Problem von Anonym - 20 Jahre

Selbsthass

Hallo, Team von kummerkasten.de

Bevor ich mein Problem schildere, was mir -nebenbei- nicht einfach fällt/ fallen wird, möchte
ich mich erst zuerst vorstellen.
Ich bin männlich, 20 Jahre alt, habe vor einem halben Jahr mein Abitur mit einer guten
Note absolviert und bin danach nach einer positiv ausgefallenen Musterung ins Ausland gegangen, um den
Wehrdienst und den Zivildienst in Deutschland zu umgehen.
Ich arbeite jetzt 2000km (Übersee)Luftlinie entfernt von meiner Familie in einer schulischen Einrichtung
und von dort aus schreibe ich auch gerade meine mail.

Meine Probleme, die ich habe beziehen sich jetzt nicht umbedingt auf meinen gegenwärtigen Aufenthaltsort,
sie waren auch schon lange davor vorhanden.
Mein größtes Problem, um es in einem Wort auszudrücken, wäre "Selbsthass".
Ich konnte mich eigentlich nie selbst richtig leiden bzw. mich akzeptieren.
Das Problem haben viele, soweit ich das in den Foren gesehen habe. Ich schreibe das hier auch nicht, um
Mitleid zu bekommen sondern einfach um mich jemandem anonym anzuvertrauen.

Was ich im oberen Teil als "Selbsthass" beschrieben habe, betrifft verschiedenstes meiner Person.
Ganz oberflächlich betrachtet, bin ich unzufrieden mit meinem Aussehen.
Innerlich betrachtet bin ich unzufrieden mit meiner Art.
Beides verbunden resultiert in einem Hass, der schwer zu beschreiben ist, der mich unzufrieden macht,
der mich vor mir selbst ekeln lässt, der mich öfters an den Freitod denken lässt.

Angefangen mit meinem Aussehen: Ich bin einsachtzig groß, habe braune augen, eine sportliche Figur.
Soweit ist es in Ordnung. Was mich fertig macht, sind meine rötlichen Haare und mein -trotz meines
Alters- immer noch schlechtes Hautbild.
Wegen meinen Haaren wurde ich schon früh gemobbt. Als ich mit 6 Jahren zurück aus Luxemburg mit meiner Familie nach
Deutschland kam, wurde ich nie so richtig in dem Dorf, in dem wir wohnten, akzeptiert. Ich galt als Fremder
und als Außenseiter. "Froschfresser", obwohl ich jeder wusste, dass ich in D geboren war. Wenige Freunde
hatte ich, jedoch alle außerhalb und schwer zu erreichen. Vielleicht hat das damals schon mein
Selbstvertrauen zerstört, beziehungsweise meinen Charakter geprägt - worauf ich noch zu sprechen kommen werde.
Auf alle Fälle wurde ich (was sich jetzt für andere lächerlich anhören wird, im Sinne von "Junge, das sind
doch keine Probleme") als Rotschopf, Pumuckl oder sonstiges bezeichnet.
Ich denke dennoch, dass das Narben hinterlassen hat. Aber anscheinend ist das ein Problem, was diese Pigmentierung
mit sich bringt, denn selbst ein Mitglied der englischen Familie äußerte sich über Depressionen aufgrund seiner
Haarfarbe.
Im Laufe der Jahre habe ich mir aber eine immer dickere Haut wachsen lassen, die psychische Verletzungen
verhindert, auch wenn ich immer noch traurig werde, wenn ich auf meine Haare angesprochen werde, selbst wenn
es in einem neutralen oder selbst positiven Sinne gemeint ist.

Auch hatte ich in meinem Leben noch nie eine richtige Freundin, was mich extrem bedrückt. Daran habe ich aber
größtenteils Selbst Schuld, denn ich lasse niemanden so richtig an mich ran, was mich zu meinem zweiten Teil
meines Problems führt: Meinem Charakter bzw. meiner Art.
Ich denke dadurch, dass ich mich durch mein Aussehen bewusst oder unbewusst immer angegriffen gefühlt habe,
entwickelte ich mit der Zeit einen immer stärkeren Narzismus und Zynismus, was mich in meiner Art hässlich
für andere und für mich macht.
Auch wenn ich selbst denke, dass ich mich selbst für langweilig halte und weniger schön,
scheinen mich manche (wenige) Mädchen
interessant zu finden. Doch leided bin ich sehr aussehensbezogen/oberflächlich und werde schnell beleidigend,
obwohl ich es gar nicht will. Ich sage es niemandem direkt, das verbietet mir meine auf Höflichkeit fokusierte
Erziehung. Ich sage es eher unterschwellig und auch wenn ich mir Mühe gebe, die Mädchen merken es und ich
bleibe allein. Es muss dabei noch nicht mal um etwas wichtiges handeln, es reichen schon kleine Sachen, die
meinen Zynismus zum Vorschein bringen, bevor ich mich selbst schlagen kann und mich frage: "Wieso musste das sein".
So habe ich mir bis jetzt jede Interessierte verloren, auch wenn ich Interessiert habe.
Und sollte ICH mal die Initiative ergreifen, mache ich das nur Halbherzig und mit wenig Hingabe, was die
weibliche Person bald merkt und sich auf nichts einlässt. Ich muss dazu sagen, dass ich aber auch alles andere
als ein Draufgänger bin.
Ich habe mir auch schon überlegt für Verkehr zu zahlen, da ich noch Jungfrau bin und mich das auch demütigt, jedoch
habe ich Angst mich danach noch mehr zu hassen.

