Problem von Anonym - 22 Jahre

Mein Bruder ist depressiv

Hallo,

ich schreibe nicht für mich sondern für meinen Bruder. Er ist jetzt 26 und depressiv. Ich muss etwas ausholen, um das ganze Problem zu beschreiben.

Wir sind vier Kinder in der Familie. Mein Bruder ist der jüngste Sohn und hatte es schon immer schwer sich gegen meine anderen beiden ältern Brüder zu wehren. Dazu kommt, dass er als Kind eine Lernschwäche hatte und auf die Sonderschule musste. Das Umfeld dort hat ihm nicht gut getan, da er mit den Kindern aus den oft sozial schwachen Familien nicht zu recht gekommen ist.

Als er in die Pubertät kam, sind dann Depression und Angstattacken dazugekommen, weshalb er seitdem Medikamente nimmt. Er hat sich mit der Unterstützung unserer Mutter durchgeboxt und eine Lehre zum Schlosser gemacht. Leider war die Atmosphäre in der Familie ihm gegenüber nie besonders freundlich. Als einziges Kind, das kein Abi gemacht hat und nicht studiert, hat mein Vater ihn immer irgendwie abgelehnt. Er hat ihm als kleinen Kind sogar unterstellt "sich mit Absicht so anzustellen", obwohl mein Vater Arzt ist und es besser wissen müsste. Er hat ihn aufgegeben und das kann ich nicht ertragen. Mein Bruder meint auch selbst, dass wir ihn für dumm halten und interpretiert jeden Ratschlag negativ oder als Kritik.

Mit seinen durchweg schlechten Erfahrungen und den Depressionen ist mein Bruder nun der Welt und auch unserer Familie extrem negativ eingestellt, will kein Hilfe annehmen und ist zu unselbstständig sich selbst welche zu suchen (Das hat wohl auch mit der Krankheit zutun).
Irgendwie hat sich seit Jahren keiner wirklich mehr darumgekümmert, dass es ihm wirklich besser geht, besonder nur darum, dass er halt Arbeit hat und er mit Medikamenten ruhiggestellt wird. Er nimmt seit Jahren Medikamente, ohne das er mal einen Kontrollbesuch bei einem Psychiater gemacht hat. Mein Vater hätte ihn längst mal hinschicken müssen, aber der hat meinen Bruder wie gesagt schon längst abgeschreiben.

Was kann ich nun tun? Ich will, dass sich meine Familie wieder um ihn kümmert und dass er sich dazu gewegen lässt, wieder Hilfe anzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Marie Anwort von Marie

Hallo!

Es ist sehr gut verständlich, dass dein Bruder nach all der Ablehnung und den schlechten Erfahrungen alles negativ sieht und interpretiert. Das bekommt man allerdings nicht allein mit Medikamenten weg (zumal es wirklich gefährlich ist, diese Medikamente über mehrere Jahre ohne jegliche psychiatrische Kontrolle einzunehmen), sondern am ehesten durch eine kognitive Verhaltenstherapie (das ist eine Form der Psychotherapie, die auch von den Krankenkassen übernommen wird, bei der es z.B. um die Änderung von solchen negativen Einstellungen geht). Du hast vollkommen richtig erkannt, dass dein Bruder Hilfe braucht, und ich finde es toll, dass du ihn unterstützen möchtest! Zeige und sage ihm, dass du dir Sorgen machst, weil du merkst, dass es ihm schlecht geht, und dass du ihn unterstützen willst, damit es ihm wieder besser geht. Vielleicht hilft es ihm schon, wenn er merkt, dass jemand für ihn da ist. Versuche zu verstehen, warum er keine Hilfe annehmen möchte; sprich mit ihm darüber. Vielleicht ändert er seine Meinung. Wenn er sich jedoch wirklich nicht helfen lassen will, dann solltest du das akzeptieren, denn das ist allein seine Entscheidung.
Du solltest auch mit deinem Vater darüber reden. Sage ihm, wie du die Situation empfindest, was du dir wünschst und dass du das Gefühl hast, dass er enttäuscht von deinem Bruder ist, das aber kein Grund sein kann, sich nicht um seine Gesundheit zu kümmern. Du kannst auch versuchen, vorher deine Mutter mit ins Boot zu holen.

Ich wünsche dir viel Erfolg und alles Gute!
Marie