Problem von Sarah - 17 Jahre

Wenn es ganz schlimm wird, höre ich Musik...

Hallo liebes Kummerkastenteam
Wenn es ganz schlimm wird, höre ich Musik. Doch selbst Musik kann mich nicht ablenken. Dauernd sehe ich diese schrecklichen Dinge, die wie Puppen vor mir tanzen und sich über mich lustig machen. Dann sagen sie, ich sollte an Andy denken. Und Gott weiß das ich es tue. Jeden Tag, verflucht. Wenn er mir noch einen Tag geschenkt hätte, oder eine Stunde um ihm zu sagen, wie Leid es mir tut, und wie gerne ich an seiner Stelle gewesen wäre. Doch das habe ich nicht. Und jetzt ist Andy im Meer und im Wind und ist vielleicht sogar an meinem Körper, als ein Staubpartikel. Ich weiß es doch nicht. Oftmals, wenn ich nicht schlafen kann, weil die Gedanken kreisen, merke ich das die Angst kommt und das ich Gänsehaut bekomme. Gänsehaut, die sich über mehrere Minuten an meinem Körper hält. Und ich merke, dass kein Mensch auf der Welt mir helfen könnte, wenn er nicht das gleiche fühlte wie ich. Und dann möchte ich weinen, weil es mir dann vielleicht besser geht, und weil ich dann vielleicht müde bin. Aber umso mehr ich weine, umso schmerzlicher brennen meine Wunden. Und wenn es auch keiner verstand, weil wir uns fast nie gesehen haben, so war er mir doch so wichtig. Und als der Anruf dann um ca. 14 Uhr kam, wusste ich es sofort. Sönke guckte auf seine Uhr und ich wusste es. Ja ich wusste es ...Dieser Tag läuft jeden Tag vor meinen Augen ab und ich bin dankbar um die Stunden, an dem er es nicht tut. ER ist ja nun einmal weg und auch wenn ich schreien würde, würde er nicht wieder kommen. Seitdem ist alles auf einmal so schrecklich schlecht geworden, denn meine Mutter verschloss sich der Welt gegenüber...und ich tat es auch, und selbst wenn sie sagt ?Es ist besser so... oder ich will nicht an ihn denken?, so weiß ich doch das es ihr mehr weh tut als alles andere, was sie je empfunden hatte. Und ich bin so egoistisch, weil meine Gedanken im Fordergrund zu alledem standen. Und mein Schmerz der Schmerz von jedem war und mein Leid, das Leid von jedem anderen. Und die Tage verstreichen viel schneller als er uns alleine gelassen hat. Wenn es ihn noch geben würde, hätte er dann nicht aufpassen können und unsere Familie kitten können. In irgendeiner weise.
Und jetzt, wo die Depression wieder unwiderruflich in mein Leben gekommen sind, ist es schwer für mich es anderen Menschen zu verzeihen. Denn die Angst in der Nacht und die Angst vor jeder wachen Sekunde ist da. Wie Schreckgespenster kommen sie und legen sich auf dem Sofa breit. Und wenn ich dort sitze, berühren sie meine Seele und halten mich. Sie sorgen dafür, dass es mich schauert und dafür, das mein Herz schneller schlägt. Dafür das ich Menschen verachte und versuche mich in eine Opfer Rolle zu postieren, damit man mir sagt, was ich nicht hören will. ?Es wird schon wieder?, und Fakt ist, das nichts mehr wird wie es einmal war. Und was jetzt kommt, ist es besser oder schlechter? Und wenn ich dann Bücher lese, indenen es um Leid geht, frage ich mich, ob sie jemals wirklich gelitten haben? Und dann denke ich an die Zeiten, für mich, in der Grundschule und ich schäme mich. Denn all mein Leid, war genauso irrelevant wie das von Romanfiguren. Das einzige Leid welches real ist, ist das Leid das ich empfinde, wenn die Nacht in mein Fenster scheint. Und alles dunkel ist. Wenn ich nicht in jede Ecke meines Zimmers sehen kann ohne von dieser Depression berührt zu werden. Wenn ich etwas berühre, das danach zu staub verfällt und das Licht einschalte, und merke, das es nie da war. Das die Berührung nur meine eigene Angst war, die mich zusammenfahren ließ. Es ist alles so unklar in meinem Kopf. Und ich will nur das alles verschwindet... Ich habe Angst vor meiner neuen Schule. Angst davor, dass alles wieder so wird wie früher. Das ich Angst habe zur Schule zu gehen, weil dort die schlimmsten Stunden des Tages auf mich warten. Oh Gott und ich will nicht lethargisch werden...denn es tut mir nur weh. Und dann will ich es auch. Ich will, das man mir weh tut..und das will ich nicht. Ich will meine Ruhe haben, um meine Familie und meiner Gesundheit wegen. Und was hat das jetzt alles mit Andy zu tun? Tja, Andy hätte sich geschämt, denn er hat trotzallem immer weiter gemacht. Er hätte sich im Grabe umgedreht, wenn er eins hätte. Und wenn jemals etwas in meinem Leben da war, was mich immer glücklich machte, dann war es die Gabe zu schreiben und zu singen und andere damit glücklich zu machen. Aber wenn niemand ließt was du schreibst, und niemand hört was du singst, wen solltest du dann glücklich machen? Und wenn man es als Metapher sieht, dann war ich ganz schön alleine... denn niemand las aus meinem Gesicht, den Schmerz. Und niemand hörte mir zu, wenn ich meinen Schmerz öffnete. So bleib ich lieber still und schreibe, um vielleicht mich glücklich zu machen... Und doch...eigentlich bin alleine und ich weiß nicht. Habe mir jetzt eine schlafablette eingeworfen , damit ich nicht mehr träumen muss.....ich weiß nicht ob ihr versteht was ich sagen will. Ich hoffe nur, das ihr mir einen Ratschlag geben könntet, und mir vielleicht helfen...

