Problem von Lisa - 14 Jahre

lügt sie uns nur an?

Hallo liebes Team. :)
Ich schreibe euch, da ich ein weniger erfreuliches und meiner Meinung nach ziemlich krasses Problem hab. Eine meiner Mitschülerinnen wird von ihren Eltern geschlagen! Sie raucht und ist in der Schule einfach nur total faul, obwohl sie auf einem Gymnasium ist. Wir sind in unserer Klasse nur 11 Mädchen und unser Zusammenhalt ist (mit ihr 2 Ausnahmen) verdammt gut. Wir verstehen uns super und treffen uns auch in unserer Freizeit oft; Nur bei ihr blieben mir immer einige Fragen offen. Sie macht mit Mädchen aus einer Klasse unter uns viel, die sich wie 16 jährige aufführen. Auch wenn ich diese Mädchen nicht gut kenne, weiß ich das meine Mitschülerin nicht so eine ist und eigentlich überhaupt nichts mit solchen Leuten zu tun hat. Ich und einige andere aus der Klasse haben sie oft gefragt, warum sie raucht und haben ihr erklärt, dass das nicht cool macht, denn meine Mitschülerin ist nicht die Beliebteste. Damit will ich nicht sagen, dass sie gemobbt wird, sie wird einfach nur akzeptiert: nicht mehr und nicht weniger. Nach dem ich ihr in einer Stunde mal wieder versucht hab, ins Gewissen zu reden, ging sie nach der Stunde auf einmal schnell aus dem Klassenraum in eine Ecke des Flurs und fing an zu weinen. Auf einmal "sprudelte" alles aus ihr herraus und sie erzählte mir, dass sie seid Jahren von ihren Eltern geschlagen wird und dass sie deshalb schon mit 11 ihre erste Zigarette rauchte. Sie macht es zum Stress abbauen und ich bekam plötzlich ein Schuldgefühl, weil auf einmal alle kamen und fragten was los sei. Ich hab versucht sie alle wegzuschicken, nur einige Mädchen haben es halt trotzdem mitbekommen und es hat sich unter den Mädchen verbreitet wie ein Laubfeuer. Wie dem auch sei... Sie hat total geweint und ich hab versucht sie zu trösten und versucht mit ihr eine Lösung zu finden, aber ich wusste nicht weiter. Sie wird von ihrem Vater "nur" ganz selten geschlagen und von ihrer Mutter regelmäßiger. Diese soll aber eine Krankheit haben und kann Depressionen etc nicht immer unter Kontrolle halten. Der Grund seinen auf jeden Fall ihre Noten und ihre sonstigen schulerischen Leistungen. Ich denke, dass sie alleine wegen dem Druck, den sie vor jeder Arbeit hat, schlechte Noten schreibt. Zwischendurch wirkte sie aber auch ganz merkwürdig. Sie musste grinsen, wenn sie etwas sagte, wie: Mein Vater schlägt mich auch ab und zu mit einem Gürtel. Ist das normal? Ich weiß nicht mehr weiter. Ich hab ihr auf ihren Wunsch versprochen weder zur Lehrerin zur gehen, noch es meinen Eltern oder sonst wem zu erzählen. Dies fällt mir verdammt schwer, wohl auch weil ich Klassensprecherin bin und mir immer totale Sorgen um alle mache und es immer allen Recht machen will.
Ich bin mit der ganzen Situation echt total überfordert und weiß nicht, was ich machen soll. Bitte helft mir möglichst bald!

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Lisa,

Es ist wirklich schön, dass Dir die Menschen um Dich herum in Deinem Leben soviel bedeuten. Und Du Dir soviele Gedanken um sie machst.
Es ist richtig und sehr wichtig, dass wir uns um unsere Mitmenschen Sorgen machen. Genauso wichtig ist es, zu erkennen, wann uns die Sorge um den Nächsten überfordert!
Du kannst nicht mehr, als Ratschläge geben. Und sie begleiten, wenn sie dann Deine Ratschläge annimmt.

Dabei möchte ich Dir helfen.

Das größte Problem haben wir alle, wenn genau da, wo wir eigentlich unsere Zuflucht suchen der Kern allen Übels liegt.
In der eigenen Familie.
Eine kompliziertere Zwickmühle gibt es nicht:
Vertrauen, Liebe, Geborgenheit: all diese Gefühle verbinden wir mit der Geburt automatisch zuerst mit Mutter und Vater.
Das Problem von uns Alten ist es: keiner von uns kann es lernen, Euch =(unseren) Kindern wirklich gerecht werden zu können. Wir müssen es "erfühlen", "erleben" "spüren".

Und viele von uns versagen.

Die "Zwickmühle", in der sich Deine Mitschülerin befindet:

Solange sie nicht erkennt und akzeptiert, dass ihre Eltern an ihr versagt haben,
wird sie sich an das klammern, was sie seit ihrer Geburt mit den Begriffen "Vertrauen, Liebe, Geborgenheit" verbindet.
Auch wenn es schon tausendmal enttäuscht wurde.

Weder Du, noch ich (obwohl schlappe 40 Jahre älter als Du) kann sie davon abbringen, festzuhalten. Das Einzige was sie von Geburt an kennt.

Es gibt einige richtige Wege für Deine Mitschülerin. Jeder Weg setzt "Vertrauen" voraus:

Vertrauenslehrer, Jugendamt.

Das Hindernis für Deine Mitschülerin einen der Wege zu gehen wird sein: sie glaubt, das zu "verraten", worauf ihr Vertrauen immer noch baut: die eigene Familie.

Für mich gibt es nur zwei Personen, die Deiner Mitschülerin einen Weg aus ihrer Zwickmühle zeigen können: ein Schulpsychologe oder ein Pfarrer (Priester).

Bevor Du den Kopf schüttelst lasse es mich erklären:

Nur diese Beiden haben die Möglichkeit, Deiner Mitschülerin zu helfen, ohne "von Amts wegen" gegen das vorgehen zu müssen, was für sie immer noch ihre letzte "Zuflucht" bedeuten mag.

Sprich mit ihr über das, was ich Dir geschrieben habe.

Und bitte, mache Dir keine Gedanken, wenn sie es nicht annehmen kann!
Daran trägst Du absolut keine Schuld.

Und überhaupt: lasse Dich bitte niemals davon abbringen, Mitgefühl für Deine Mitmenschen zu haben.

Aber noch wichtiger: Du wirst niemals irgendeine Schuld auf Dich laden, wenn Deine ehrlichen Bemühungen nicht den Erfolg bringen, den Du Dir selber wünscht:

Du kannst Deinen Mitmenschen anbieten, ihnen zu helfen.
Du kannst sie nur soweit begleiten, wie sie es zulassen!

Genau an dieser Stelle hört Deine Verantwortung auf!

Es macht mich glücklich, einem Menschen wie Dir begegnet zu sein.

Von ganzem Herzen,

Dein Bernd