbarste Mensch der mir in dieser Welt begegnet ist. Und obwohl ich durch diese Lage der Dinge immer und immer wieder verletzt werde ist es mir so scheiß egal, denn ich würde es niemals verkraften diesen Menschen zu verlieren. Allein die Vorstellung ihn nie wieder zu sehen wirft mich zurück in das Nichts.

Es ist schmerzhaft, denn er war es der von Gefühlen sprach, der mich sehen wollte und der mich fallen gelassen hat. Und es ist die selbe Erfahrung die ich immer und immer wieder in diesem Leben machen muss. Ich weiß nicht warum? Vielleicht kann man mich gar nicht so lieben wie ich bin? Ich kenne keinen einzigen Menschen auf dieser Welt der das tut - nicht einmal ich selbst. Allein zu sein ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Manchmal wünsche ich es mir so sehr und an anderen Tagen sehnt es mich nach der Nähe zu einem anderem Menschen, doch ich habe Angst davor wieder diese Erfahrung machen zu müssen.

Ihn habe ich noch ein zweites Mal getroffen, jetzt zu Ostern und es war wieder sehr schön, doch freundschaftlich - nicht das was ich mir wünsche. Es tut weh, bei ihm zu sein schmerzt genauso wie wenn ich von ihm entfernt bin. Dieser Schmerz zerreißt mich innerlich und doch weiß ich, ich kann und will ohne ihn nicht mehr leben. Doch er, er will mich vllt nicht mehr wieder sehen...

Und nun weiß ich nicht mehr weiter. Es ist alles so sinnlos. Ein Klinikaufenthalt ist ein großer Schritt... es wird mein Leben für immer verändern, zum Positiven wie auch zum Negativen. Ich bin mir bewusst darüber und ich habe Angst davor. Würde ich nicht so viel Schmerz empfinden würde ich sagen ich bin innerlich tot. In meinem Leben gibt es einfach gar nichts mehr... keinen Sinn, keinen Halt, keine Freude, kein Glück, keine Liebe... ich hasse dieses Leben.

Meine Liebe zum Schmerz wird mich irgendwann das Leben kosten, aber ich liebe Schmerzen. Warum nicht?

Leben bedeutet lieben,
lieben bedeutet leiden,
wenn du nicht leiden willst dann liebe nicht.
Aber wenn du nicht liebst, wofür lohnt es sich dann zu leben?

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Amy!

Ich fürchte, ich kann kaum etwas für Dich tun - außer versuchen, Dir Mut für einen Klinikaufenthalt zu machen. Wenn Du Dir Deine Mail noch einmal durchliest, findest Du dann einen guten Grund, Dir selbst diese Chance nicht zu geben und Dir selbst diese Hilfe zu verweigern? Hat die Angst davor wirklich eine Berechtigung und darf sie Dir so im Weg stehen?

Manchmal sind Ängste da, um uns zu schützen. Aber viele haben wir, weil wir am Überwinden wachsen und um uns selbst näher kommen. Ich denke, Deine Angst schützt Dich nicht. Also nehme die Herausforderung an.

In meinem Leben gibt es einige Menschen, die einen stationären Aufenthalt erlebt haben - niemanden von ihnen ging es schlechter. Nicht immer war es besser, nicht immer kam der Therapieerfolg, manchmal wurde ein zweiter und dritter Aufenthalt daraus; aber wie gesagt, ich kenne niemanden, der diesen Schritt je bereute.

All das, woran Du so leidest, was Dir das Leben zu einer Hölle macht, was Deinen Blick auf Dein Leben so negativ werden lässt, was Dich in den Schmerz treibt, kannst Du so bekämpfen. Für diesen Kampf kann ich Dir nur die fachliche Hilfe ans Herz legen. Bei Dir liegt es, ob Du diese Hilfe annimmst - oder ob Du die Gefühle und Dein Leben so belässt, wie es heute ist.

Alles Gute!
Dana