Problem von anonym (m) - 19 Jahre

Meine Eltern erkennen mich nicht an!

Hallo,

ich würde gerne euren Rat in folgender Sache haben:

Zu meiner Person:
Ich bin 19 Jahre, besuche das Gymnasium, ich bin ein durchschnittlich guter Schüler mit einem Zeugnisdurchschnitt von 2,7 und Mathe und Informatik LK.
Ich interessiere mich für Elektronik und insbesondere für Lautsprecherbau.
Ab nächsten Semester möchte ich E-Technik in Bochum studieren.
Meine Eltern leben von unseren Immobilien, sodass mein Vater nicht mehr arbeiten braucht und ist damit eigentlich immer zu Hause ist.

Soweit so gut.. eigentlich klingt das ja sehr gut, werdet ihr vielleicht sagen, aber jetzt kommen wir zu meinem Problem

Es ist völlig egal, was ich mache, aber ich werden den Ansprüchen meiner Eltern (insbesondere meines Vaters) nicht gerecht! Und das bekomme ich fast täglich zu spüren. Man muss sagen meine Eltern sind eigentlich "normale" Leute, mit Volksschulabschluss (wie es früher wohl üblich war) und normalen Berufen. Beide haben es in ihrer Berufszeit zu etwas gebracht und sind in Positionen aufgestiegen, die eigentlich über ihrem Ausbildungsstand lagen.
Sie sind außerdem sehr konservativ, was die Lebensführung angeht (Ordnung/Ansehen & Ruf sind ihnen wichtig).
Ich hingegen bin sozusagen der "Ausreisser" der Familie, weil ich bald studieren will. Das Problem an der Sache ist, dass es meinen Eltern schier unmöglich ist mich zu verstehen, wie mir scheint. Meine Schule hat mich (charakterlich) ziemlich beeinflusst glaube ich. Ich interessiere mich z.B. sehr für Philosophie, was meine Eltern nicht nachvollziehen können, weil sie wohl denken das wäre alles nur geschwätz und hat weder Hand noch Fuß. So geht es mit vielen anderen Dingen auch und wir streiten uns ständig wegen scheinbar banalen Dingen, z.B. hat mich mein Vater neulich angefahren, weil ich mich nicht für die Bedienung unserer digitalen Heizungsanlage interessiert habe, was er dann mit dem Satz "du interessierst dich nur für Dinge, die dich interessieren!" abtat. Ich frage mich dabei ehrlich gesagt, welcher 19 jährige sich bitteschön für die Bedienung von Heizungsanlagen interessiert. Ein anderes Beispiel ist, dass die Nummernschildbeleuchtung meines Autos seit kurzem kaputt ist und mein Vater mich abermals anfuhr, weil ich nicht wusste, wie ich das selbstständig reparieren konnte.
So geht es mit vielen alltäglichen Dingen. Es scheint mir als fehlte ihnen vollkommen das Verständnis, dass ich viele Dinge, die für sie selbstverstänlich sind noch nie gemacht habe und nicht weiss und sie auf der anderen Seite viele Dinge, die für mich selbverständlich sind, nicht verstehen.
Sie haben sich aber auch nie darum gekümmert mich an diese Dinge heranzuführen muss man sagen.

Ich leide stark darunter, weil ich ständig das Gefühl hab keinerlei Anerkennung von ihnen zu erfahren. Meine Hobbies regen sie auf, weil ich damit angeblich später nichts machen kann (wobei ich mich frage, ob Hobbies unbedingt für das spätere Einkommen relevant sein müssen).

Reden hat leider auch keinen Zweck, das versuche ich bereits seit vielen Jahren und immer wenn ich ankomme heisst es "Das stimmt ja gar nicht" und damit ist die Sache für sie erledigt, egal welche Argumente ich hervorbringe.

In Bezug auf meine Schwester sieht ihr Verhalten ganz anders aus.
Sie besucht die Realschule und ist 15 Jahre alt und macht eigentlich all die Dinge, die man "klischeehaft" mit einer 15 jährigen verbinden würde, also: shoppen, Freunde treffen, shoppen, musikhören, shoppen usw.

Sie möchte später Hotelfachfrau werden und macht bald ihr Praktikum im edelsten Hotel der Stadt. Dass der Beruf ungefähr genauso bezahlt wird wie der des Baggerfahrers scheint dabei keine Rolle zu spielen, im gegenteil mein Vater meint "es wäre schön zu sehen, dass sie in die Gastronomie geht" (meine Familie hat eine Gastronomievergangenheit seit 1768; mein Vater ist der erste, der kein "Wirt" geworden ist).

