Problem von Anonym - 27 Jahre

Eine besondere Freundschaft

Ich gehe jetzt seit über einem Jahr als Ausgleich nach der Arbeit schwimmen. Das Schwimmen tut mir sehr gut, es hilft mir mal für eine Stunde meine Sorgen zu vergessen, und es bedeutet mir sehr viel. Mittlerweile bekomme ich sogar schlechte Laune wenn ich es mal einen Tag nicht schaffe ins Bad zu gehen.
Irgendwann kam ein 10 jähriges Mädchen, welches auch fast jeden Tag im Bad ist, zu mir und fragte wie ich es schaffe so lange zu tauchen. So haben wir uns kennengelernt und schon bald haben wir immer wenn wir uns im Bad sahen geredet und dann sogar zusammen rumgetobt. Irgendwann kam ihr Bruder noch dazu, sowie einige der Freunde der beiden, sodass ich bald die ganzen Kinder im Bad beschäftigt habe.
Es hat mir gut getan. Eine Stunde nochmal Kind sein und einfach nur Spass am Schwimmen und rumalbern haben sind wie Medizin für meine sonst so kaputte Seele. Dieses kleine Mädchen hat geschafft was sonst kein Bekannter, Verwandter oder Freund geschafft hat: mich mal wieder richtig zum Lachen zu bringen und die Welt ein bischen fröhlicher zu sehen.
Doch ich wusste genau das dies nicht auf ewig so funktionieren würde. Ich dachte die Kinder würden erwachsen werden, sich für andere Dinge interessieren und irgendwann nicht mehr so häufig schwimmen kommen. Doch es kam anders.
Die Eltern dachten immer ich wäre im Alter ihrer Kinder bis sie mal selber im Bad waren um ihre Kinder abzuholen. Sie fanden es wohl nicht so toll das ich 16 Jahre älter bin und haben den Kindern verboten mit mir zu reden. Ich nehme es den Eltern nicht übel, ich kann sie sogar gut verstehen.
Das Mädchen hatte dann sehr merkwürdig bei unserem darauffolgendem Treffen reagiert. Der Bademeister erzählte mir dass sie Angst vor mir gehabt hätte. Das hat mich sehr mitgenommen weil ich nie etwas falsches getan habe. Wir waren, zumindest innerhalb des Bads, sowas wie Freunde. Ich habe dann Kontakt zu den Eltern aufgenommen und wir haben uns getroffen und sehr nett miteinander geredet. Sie waren sehr verständnisvoll und alles schien gut. Sie wollten mit ihren Kindern nochmal darüber reden und damit sollte es das gewesen sein.
Zwei Monate vergingen und das Mädchen, welches sonst fast jeden Tag im Bad war, kam nicht mehr. Ich habe seit dem Schuldgefühle irgendwas falsch gemacht und sie vergrault zu haben. Jedes Mal wenn ich ins Bad ging hatte ich ein schlechtes Gefühl und Angst davor eins der Kinder zu sehen und dann nur böse angeguckt zu werden.
Ich hielt diese Qualt zwei Monate lang aus, dann habe ich einen Brief an die Eltern geschickt dass es mit Leid tun würde falls ich etwas falsch gemacht haben sollte.
Ich habe den Bruder des Mädchens zwar dann ein paar mal im Bad gesehen, aber es war so als hätte man sich nie zuvor gesehen.
Letzten Sonntag im Bad sah ich dann das Mädchen zum ersten mal wieder. Reflexartig bin ich aus dem Wasser gesprungen und bin aus dem Bad raus.
Spontan bin ich zu den Eltern und habe nochmal mit ihnen geredet. Sie selber wussten nicht warum die Kinder so reagierten.
Spaäter habe ich den Bruder im Bad in der Umkleide getroffen. Wir haben zumindest miteinander geredet.
Was mir noch am Meisten Sorgen bereitet ist das Mädchen. Sie war halt diejenige die mich angesprochen hat, sie braucht nur einmal lächeln um auch mich zum lachen zu bringen. Sie, aber auch ihr Bruder, waren für mich immer wie kleine Geschwister oder sogar wie meine Kinder (ich habe keine eigenen).
Ich wünschte es würde alles wie früher werden. Dass die Kinder zu mir kommen, wir gemeinsam rumtoben und alle ruhigen Gewissens wieder das Bad betreten können.
Ich habe vor fast einem Jahr einen guten Freund verlohren, und ich war mit dran Schuld dass diese Freundschaft kaputt gegangen ist. Ich habe einfach das Gefühl dass dies mir jetzt schon wieder passiert und ich würde es am liebsten verhindern. Noch nie hat mir etwas so viel bedeutet wie das Schwimmen und die Freundschaft zu diesen Kindern. Ich habe immer sonst alles einfach so hingenommen, doch bei dieser Sache habe ich alles getan damit es wieder ins Lot kommt.
Ich habe mein ganzes Schicksal in die Hände dieses kleinen Mädchen gelegt und ich wusste das es nicht gut gehen würde. Doch das es jetzt so endet wollte ich nicht.
Heute ist dann meine schlimmste Beführchtung wahr geworden. Ich habe das Mädchen im Bad getroffen. Ich habe den Bademeister gebeten sie zu fragen ob sie kurz mit mir reden möchte und dass ich sie dann auch in Ruhe lassen werde. Sie wollte nicht. Das einzige was ich wollte war den Grund zu erfahren warum sie auf einmal so auf mich reagierte, einfach um eine Antwort zu haben und damit diese Sache für mich beenden zu können.

