Problem von anonym (m) - 25 Jahre

Schwule Dategeschichten - Verlegenheit oder mangelnde Chemie?

Hallo :)

Ich habe ein Problem, mit dem ich alleine nicht weiterkomme, daher hoffe ich hier auf Hilfe :)

Zu mir: Bin männlich, 25 Jahre alt und schwul.
Eigentlich bin ich ein liebenswerter, netter, freundlicher und modern eingestellter Mensch, der vieles nicht so eng sieht.
Bisher konnte ich mit niemandem über dieses für mich recht aktuelle Thema sprechen, aber es beschäftigt mich seitdem ständig, was schon ungewöhnlich ist für mich. Zumal die Thematik über die ich so grübele mich sonst nie beschäftigt hat.

Ich hatte vorgestern ein Date mit einem netten jungen Mann, wir kannten uns aus dem Internet (gayromeo, ein typisches Schwulen-Kontakt-Portal im Internet, wo es entgegen vieler Behauptungen nicht nur um Sex geht, sonder auch darum einfach andere Schwule kennenzulernen), wir hatten dort immer sehr ausführlich und ausgiebig gechattet, schienen intellektuell und was unsere Moral- und Anstandsvorstellungen angeht übereinzustimmen und es war wirklich immer ein sehr angeregter und umfassender Chat egal zu welchem Thema und auch meinungsmäßig schienen wir übereinzukommen und auch auf einer Wellenlänge zu sein - intellektuell gesehen.
Das schätzte ich an ihm, dass er eben auch nicht so oberflächlich war wie sehr viele andere und in der oberflächlichen, virtuellen Welt, wo das Meiste am Aussehen fest gemacht wird, durch seinen Intellekt als Ausnahmeerscheinung wirkte.
Gerade in der sehr oberflächlichen Schwulenwelt, besonders in gayromeo, war er nach langen Durststrecken eine angenehme Erscheinung.
Zumal ich sonst bisher die extreme Erfahrung gemacht habe aufgrund meiner Individualität von 90% der Schwulen, besonders die Gleichaltrigen, verschmäht und mit Desinteresse behandelt zu sein. Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht in das Mainstream-"Wunschbild" der Schwulen passe.
Ich sehe das mit den Zurückweisungen durch die Kerle alles zwar mittlerweile nicht mehr so eng, weil ich mit mir selbst im reinen bin und mich so mag und akzeptiere wie ich bin. Dennoch ist das ein Grund dafür wieso ich sonst so gut wie keine Jungs kennenlerne. Viele sind einfach zu oberflächlich und ich komme erst gar nicht großartig mit jemandem in Kontakt weil viele aufgrund der Oberflächlichkeit meistens gleich abblocken.

Sowohl er als auch ich wollten uns also dann einmal live kennenlernen (seine Aussage in einer seiner Mails war z.B. auch "Schade, dass du so weit weg wohnst, sonst hätten wir uns sicher schon mal sehen können").
Viel Dateerfahrung in dieser Hinsicht hatte ich noch nicht, eigentlich gar keine. Es war überhaupt schon mal fast ein Wunder für mich, dass es da einen jungen Kerl gab, der nett war und Interesse an einem Kennenlernen zu haben schien. Bisher hatte ich Schwierigkeiten überhaupt mal mit einem Kerl in Kontakt zu kommen.

Nun haben wir uns vorgestern das erste mal live getroffen, wir hatten vorher ausschließlich gechattet. Ich musste ein wenig fahren, er wohnt von mir eine Stunde mit dem Zug entfernt, aber das war für mich kein Problem, die Zugverbindung ist ok.
Wir sind dann in ein nettes italienisches Lokal etwas Essen gegangen und anschließend nach einem kleinen Fußmarsch noch woanders was trinken gegangen.

