Anwort von Sarah L.

Liebe Unbekannte,

zu Allererst will ich dir sagen, dass ich es ganz toll finde, dass du dir Hilfe suchst! Du hast dir nicht nur bei deinen Freunden durch dein Versprechen einen Anker gesucht, sondern du wendest dich auch an uns.
Und das obwohl du Schwierigkeiten hast, über alles zu sprechen.
Glaub mir, ich kann dir das sehr gut nachfühlen, und ich verstehe auch deine Angst dich jemandem anzuvertrauen, der deinen Schmerz nicht genauso sehr verstehen kann wie du ihn empfindest.
Es gibt Therapeuten und Therapeutinnen, die das können. Die meisten Therapeuten spezialisieren sich im Laufe ihrer Arbeit mehr oder weniger und wenn jemand schon ganz oft mit anderen diesen Weg durch die schlimmen Erinnerungen gegangen ist, die Trauer gespürt und die Tränen gesehen und den Schreien geholfen hat rauszukommen, dann ist das ein bisschen so wie selbst erlebt.
Auf der anderen Seite wird dir auf Dauer aber auch nur jemand helfen können, der deinen Schmerz zwar nachempfinden kann, aber nicht genau so betroffen ist wie du - die Person soll dir ja eine Stütze sein, und dich auch aufrecht halten können, wenn du selbst es mal nicht so gut kannst!

-- Solche Therapeuten nennt man übrigens Traumatherapeuten - nur falls du dich doch irgendwann mal an einen wenden willst. Und auch bei den Traumatherapeuten gibts wieder welche, die mehr Erfahrung mit sexueller Gewalt haben, als andere. Wen es in deiner Umgebung gibt und wer die Hilfe die du bräuchtest anbieten kann könntest du zum Beispiel bei deiner Krankenkasse erfahren (bzw. bei der Krankenkasse deiner Eltern) oder ein Hausarzt könnte dir weiterhelfen oder eine Beratungsstelle. --

Im Augenblick sagst du aber du möchtest das nicht. Es ist sehr wichtig, glaube ich, sich mit dem Passierten auseinanderzusetzen. Aber es ist auch wichtig, den Weg in deinem eigenen Tempo zu gehen.
Dass du immer noch so ein feines Gespür für dich selbst hast, obwohl dir so Schreckliches angetan wurde, finde ich bewundernswert!
Du merkst, dass es dir schlechter geht und du hast das Bedürfnis mit jemandem zu reden.
Wie wäre es denn, wenn du dir statt eines Therapeuten ersteinmal eine Selbsthilfegruppe suchst? Dort treffen sich Mädchen, denen genau das Gleiche wie dir passiert ist und reden miteinander.
Selbsthilfegruppen in deiner Umgebung kannst du im Internet über NAKOS finden: http://www.nakos.de/site/adressen/rot/ und da über die Postleizahlensuche.
Oder du wendest dich doch telefonisch an einen Therapeuten (findest du im Telefonbuch/den Gelben Seiten) - nur um zu fragen ob er oder sie dich an eine Selbsthilfegruppe verweisen kann. Geht auch beim Hausarzt oder bei Beratungsstellen.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass es dir übers Telefon oder das Internet vielleicht leichter fällt.
Im Internet gibt es auch ganz großartige Seiten für Betroffene - empfehlen kann ich dir da:
http://www.selbsthilfe-missbrauch.de/hilfe/index.htm - bietet viele hilfreiche Artikel und auch ein kurzer Bericht über Beratungsstellen, falls du dir da noch ein bisschen unsicher bist, was dich erwarten würde.
Und: http://www.wildwasser.de/ - ist eine wirklich wunderbare Seite, auch mit einer Postleitzahlensuche für Beratungsstellen, aber auch Informationen und einem Forum.

Ein paar letzte Worte möchte ich noch zu deinen Eltern sagen. Ich glaube irgendwann solltest du mit ihnen darüber sprechen. Ob das jetzt schon das Richtige ist, weiß ich leider nicht, aber es kann auf keinen Fall schaden dir erstmal ein bisschen Hilfe von Außen zu holen (Selbsthilfegruppe, Beratungsstelle). Denn da findest du dann auch ganz bestimmt Unterstützung dabei wie und wo und wann du es deinen Eltern sagen kannst.

Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen und dir zeigen, dass du nicht ganz alleine bist. Jetzt wo du weißt wo du Hilfe oder Leute finden kannst die Ähnliches erlebt haben bleibt mir noch dir viel Mut zu wünschen für den ersten Schritt und ganz viel Kraft für den Weg danach.
Bitte such dir schnell Hilfe!

Alles Liebe,
Deine Sarah L.