Aber wisst ihr was das Schlimmste an der Geschichte ist? Dass dieses fröhliche, lächelnde Mädchen Krebs hat und früher oder später daran sterben wird.
Ich würde all diese fröhlichen Erinnerungen eintauschen damit dieses Mädchen leben könnte.
Das Leben ist so gemein.

Über ein Jahr lang bin ich deprimiert. Ich denke jeden Tag (!, das ist kein Spruch, ist wirklich so!) an die lustigen Stunden im Bad.
Ich kann nicht mit dem Gedanken weiterleben dieses nette Mädchen verschreckt zu haben.

Larissa Anwort von Larissa

Hallo lieber Unbekannter,
vielen Dank für dein Vertrauen.

Ich muss sagen, dass mich deine Mail und die Art und Weise wie du deine Geschichte erzählt hast, sehr berührt haben. Ich hatte Tränen in den Augen.

Ich finde es bewundernswert, dass du es geschafft hast, eine so innige Freundschaft zu diesen Kindern aufzubauen.
Kinder können eine unglaubliche Faszination ausüben. Da ich selbst mit Kindern arbeite, wenn auch noch ganz im Anfangsstadium, darf ich das auch oft erleben.
Diese lachenden Kinderaugen können Wunder wirken.

Ich möchte dir jedoch sagen, dass du dich nicht falsch verhalten hast.
Und was noch wichtiger ist: Du hast alles gegeben.
Ich glaube keinesfalls, dass du das kleine Mädchen verschreckt hast. Vielmehr denke ich, dass die Eltern da mitgespielt haben, da sie euer "Verhältnis" nun doch nicht richtig einschätzen konnten. Auch, wenn sie sehr verständnisvoll waren.

Ich rate dir, die Situation so stehen zu lassen wie sie ist.
Und das kannst du ruhigen Gewissens tun, denn du hast alles Mögliche (und das sehr vernünftig, wie ich finde) getan.
Und ich glaube kaum, dass du das Mädchen in den Zwiespalt zwischen dir und ihren Eltern bringen möchtest. Sie würde die ganze Situation (noch) nicht verstehen.

Kinder sind da sehr unkompliziert.
Ich bin mir sicher, sie wird oft an eure schönen Erlebnisse denken.
Und somit möchte ich auch dich bitten, an den schönen Erinnerungen festzuhalten. Die wird dir nie wieder jemand nehmen können.
Und immer wieder, wenn es dir schlecht geht, wirst du sie in Gedanken zurück holen und Revue passieren lassen können.
Bis du wieder lächeln kannst.

Wenn dir das "Abschied nehmen" zu schwer fällt, dann schreibe doch einmal alles auf. Dadurch wirst du besser mit der Situation umgehen und abschließen können und das Geschriebene (wenn deine Gefühle dies irgendwann zulassen) auch wieder hervor holen und lesen können. So wird deine Erinnerung nie verblassen.

Ich bin sicher, das Schicksal hat es gewollt, dass ihr beide aufeinander trefft. Um jeden von euch, auf seine Weise, damit zu bereichern.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute,
und viel Kraft für die bevorstehende Zeit!

Vielleicht magst du hier auch berichten, wie deine Geschichte weiter geht?!

Alles Liebe,
Larissa