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Sarah!

Ich kann aus Deiner Mail eine schreckliche, allumfassend Trauer erfassen; ein ungeahnt tiefes Leid und eine Einsamkeit - aber leider bekomme ich die Situation, nicht heraus, die Dich hineingestürzt hat. Es geht um Andys Tod? Ein Bruder? War er krank?

Mit dem Tod gehen die Menschen unterschiedlich um - die einen tragen den Verlust und die Traurigkeit still für sich; anderen hilft es, die Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen, sich mitzuteilen und anzulehnen. Ich selbst gehöre zu der letzteren Gruppe; und ich habe damals eine ganze Zeit gebraucht, um zu begreifen, dass es so ist. Wollte mich eingraben, niemanden sehen, niemanden hören, einfach die Zeit vergehen lassen und nichts tun. Denn jeder Atemzug und jeder Gedanke tat mir weh; jeder Moment der Normalität hat mir aufgezeigt, dass diese Normalität so plötzlich anders geworden ist - und genau das wollte ich nicht spüren.

Aber ich musste - und rückblickend hat es gut getan. Den Schmerz in vollen Zügen zulassen, ihn teilen, sich mitteilen, bedeutet eben auch, ihn anzupacken, zu verarbeiten. Das heißt nicht, dass Du ihn vergisst - aber er verändert sich.

"Nicht mehr unglücklich, dass er fort ist... sondern glücklich, dass er da war" - das wurde mein Ziel. Und ich habe es erreicht. Heute kann ich mit einem Lächeln von ihm erzählen, an ihn denken, ihn nah haben und mich einfach freuen, dass ich diesen Mann in meinem Leben haben durfte. Das wünsche ich Dir auch.

Ich möchte Dir noch einen Link geben; eine Antwort von mir zum Thema Tod und Vermissen und ich hoffe, es wird Dir ein Stück helfen:

http://mein-kummerkasten.de/150254/Vermisse-meine-Eltern.html

Alles Liebe, Kraft und Mut!
Dana