Problem von anonym (w) - 22 Jahre

Reden geht nicht

Ich weiss echt nicht mehr was ich tun soll. Ich kann nicht mehr mit meinem Freund reden, ich will nicht das er ein schlechtes Bild über meine Mutter hat, denn lieb habe ich sie schon. Und helfen kann er mir sowieso nicht.
Wo ich anfangen soll, das ist auch nicht einfach. Vielleicht einfach, dass ich nicht mehr weiter weiss, wie ich mit meiner Mutter auskommen soll. Das schlimmste daran, dass ich nicht einmal mit ihr reden kann. Sie ist wie ein kleiner Hausdrachen, dessen Meinung, Ansicht, ... man teilen muss. Ich habe schon mehrmals versucht mit ihr zu reden, aber sie sieht sich als Opfer unserer Familie.
Hat sie schlechte Laune, so müssen alle diese Laune haben und wehe man hat diese nicht, so ist man nach ihrer Ansicht respektlos. Aber wieso muss ich meine Laune ihr unterwerfen?
Am liebsten lässt sie ihre Sorgen an mir aus. Das beste Beispiel ist von letztes Jahr, es war für mich so schlimm, dass ich es bis heute noch nicht verdauen konnte:
Am Morgen bin ich aufgestanden und habe gehört, dass meine Mutter einen Streit mit meiner Tante hatte, weil diese ihr nicht dankbar war, was meine Mutter alles für sie getan hat in früheren Zeiten. Sie nannte sie arrogant, zickig,... An diesem Morgen hörte ich mir sie an und wollte sie ein wenig aufheitern und wurde derarts beschimpft, wie ich es noch nie in meinem Leben von meiner Mutter gehört habe. Ich sei eine giftige Tochter, mein Freund würde noch schnell genug merken, was für eine falsche Schlange ich sei und und und... Ich sagte ihr noch, dass sie ihr Kummer nicht an mir auszulassen hat, doch das wurde nur noch schlimmer. Mein Vater tat nichts, hörte nur zu, bewegte sich keinen Milimeter. Er hat mich sehr enttäuscht. Er gibt ihr auch in allem Recht: Fährt ein VW Golf durch und meine Mutter sagt es sei ein Ferrari, so würde er es bejahen als Autofreak, um sie zufrieden zu stellen und eine allfällige Diskussion zu entkommen.
An diesem Tag habe ich praktisch nur geweint, mein Freund holte mich dann ab und ich verbrachte den Tag tief verletzt bei seiner Familie. Ich wollte nicht mehr nach Hause, doch irgendwenn musste ich gehen. Zu Hause angekommen habe ich seit diesem Tag noch nie ein "Entschuldigung" gehört, dieser Tag wurde als ein "normaler" abgehandelt. Niemand sprach mehr was geschehen war. Aber vor einer Entschuldigung ihrerseits warte ich immernoch. Ich bin sehr von ihr Enttäuscht worden, vor allem wenn man bedenkt, dass ich als Kind meine Mutter abgöttisch geliebt habe. Aber dieser Vorfall hat mich zu tiefst geschockt, und vor allem verletzt. Ich sehe sie seit diesem Ereignis mit anderen Augen und sehr vorsichtig was ich sage oder tue.
Ich fühle mich sogar wie in einer kleinen Tyrannei, in meinem eigenen Zuhause. Ist das nicht traurig?
Ich habe verständnis für sie, da sie schon vor über drei Jahrzehnte ihre Arbeiststelle aufgegeben hat, um eine Familie zu gründen und nun keine Chancen mehr sieht neu einzusteigen. Ich habe oft das Gefühl, sie sei traurig, deprimiert und und und. Aber sie gibt uns wie die Schuld, dass wir sie soweit gebracht haben. Auch wenn sie immer wieder sagt, sie sei stolz auf uns und würde es wieder tun, weiss ich zum Teil nicht inwieweit ich ihr das glauben soll.