Dennoch bin ich im Laufe meines Lebens wenig allein gewesen, blicke ich nach Hinten. Ich hatte immer jemanden, mit
dem ich klarkam, selbst hier im Ausland komme ich klar.

Hinzugekommen ist in den letzten 2 Jahren aber auch eine schwerwiegende Hinterfragung meiner Existenz, die denke
ich philosophisch veranlagt ist.
Jeder denkt, er wäre der Mittelpunkt der Welt - was Richtig ist, dass man so denkt denn andersweitig ergeht es
einem vielleicht wie mir.
Ich fühle ich mich alleine und vor allem extremst unwichtig. Unwichtig für die Gesellschaft

Mir stehen soweit alle Zukunftsmöglichkeiten offen. Ich habe ein gutes Abi, gute Sozialkompetenzen, spreche
Englisch, Französisch (und Deutsch) fließend......nur macht mich das nicht glücklich...
Ich habe in letzter Zeit angefangen viel zu trinken, eineinhalb Flaschen Whiskey pro Woche
und mein Tabakkonsum leigt bei zwei Zigarren am Tag.
Ich fühle mich extrem schlecht, leer und allein. Ich erwische mich mehrmals in der Woche, wie ich über den
Freitod nachdenke. Hier im Ausland, so wie Stefan Zweig.

Danke für das Durchlesen. Vielleicht kann mich ja jemand ein wenig verstehen...

Jeanett Anwort von Jeanett

Hallo,

dein Problem hat mich ziemlich betroffen gemacht. Ich finde das so wahnsinnig traurig, dass du überhaupt keine Achtung vor dir selbst hast. Kein Wunder, dass du Suizidgedanken hast. Du sagst, du erwartest keine Hilfe. Wie könnten wir die dir auch geben? Du kennst ja bereits die Antworten, du weißt, weshalb du so bist, du weißt, wieso du keine Freundin bekommst, du erkennst, dass du viel Potential hast, es aber nicht zu nutzen verstehst.

Du bist sehr philosophisch veranlagt, grübelst zuviel, was auch ein Grund für deine destruktiven Gedanken sein kann.

Ich habe dir unten ein paar nützliche Links und eine Buchempfehlung angefügt. Vielleicht lenkt das eine oder andere deine Grübeleien mal in eine andere Richtung und hilft dir, dich selbst besser anzunehmen.

Denk mal über folgendes nach: Du hast nur dieses eine Leben. Wenn es vorbei ist, bekommst du keine zweite Chance. Wenn es vorbei ist, ist da nichts mehr, nicht mal das Gefühl, es jetzt überstanden zu haben. Du lebst nur in diesem einen Leben. Und das solltest du nutzen. Versuch, das Beste daraus zu machen. Dazu musst du Frieden mit dir selbst schließen. Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere Menschen lieben und für andere Menschen liebenswert sein. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb man sich selbst lieben sollte. Du bist der einzige Mensch auf der Welt, mit dem du dein Leben lang klarkommen musst. Und der Mensch in dir drin (oder das innere Kind - siehe unten) will mit DIR klarkommen.

Bitte schau dir mal die unten angegebenen Seiten an, ich denke, da ist vieles viel besser formuliert und erklärt als ich es könnte. Ich hoffe, dass dir etwas davon hilft.

Ich wünsche dir, dass du es schaffst, dich selbst anzunehmen, denn das würde die meisten deiner Probleme lösen und einen ganz anderen Menschen aus dir machen. Nutze deine Zeit, nutze dein Leben. Es kann so wahnsinnig schön sein zu leben. Ich wünsche dir sehr, dass du das bald erkennst und ins Leben zurückfindest. Und ich würde mich sehr freuen, von dir noch einmal zu hören, dass du den richtigen Weg für dich gefunden hast. Viel Glück!

Liebe Grüße,
Jeanett

http://www.psychotipps.com/Depressionen.html
http://www.palverlag.de/selbstablehnung-selbstkritik.html
http://www.zentrum-fuer-psychosynthese.de/das_innere_kind.html
"Der Blick, der dich heilt"(Taschenbuch)von Brennan Manning, Brockhausverlag