So gesprächig wie es vom Chat her schien, war es jedoch live nicht wirklich. So angeregt wie es im Chat war, schien es live nicht zu sein. Beim Laufen, beim Warten auf die U-Bahn oder beim Verzehr der Pizza herrschte eine irgendwie peinliche Stille, ich hatte den Eindruck sowohl er als auch ich suchten oftmals nach Möglichkeiten der Konversation, es gab dann vereinzelt sowohl von ihm als auch von mir immer mal wieder Versuche die stockende Konversation wieder ins Laufen zu bringen. Manchmal gelang dies, manchmal aber auch nicht.
Erst in dem anderen Lokal, wo wir nach dem Essen noch was trinken waren, schien die Konversation ganz allmählich etwas umfassender zu werden und etwas flüssiger zu laufen.
Es wurden von ihm später auch etwas "brisantere" Themen, wie das Internetportal gayromeo über welches wir in Kontakt kamen, seine Erfahrung mit den Kerlen und ähnliches angesprochen, er erzählte eine z.B. Geschichte wie er sich mit einem Kerl verabredet hatte und in seiner anfänglichen Naivität seine Adresse rausgab. Die Umstände erforderten es, dass er an der Klingel sein Namensschild austauschte, weil er durchaus berechtigte Angst hatte, dass der Typ ihn aufsuchen würde und auflauern würde.
Dennoch war die Angeregtheit, die vom Chat her zu erwarten gewesen wäre, nie so wirklich da, so zumindest mein Empfinden.

Beim Warten auf die U-Bahn zurück fragte er mich u.a. ob ich nachts nochmal online kommen würde. Wir machten dann aus noch mal online zu schreiben wenn ich zurück zuhause wäre. Dies taten wir zwar später auch, er fragte wielange ich noch auf meine Bahn gewartet habe und nachdem ich sagte, dass es noch ein wenig dauerte (fast 1 Stunde) fragte er mich was ich noch gemacht habe (Zitat aus seiner Mail: "dann mußtest du ja noch ne ganze weile warten, du ärmster, was hast du denn dann gemacht:-)?").
Aber nachdem dieses Thema abgehandelt war, war es das auch schon. Ich ging dann auch ins Bett, weil ich müde war, wünschte ihm noch eine gute Nacht - dies tat er dann auch.
Ich habe während des ganzen Abends auch auf seine Körpersprache geachtet, auch wenn ich nicht weiß wie man diese deutet bzw. was die einzelnen Körpersprachlichen Ausdrücke bedeuten.
Am Tisch bemerkte ich, dass er seine Arme & Hände oft unter dem Tisch hatte, sein Blick fiel immer mal wieder mir zu, schweifte dann aber verlegen, etwas scheu oder undefinierbar ab, als wolle / könne er mich während der Gesprächspausen nicht ständig ansehen.
Während des Gespräches jedoch hielt er fast konstant Augenkontakt mit mir.

Der Abschied fiel etwas unbeholfen und flott aus.
Er stieg eine Station eher aus als ich, weil er dort gleich in seine U-Bahn umsteigen konnte.
Er beabsichtigte mich noch bis zum Bahnhof zu bringen. Wir kamen aber überein, dass es praktischer sei, wenn er gleich umsteigen würde. Es war ja auch schon relativ spät (unser Treffen hatte um kurz nach 7 begonnen und da war es dann schon kurz nach 11), von daher wollte ich auch nicht, dass er dann noch ewig in der Stadt unterwegs ist, zumal er sicher auch müde sei oder am Tag darauf früh raus müsste.
Er sagte mir "Komm gut heim", worauf ich entgegnete "Ja, danke, komm du auch gut heim" und ihm fielen merklich kaum noch andere Worte ein, also sagte er "Jo, dann lesen wir uns ja nachher". Er verabschiedete sich und huschte blitzschnell aus der Bahn.
Das "Date" war insgesamt nicht wirklich schlecht, aber auch kein Hammer. Vielleicht sind wir beide auch mit anderen Vorraussetzungen oder Erwartungen an das Date gegangen...