Nun habe ich ein alltägliches Problem, dass ich mit Reden mit Bestimmtheit nicht lösen kann:
Ich habe neu mit meinem Studium angefangen. Es ist sehr anspruchsvoll. Nebenbei habe ich wie schon erwähnt einen Freund, den ich auch gerne sehen würde und meine Freunde. Somit bin ich in einem ziemlichen Klintsch zum Teil. Sie ist eigentlich, so sagt sie es zumindest, sehr stolz auf mich, dass ich nun studiere.
Sie verlangt die ganze Zeit von mir, dass ich mit ihr den Haushalt bewältigen sollte. Mein Bruder (Liebstes Kind von Mami und Papi) darf auf die faule Haut liegen, Sprüche ziehen, sein Machogehabe präsentieren und am Besten nichts machen. Er gibt auch nichts von sich preis, er ist ein ruhiger Typ, der sich meiner Mutter kaum widersetzt und darum wahrscheinlich so beliebt ist bei meinen Elter.
Meine Schwester ist eher die Rebeldin, die sagt was sie denkt und ihr Kopf durchzieht. Auch wenn es zum Teil sehr naiv ist. Aus diesem Grund ist sie bei meinen Eltern auch "nicht sehr beliebt".
Ich hatte lange die Strategie: ruhig bleiben, kopf nicken, irgendeinmal werde ich nicht mehr unter diese Tyrannei leben müssen und es in meiner Familie besser machen. Aber ich kann nicht mehr. Nach Ansicht meiner Eltern muss ich alles machen, was meine Geschwister nicht machen müssen: Isst mein Freund bei uns zum Nachtessen, so muss ich ihr helfen, er darf mir zu sehen wie ich ihr helfen muss. Weiter reklamiert sie dass ich ihr nicht helfe, wenn er kommt, denn sie sieht sich nicht als Sklavin für mich zu kochen. Das hat auch niemand behauptet. Aber wenn sie doch für sich und ihre Familie kocht, so kann sie es auch für uns machen oder nicht?!
Isst die Freundin meines Bruders oder meiner Schwester bei uns, ist dies kein Problem und die besten Menüs werden mit Leichtigkeit angefertigt.
Das Schlimmste daran ist ja noch, dass sie das alles was ich mache nicht geschätzt wird. Gelobt wird nämlich nur der geliebte Sohn der nicht einmal den Finger rührt. Ich werde als aggressive, respektlose, faule Tochter abgestempelt und was ich mache, das geht schnell verloren.
Gehe ich zu ihm nach Hause, so schicken seine Eltern ihn aus der Küche, er solle mit mir zusammen sein und auf gar keinen Fall helfen. Ich bin jederzeit bei ihnen willkommen, fühle mich auch wirklich als einen Teil von ihnen, denn dort werde ich so respektiert wie ich bin und ich darf auch frei sagen, ob das essen gut war oder nicht.
Nun sind seine Eltern dieses Wochenende eingeladen bei uns Nachtzuessen, nachdem sie diesen Sommer bei ihnen waren. Ich habe ihr schon erklärt, dass ich eine wichtige Arbeit zu schreiben habe und ich nicht genau weiss, wie es ist mit dem Helfen. Sie hat mich dann entsetzt angeschaut und gesagt, dass gehe nicht, ich hätte an diesem Tag keine Vorlesung und könne ihr helfen. und das sie nicht für so viele Leute auf einmal alleine kochen könne. Ich weiss einfach nicht was ich machen soll: Entweder ich helfe ihr, die Arbeit und der Freund und und und kommt zu kurz, und innerlich werde ich so wütend sein, oder ich helfe ihr nicht, habe ein schlechtes Gewissen, weil ich die Konsequenzen kenne (sie wird mich ignorieren, sauer sein, und natürlich bleibt es in ihrem Hinterköpfchen) oder eben Angst habe noch einmal so verletzt zu werden wie an diesem entsetzlichen Tag.
Oder auch im allgemeinen weiss ich nicht mehr was ich machen soll. Ich halte es nicht mehr so lang aus. Mein Studium geht noch mindestens fünf Jahre und das ist nicht gerade wenig, um etwas auszuhalten, dass so schwer ist.

