Problem von Anonym - 28 Jahre

Unsere kleine Familie

Hallo! Ich habe rein zufällig diese Seite entdeckt, und hab? beschlossen meine jetzige Situation hier zu posten.
Ich bin mittlerweile schon 28 und bin seit 2001 verheiratet. Meine Frau liebe ich sehr, sowie meinen 8 Monate alten Sohn, für den ich sogar sterben würde. Meine Frau sitzt seit Ende der Ausbildung zu Hause und sorgt für unseren Sohn. Ich besuche eine Wirtschaftschule, die mir von Agentur für Arbeit empfohlen wurde, weil ich immer noch Arbeitslos bin. Zurzeit streiten wir öfters als zuvor. Wenn wir darüber reden, kommen wir meistens zu keinem Ergebnis, obwohl wir wissen, dass unser Streit total unnötig war, weil es immer um irgendwelche Kleinigkeiten geht. Meistens fängt meine Frau den Streit an! Früher war das so, dass ich immer versucht habe sie zu beruhigen, und habe mit ihr darüber nicht geredet, weil ich kein ?Senf? dazu geben wollte. Mittlerweile weiß ich, dass das falsch von mir war. Denn, jeden Streit habe ich einfach ?verschluckt?, und habe es versucht in mir zu verarbeiten. Jetzt ist es anders, wir streiten beide. Meine Frau schiebt immer die Schuld auf unsere jetzige Situation, die wir haben. Wir wohnen seit einem Jahr in einer kleinen Stadt, wo man ohne Auto aufgeschmissen ist. Und ein Auto haben wir nicht! Ich bin stark sehbehindert(kam später), und bin auch etwas schwerhörig(von Geburt an), ich bin zu 100% behindert. Meine Frau ist auch sehbehindert, allerdings sieht es bei ihr trotzdem besser aus als bei mir. Deswegen sind wir auf öffentliche Verkehrsmittel oder meine Eltern angewiesen. Sie beschwert sich, dass in der Stadt keine Discos oder vernünftige Geschäfte zum einkaufen gibt, man muss immer mit dem Bus oder Zug woanders hinfahren. Noch mal umziehen kommt nicht in Frage, wir haben viel Geld in die Wohnung gesteckt, und für die Neue gibt?s nicht. Vielleicht in 5 bis 8 Jahren könnten wir dann in eine Großstadt ziehen. Das größte Problem ist jedoch, dass ich immer noch Arbeitslos bin. Mein Beruf (Bürokaufmann), den ich gelernt habe, war nicht mein Wunschberuf. Ich habe es gelernt, weil ich keine andere Wahl hatte. Mein Wunsch war im Handwerk tätig zu sein, ich habe auch 5 Monate Ausbildung zum Elektroinstallateur gemacht, bevor ich mitbekommen habe, dass ich an einer Augenkrankheit leide und abbrechen muss. Überall wo ich mich bewerbe höre ich nur absagen, nicht mal eine Einladung zum Vorstellungsgespräch oder zu irgendeinem Einstellungstest. Manchmal bin ich total verzweifelt, weil ich nicht weiß was ich sonst tun muss. Ehrlich, ich würde gerne gute Augen haben und als Kellner arbeiten, statt zu Hause zu sitzen und jeden Tag Stellenanzeigen durchblättern mit dem Gewissen, dass man als Behinderter sowieso abgeschrieben wird. Meine Frau möchte ich nicht verlieren, und sie mich auch nicht. Sie sagt, sie liebt mich sehr, ist aber momentan sehr unglücklich. Ich würde gerne einen ?Schuldigen? haben, der für all das verantwortlich ist! Ich würde ihn gerne fragen, warum das so ist! Ich würde ihm gerne ins Gesicht schlagen, um mich danach etwas besser zu fühlen!

Gruss
wolfgang

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Wolfgang!

Oh, einen Schuldigen hätten wir wohl alle manchmal gern. Aber den gibt es nun mal nicht für alle Situationen im Leben. Man kann nur versuchen, das beste daraus zu machen. Wie sagt meine Oma? Beschwert Dir das Leben saure Zitronen, mach süße Limonade draus.

Ich weiß zu gut, wie sehr Arbeitslosigkeit zermürben kann. Da entstehen eine Menge furchtbarer Gefühle. Die Kunst ist es, die nicht am Partner auszulassen. Immer, bevor man an die Decke geht, zwei mal durchatmen und sich bewusst machen, weshalb man so reizbar ist, weshalb jetzt dieser Streit da ist. Doch nicht wegen der vordergründigen Kleinigkeit.

Ich bin auch zu meinem Freund in so ein Dörfelein gezogen. Und ich sage Dir, ich habe geschimpft wie ein Rohrspatz. Der einzige Laden, den es gibt; hat nix, ich brauche auch immer das Auto. Und das braucht er aber auch, um zum Dienst zu fahren. Die Freizeitmöglichkeiten nenne ich mal vorsichtig 'eingeschränkt'.

Aber was nutzt das meckern? Nicht. Dadurch bleibt das Dorf das Dorf und die Wohnung bleibt auch, wo sie ist. Aber man kann dennoch so viel ändern.

Deine Frau muss doch diese Unzufriedenheit nicht aushalten. Ein Umzug ist nicht drin, das verstehe ich gut. Aber wenn ihr Kontakte fehlen, kann sie die doch schließen. Es gibt sicher noch mehm Mütter in diesem Ort. Man könnte sich zusammentun. Und was ist schlimm daran, mit Bus und Bahn durch die Welt zu fahren? Nichts. Man muss es nur annehmen und die Vorteile sehen: keine Benzinkosten, keine Parkplatzsucherei... man muss sich nur drauf einlassen. Wir fahren sogar lieber mit dem Zug in die Stadt als mit dem Auto. Vorallem, wenn wir abends noch los wollen.

Es ist einfach so eine innere Einstellungssache. Mit Nörgelei hat noch niemand was verändert. Dinge, die man nicht ändern kann, muss man annehmen. Das war schon immer so. Ich sehe inzwischen kein Problem mehr beim Zugfahren, sondern sehe, dass das Dorfleben auch Vorteile hat. Gerade für euch als Familie mit Kind. Guckt euch die guten Seiten an.

Deine Arbeitslosigkeit kann ich Dir nicht nehmen. Ich kann Dir nur sagen, verliere nicht den Mut. Bleib am Ball. Und vielleicht ist es ja eines Tages tatsächlich die Behinderung, die Dir einen Arbeitsplatz verschafft. Ich z.B. habe eine Stelle mal nicht bekommen, weil Behinderte mit gleicher Qualifikation vorgezogen wurden. Das gibt es überall. Auch wenn es Dir widerstrebt, der Mann für die Quote zu sein. Alles hat auch irgendwann sein Gutes.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute!