Problem von Anonym - 15 Jahre

Ich halt es nicht mehr länger aus zuhause

Hallo liebes Kummerkasten team,
ich weiß nicht mehr weiter!! Mein Leben ist zurzeit total aus der Bahn und ich weiß nicht wie ich es wieder einrenken soll. Mein Problem bezieht sich hauptsächlich auf meine Eltern, die mich nicht verstehen und akzeptieren wollen. Seit einigen Monaten hab ich mich ziemlich verändert (ist doch auch normal in der Pubertät) und das gefällt meinen Eltern nicht. Ich bin jetzt ein Punk und es gefällt mir gut, ich habe neue Freunde kennengelernt und hab auch sonst viel neues entdeckt und erfahren.
Meine Mutter ist aber gegen alles. Sie will das ich mich nicht mehr mit meinen Freunden (darunter auch meinem Freund) treffe. Sie hat schon mehrfach die Polizei eigeschaltet wenn sie erfahren hat das ich bei ihnen bin.
Sie selbst sagt zu mir das wir keine Familie mehr seien, und das alles nur an mir liegt. Sie will mir alles verbieten. Wie ich mich anziehe, welchen umgang ich habe... usw.... und dann kommen auch immer wieder solche beschimpfungen wie z.B. "deinentwegen bring ich mich noch um" .....
Mein Bruder ist vor drei Jahren gestorben und seitdem werd ich andauernd mit ihm vergliechen.... weil er war ja das Traumkind ohnehin und ich bin im Vergleich dazu nur ein verdammt großes Stück dreck.
Ich hab echt vor abzuhauen, ich halte es nicht mehr aus hier.
Meine Eltern und ich haben jetzt seit ca. 4 Wochen nicht mehr miteinander geredet, und wenn dann nur so sachen wie "ich hasse dich", "red mich nicht an", "lass mich in ruhe".... usw.....
ICH HASSE MEINE ELTERN SO DERMAßEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ich will weg von hier, bitte helft mir, BITTE!!
mit lieben grüßen,
SuiCide

Anwort von Susi

Grüß Dich!

Es gibt einen ganz großen und schweren Kloß in Eurer Familie und das ist der Tod Deines Bruders.
Das ist ein ganz massiver Einschnitt in Euer aller Leben gewesen und ist es nachfolgend immer noch, wenn Ihr nicht gemeinsam einen Weg findet, das zu verarbeiten.
Du nimmst es natürlich anders war, bedingt durch die Pubertät bist Du verletzlicher, sensibler aber auch rebellischer als es Dir selbst vielleicht lieb ist, Du kannst an Deinen Gefühlen und Emfpindungen nichts ändern. Du bist ein Punk, das ist eine Ausrucksweise seiner Einstellung und ich glaube, dass es gar nicht das ist was Deine Eltern so stört. Sie haben schlicht und einfach Angst, Dich auch zu verlieren. Dass Du ständig mit Deinem Bruder 'verglichen' wirst ist in meinen Augen auch so ein wehmütiger Versuch, Dich vor dem zu behüten, was Deinem Bruder zugestoßen ist. Darf ich Dich mal fragen, wie DU mit dem Verlust Deines Bruders zurechtkommst?
Deine Mutter, Dein Vater, sie haben ein Kind verloren und erfahren wahrscheinlich von ihrer Umwelt wenig bis gar kein Verständnis, dass sie diesen Verlust noch nicht wegstecken. Die Zeit zum Trauern ist offiziell schon vorbei und alle Welt erwartet, dass das Leben weitergeht. Deine Mutter ist meiner Ansicht nach immer noch in einem ganz ganz tiefen Loch. Jeder Mensch trauert anders, Mütter trauern anders als Väter und Geschwister trauern anders als Eltern! Euch fehlt eine Hilfe, einen gemeinsam WEg des Trauerns zu finden.
Nicht richtig ist von Deiner Mutter, dass sie Dir an den Kopf schmeißt, dass sie sich wegen Dir umbringt. Das schiebt Dich noch weiter weg von ihr. Bzw. setzt sich in Dir ein Schuldgefühl fest, dass Du nicht mehr so leicht wegbekommst. Nicht DU bist schuld am auseinanderbrechen Eurer Familie, es ist einfach die erdrückende Situation in der Ihr lebt. Verwaiste Eltern die noch weitere, lebende Kinder haben, schaffen es manchmal nicht, diese Kinder an ihrer Trauer teilhaben zu lassen, entweder sie kapseln sich ab oder sie versuchen krampfhaft stark zu bleiben für die lebenden Kinder obwohl sie eigentlich am liebsten 'loslassen' würden, weil der Schmerz so übergroß ist.
Ich glaube keinesfalls, dass Ihr Euch hasst, dass Du Deine Eltern hasst. Du bist nur zutiefst verletzt - Deine Eltern sind es auch! Ihr habt kein Verständnis füreinander, jeder sieht nur sein eigenes Elend

Ich möchte Dir folgenden Rat geben:
Mach Dir einmal wirklich grundlegende Gedanken. Über Deinen Bruder, was in Dir vorgeht wenn Du an ihn denkst. Wie war es vor seinem Tod? Was hat sich plötzlich geändert?
Schreibe alles in einem Brief an Deine Eltern nieder. Dass Du verstehst, wie schwer es sein muss, die Gratwanderung zwischen Leben und Tod / dem Balancieren zwischen dem 'normalen' Leben und dem großen Verlust und der Trauer darüber zu meistern. Schreib nicht wütend. Du sollst schon sagen, was Dich verletzt und dass Du Dir manches anders wünschst, aber es soll kein Hassbrief werden. Lass Dir Zeit dabei. Mach Dir auch Gedanken darüber, was Du von Dir aus anders machen kannst. Zeig, dass Du weißt was Verantwortung heißt, dass sie sich auf Dich verlassen können, Dir vertrauen können... Dass Du Dir Deine Freunde aber selbst aussuchen möchtest usw.
Schlage vor, zu einer Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern und Geschwister zu gehen. Dort gibt es andere, die genau wie IHR mit ihrem 'normalen' Leben kämpfen!
Im Internet gibt es inzwischen ein großes Netzwerk (unter Google.de "verwaiste Eltern" eingeben), so viele Betroffene, die sich gegenseitig stützen können.

Sei nicht allzu stürmisch. Auch wenn ich Deine Verzweiflung verstehen kann. Abhauen bringt nichts. Du bist stark, Du musst an Dich glauben. Wenn Du versuchst künftig selbst etwas zurückzuhalten, was so Sätze wie "ich hasse Dich, lass mich in Ruhe" usw. betrifft. Bleibe ruhig, auch wenn es schwer fällt. Entschuldige Dich auch mal, wenn Dir was blödes rausgerutscht ist. Fang DU an, etwas Deinen Eltern entgegenzugehen.

Ich wünsche Dir dabei viel Kraft und alles Gute!
Schreibe uns ruhig nochmal, ich würde gern wissen, ob Ihr Euch irgendwie zusammenraufen konntet!

Alles Liebe!
Viele Grüße
Susi