Vielleicht können Sie mir helfen was ich da am Besten machen soll. Aber es ist nicht zu vergessen, dass man mit ihr einfach NICHT reden kann ohne gleich "beschimpft" zu werden. Reden geht gar nicht, ich müsste irgendwie agieren!!!aber WIE????

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Es ist gar nicht so leicht, eine Antwort zu schreiben, wenn das Reden ausgeklammert ist. Denn durch das Reden findet man Kompromisse, kann den anderen verstehen und weiß, was er braucht, damit man selbst bekommen kann, was man sich wünscht. Auch, wenn Du ganz deutlich sagst "das geht nicht" gebe ich Dir einfach mal diesen Link:

http://mein-kummerkasten.de/121054/Nur-Stress-in-der-Familie.html

Vielleicht schafft ihr es ja doch irgendwie, so eine Wunschrunde in der Familie zu organisieren. Manchmal funktionieren Dinge besser, als man es erwartet.

Du möchtest agieren? Ich fürchte, meine Antwort dazu wird Dir weniger gefallen - aber es ist der Weg zur Veränderung, den ich mir vorstellen kann.

Du sagst, Du bekommst sehr selten ein Lob von Deiner Mutter (obwohl ich finde "Ich bin stolz auf Dich" ist eines). Bekommt sie Lob und Anerkennung? Das ist etwas, was wohl vielen Hausfrauen / Müttern sehr fehlt. Geht man arbeiten, bekommt man die Anerkennung quasi schon auf das Konto überwiesen. Hört sie von euch, dass sie ihre Arbeit wirkich toll macht? Meine Mutter sagt immer "Hausarbeit sieht man nur, wenn sie nicht gemacht ist" - und sie hat recht. Jeder sieht Spinnenweben an der Zimmerdecke, den nicht gemachten Abwasch usw. Aber wer richtet sein Augenmerk wirklich auf die Arbeit, die gemacht ist und spricht mal aus, dass es gut ist? Vielleicht hilft Dir das, Deine Mutter ein Stück zu verstehen (ich habe darüber oft und lang in den letzten Jahren mit meiner gesprochen).

Deine Mutter fordert Hilfe ein, bekommt sie und doch sagt sie, sie bekommt sie nicht. Woran könnte es liegen? Ich denke nicht, dass Deine Mutter einfach ein schlechter Mensch ist, der immer mehr will und alle um sie herum absichtlich treffen und verletzen will, oder? Vielleicht ist die Hilfe und Entlastung für sie nicht so spürbar? Du könntest ihr dann und wann anbieten, selbst das Essen (ggf zusammen mit Deinem Freund?) zu machen. So hast Du gemeinsame Zeit mit Deinem Freund und eine entlastete und entspannte Mutter. "Heute wirst Du bekocht" lässt meine Mutter für einen Moment verwirrt gucken und dann blitzen die Augen sehr froh.

Ein Wiedereinstieg in den Beruf ist schwierig für Deine Mutter - aber wirklich so unmöglich? Ob Du sie dabei irgendwie unterstützen könntest? Ich denke, eine andere Tagesaufgabe als der Haushalt würde sie auch verändern und gelassener werden lassen. Vielleicht kommt auch eine ehrenamtliche Tätigkeit in Frage? Menschen blühen oft auf, wenn sie eine Aufgabe haben, die Lob, Anerkennung mit sich bringt und nicht nur in den eigenen vier Wänden stattfindet.

Im Grunde ist es nicht Deine Aufgabe, das Leben Deiner Mutter zu gestalten und zu füllen. Aber sie selbst scheint es nicht zu machen und zu schaffen. Ich denke, sie darin unterstützen kann helfen und würde euch auch zusammenschweißen.

Der 'schreckliche Tag' hängt Dir nach wie vor in den Knochen. Um das zu verdauen, kenne ich wirklich nur den Weg, ihn noch einmal zum Thema zu machen. Zu erklären, wie es Dir seit dem oft geht, was Du fühlst, was diese Beleidigungen ausgelöst haben. Manchmal geht es wirklich nicht in einem persönlichen Gespräch und dann rate ich gerne, einfach einen Brief zu schreiben.

Alles Gute!
Dana