Allein vom Zeitlichen her betrachtet war es kein Flop - wir haben etwas mehr wie 3 Stunden miteinander verbracht. Aber allein die Zeit als Indiz für "Erfolg" oder "Misserfolg" zu betrachten, wäre wohl ein Trugschluss in diesem Fall - oder?

Hatte das Ganze etwas mit Verlegenheit zu tun (z.b. weil man sich das erste Mal sah) oder doch damit, dass die Chemie nicht so ganz 100%ig stimmig war?
Sind Gesprächspausen oder eine "peinliche" Stille normal wenn man sich das erste Mal live trifft?

Seit dem Date mit ihm weiß ich gar nichts mehr...
Ich bin unsicher diesbezüglich, weiß noch nicht mal wirklich ob ich das Date als gut oder schlecht oder mittelmäßig verbuchen soll, weiß noch nicht mal ob es überhaupt als "Date" bezeichnet werden kann.
Ich könnte ihn zwar direkt darauf ansprechen ob / wie ihm unser Treffen gefallen habe bzw. sagen, dass es hoffentlich für ihn nicht zu langweilig war. Aber aus Angst vor einer enttäuschenden Antwort traue ich mich dieses nicht, weil ich wirklich schon genug enttäuscht worden bin und endlich auch einmal etwas positives erleben möchte was Jungs angeht - positiv in dem Sinne dass mein Interesse an einem jungen Mann auch einmal erwidert wird, und ich nicht ständig der bin, der in die Röhre guckt wenn es um Jungs geht.
Ich will sowas zwar nicht auf Teufel komm raus, wenn es irgendwann mal soweit ist - prima. Wenn es nicht eintrifft, ist es zwar auch nicht schlimm.
Aber auf Dauer ist es ab und an schon etwas frustrierend und schade, dass ich nicht auch mal zum Zug komme.
Ich verstehe nicht, wieso ich mir überhaupt so einen Kopf mache.

Ich bin überr eure Ratschläge und eure Hilfestellung sehr dankbar :)

Liebe Grüße

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Du hast Dir aus diesem Treffen eine Menge erhofft, nicht wahr? Hast ggf schon kleine Tagträume gehabt, wie es weitergehen kann? Der Mann, mit dem Du so lang gechattet hast, scheint Dich schon sehr berührt zu haben. Ich spreche absichtlich nicht vom Verlieben; denn das hast Du auch nicht und ich vermute es so auch nicht. Da war einfach der Wunsch, dass es wirklich richtig gut läuft. Und dann dieser Stolperstein.

Ich selbst empfinde es als nahezu normal. Mich hätte es mehr verwundert, wenn es weiterhin so glatt liefe; sicherlich würde es mich für jeden feuen; aber ganz so glatt und problemlos läuft es in der Liebe nun mal selten. Und gerade dann, wenn es wie bei euch beginnt.

Beim Chatten fühlt sich jeder sicher; Distanz ist da, man hat die sichere Umgebung, läuft in keine Gefahr - dann das Treffen. Plötzlich weicht die Sicherheit, da sind ein paar Augen, die auf einen schauen, da sind Betonungen, Gesten und aus einem Chat könnte etwas werden, was man sich wünscht, was aber eventuell auch schmerzen könnte. Ich denke, Du verstehst, wie ich das meine. Das Kennen bekommt einen neuen Charakter; ein neues Gesicht und mehr Realität - das darf auch verunsichern, oder?

Ich bin keine Freundin davon zu fragen "Wie hat Dir der Abend gefallen?", sondern halte es für richtiger, einfach zu erzählen, wie man es selbst fand und ggf auch nach einem zweiten Treffen zu fragen, bei dem dann die Unsicherheit auch schon kleiner sein wird.

Was zwischen euch noch wachsen und werden kann, wird die Zeit zeigen. Du bzw. ihr habt die Aufgabe, diese Zeit zu füllen. Mit Gesprächen, Aktivitäten, Gemeinsamkeiten - alles andere überlasst der Chemie und den kleinen Funken, die vielleicht schon beim nächsten Mal springen werden.

Alles Gute!
Dana