Mein Wunsch Elektroingenieur zu werden (was ja momentan keine schlechte Perspektive ist) wird dagegen meistens mit einem "aha" oder "schön" abgetan.

Ich verstehe nicht, was ich falsch mache! Ich möchte eigentlich nur das Gefühl haben für sie nicht der "Sohn zweiter Klasse" zu sein..

Ich versuche sogar mich mit ihnen über die Vermietung unserer Grundstücke zu unterhalten, weil meine Schwester und ich diese später mal erben sollen, aber immer wenn ich fragen Stelle reagieren sie genervt, weil ich "sovieles nicht wüsste, was früher selbstverständlich war"

Wenn ich dann entgegne, dass sie dafür noch nie Goethe oder Schiller gelesen haben und auch nicht wissen, wie man die Nullstellen eines gebrochen rationalen Polynoms berechnet heisst es nur, dass man das ja auch niemals brauchen würde.

Mein Selbstbewusstsein leidet wirklich stark darunter und ich glaube, dass die "Liebesunfähigkeit" meiner Eltern auch viele meiner sonstigen Probleme verursacht (Übergewicht/ständige Nervosität). Das führt sogar so weit, dass die letzte "menschliche Nähe", die ich erfahren habe nunmehr 9 Jahre zurückliegt und ein "Gutenachtkuss" meiner Mutter war.
Eine Freundin finde ich auch nicht , zum einen liegt das wohl an meiner Figur, aber vorallem, weil ich mich unterbewusst ständig als Versager fühle.

Wenn ihr irgendeinen Rat habt BITTE, BITTE lasst es mich wissen, ich kann und will so nicht weiterleben.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Ein Satz ist mit besonders ins Auge gefallen: "mein Vater ist der erste, der kein "Wirt" geworden ist" - ob er auch Stress und Ärger mit seinem Vater deshalb hatte? Ob sich Dein Vater auch abgelehnt gefühlt hat, weil er seinem Leben eine andere Richtung geben wollte? Ich will damit das Verhalten Deines Vater nicht entschuldigen oder rechtfertigen, aber vielleicht macht das für Dich die Situation ein Stück verständlicher? Nun könnte man sagen, gerade weil er es ggf so erlebt hat, sollte er doch anders handeln. Aber wir können so oft nicht aus unseren Schuhen und handeln oft unbewusst, wie es uns vorgelebt wurde.

Und noch etwas ist mir aufgefallen: eure Gespräche sind Vorwürfe. Jeder wirft dem anderen das Verhalten vor die Füße und der soll dann wissen, was er besser machen kann. So funktioniert es aber leider nicht. "Du interessierst Dich nicht!" - "Du auch nicht für...!" Gesprächende und keiner weiß, wie es dem anderen geht, was er sich im Grunde wünscht, wo das eigentliche Problem liegt.

Ich weiß, wie schnell man so reagiert und wie schnell man in die Verteidigungspostion geht. Vorwürfe führen zu Gegenvorwürfen, zu Streit und auch zu Blockaden. Aber gerade deshalb sollte man aus diesem Kreis aussteigen und tief durchatmen, bevor man reagiert. Nicht mit erneutem Vorwurf, sondern auf den Vorwurf. Ihn klären, sagen, wie es gerade ankommt, was es auslöst.

Wenn man Dir vorhält, dass Du Dinge nicht weißt, die für Deine Eltern eine Selbstverständlichkeit sind, reagiere nicht mit dem gleichen Verhalten (da haben wir übrigens noch einmal das mit dem Handeln, wie es vorgelebt wird). Kein: Du weißt auch vieles nicht, was ich für Selbstverständlich halte, sondern die Erklärung, warum Du es nicht weißt. Vielleicht auch, dass Du es gerne erklärt haben möchtest (wenn es so ist).

Ich denke, so werdet ihr euch mit der Zeit auch wieder annähern. Und ein Lob, weil Du Dein Auto reparieren konntest, wird dann ggf auch folgen.

Um Dich selbst auch zu stärken, lobe Dich selbst dann und wann. Ich weiß, das ist nicht das gleiche, aber schau hin, was Du kannst, erreichst, machst, was Dir gut tut.

Alles Gute!
Dana