Problem von Anonym - 18 Jahre

Trauer für die Welt

Hey
Ich versuche mich kurz zu fassen (auch wenn ihr wahrscheinlich eh nicht antwortet :S):
Das ganze Leben ist total scheiße und ich lebe nur noch, weil ich meinem Bruder nicht durch Suizid weh tun will. Er ist nämlich der einzige Mensch den ich mag.

Eltern geschieden, lebe bei Mutter. Stiefvater (wie im Märchen) natürlich total behindert (im Sinne von unfassbar doof, kontrollsüchtig, aggressiv, ohne Leute mit Behinderungen diskriminieren zu wollen). Beide haben eher schlechte Jobs.
Mein Vater ist nett und auch intelligent, aber arm und arbeits- und erfolglos.
Somit hab ich kein "Vorbild" oder Menschen die mir irgendwas zutrauen würden und folglich Angst vor der Zukunft.

Ich bin irgendwann total unsozial geworden, schätze in der 9. Klasse, als mich meine "Freunde" plötzlich isoliert und gemobbt haben, was mich offenbar fast traumatisch aus der Bahn geworfen hat. Früher konnte ich noch naiv sein, inzwischen Misstraue ich allem und jedem, weil ich ja weiß, dass alle Menschen grundsätzlich schlecht sind.
Liebe gibt es in meinem Leben sowieso nicht, was nicht nur an meiner Einstellung sondern auch an meinem Aussehen liegt. Aber ich weigere mich mehr oder weniger bewusst mich anzupassen. Deswegen nur schwarze Kleidung (nicht etwa Gothic oder Emostyle oder so, einfach leer, schwarz, schmucklos), um auszudrücken wie unfassbar lächerlich der ganze Modekult ist.
Ich bin dünn, was bei Männern bekanntermaßen schlecht aussieht. Für Sport zu faul, und zu essen hilft mir nicht beim Zunehmen (jeden Tag 10000 Kalorien, 2 Wochen lang, 500g abgenommen :S). Trotzdem ist Essen immerhin ne Beschäftigung. Und es lenkt mich von permanenten Bauchschmerzen ab.
Essen und Musik sind daher ungefähr die einzigen Dinge auf der Welt, die ich mag.

Mein Problem ist hier wohl, dass ich selbstbewusst bin, mir also bewusst ist, dass ich schlecht aussehe, über das geistige Niveau eines trotzigen Kindes kaum hinauskomme und das akzeptieren kann, weil ich Menschen eh nicht sonderlich mag (und dennoch das Grundbedürfnis nach Liebe, Zuneigung Anerkennung usw. nicht problemlos unterdrücken kann).
Auch sonst scheinen alle Menschen um mich herum, mich eingeschlossen, irgendwie geistig behindert zu sein.
Bsp: Leute sind unpolitisch (!). In ner Demokratie. Gehts noch dümmer?

Andererseits kann mans fast verstehen. Die Volksparteien werden alle von der Wirtschaft gesteuert, die Radikalen sind ja eh doof. Und wenn man wählt machen die Koalitionen nach Belieben.

Menschen in der ganzen Welt werden ausgebeutet, quasi versklavt und wir sitzen hier und bilden das Fundament dafür. Man hätte mit Sicherheit etliche Krankheiten längst ausrotten können, aber was macht dann die Pharmaindustrie?
So krepieren hier und da mal ein paar Afrikaner, aber wen stört das schon? Und dann wundert man sich wenn jemand Amok läuft. OH MEIN GOTT 16 TOTE. Während ich das geschrieben habe sind bestimmt mehr als 16 Kinder verhungert.

Kriege, Genozide, Hunger, Armut, Unterdrückung, bewusste Zerstörung der Umwelt etc. nutzen wir, um die europäisch-amerikanische Vormachtsstellung zu behalten und predigen dabei Freiheit.
Die ganze Welt ist total krank. Wie soll ich mit dem Wissen glücklich sein?
Alles ausblenden (gibts funktionierende Drogen dafür?)und mich einfach über das Wetter freuen oder über kalorienarme Cola?


PS: Bah hab meinen Text nochmal gelesen, ich rede echt wie ein kleines, wehleidiges Kind. Also, bevor ihr sagt, dass euch mein Selbstmitleid ankotzt, merke ich das hier schonmal an :S Und selbst beim Mich-Kurzfassen hab ich versagt.

mfg

Anwort von Tatjana

Hallo!

Ich denke nicht, dass dein Text wie der eines kleinen wehleidigen Kindes klingt. In der Welt geht es schlimm zu und du setzt dich damit auseinander. Es gibt Leute, die das erfolgreich verdrängen können und sich über das Wetter freuen können.
Du gehörst nicht dazu, und das finde ich ehrlich gesagt gut. Du findest das ganze Leid furchtbar. Wieso setzt du dich nicht dafür ein, dass es anderen besser geht? Hast du schon einen Zukunftsplan? Du hast ja angemerkt, dass du Angst vor dem Kommenden hast. Was wäre wenn du dich einer Organisation gegen das Leid in der Welt anschließen würdest? Es gibt ja sehr viele unterschiedliche. Klar, du könntest sagen dass dadurch auch nicht Friede und Wohlstand überall einkehrt. Aber es ist ein Anfang. Die ganze Welt verbessern - das ist wohl nicht möglich, aber man kann klein anfangen und wenn in einem armen Land zehn Kinder mehr zur Schule gehen können und die Chance auf eine bessere Zukunft bekommen, dass ist das doch auch schon ein Erfolg.

Trotz allem solltest du ab und zu auch etwas Gutes in der Welt sehen, obwohl es dir sehr schwer fällt. Du hast deinen Vater und Bruder die du liebst. Und natürlich ist Suizid keie Lösung, nicht nur weil du damit Menschen weh tust, die du magst. Was ändert das an der Welt? Gar nichts. Jeder Mensch ist deshalb hier, um sein Bestes zu einer guten Welt beizutragen. Das Problem ist nur, dass sehr viele ihre Aufgabe sehr falsch machen. Du musst kämpfen und dann kannst du auch etwas erreichen.
Wozu brauchst du überhaupt ein Vorbild? Sei doch dein eigenes. Nimm dein Leben in die Hand, sodass du deinen Enkeln erzählen kannst, wie stolz du auf deinen Weg bist.

Sind Menschen wirklich von Grund auf schlecht? Ist dein Bruder oder dein Vater schlecht? Bist du schlecht?
Diese Einstellung ist einfach nicht richtig. Du wurdest enttäuscht und musstest viele schmerzhafte Zeiten durchmachen. Aber das heißt doch nicht, dass das immer so sein wird. Es gibt immer gute Freunde oder die Liebe deines Lebens, du hast sie eben noch nicht gefunden, aber das bedeutet nicht, dass du sie niemals finden wirst.

Du musst dich auch nicht anpassen oder mit der neuesten Mode gehen. Sei einfach du selbst. Mager oder nicht, das spielt doch keine Rolle! Sei froh dass man dich nicht durch die Straßen rollen muss:-)
Wenn anderen Leuten dein Äußeres nicht akzeptieren können, dann sollen sie sich von dir fern halten. Jemand, der DICH mag, wird sich nicht um deine Kleidung scheren.

Auch das Problem mit der Politik ist kein neues mehr. Aber auch hier sage ich: Mach etwas dagegen! Wie sieht es aus mit deiner Ausbildung? Mit 18 Jahren stehen einem noch so viele Türen offen!
Engagiere dich politisch, vor allem jetzt kannst du Jugendliche sehr gut erreichen. Oder für eine bessere Welt. Vielleicht würde dir auch ein Auslandsaufenhalt helfen. Mit verschiedenen Organisationen reist man auch zu den Gebieten, die man verbessern will.

Viel Glück für deinen zukünftigen Weg und vergiss nicht: Du darfst nie aufgeben - du bist nicht umsonst hier.
Tatjana