Problem von Anonym - 21 Jahre

Dauerbedrücktheit

Hallo,

Ich habe ein sehr tiefsitzendes Problem, ich würde gerne hören was mir ein Profi rät:

Ich bin Ende November daheim ausgezogen, 700km weit nach berlin. ich habe hier auch 3 wirklich gute Freunde, und über die ein paar bekannte. meine beste freundin wohnt im selben haus, wir sehn uns also sehr oft.
mein freund wohnt noch daheim (also da wo ich herkomme) und das läuft auch super, es ist einfacher als ich dachte, er ist für mich da und kann mir trotz der entfernung helfen und sicherheit geben. ohne ihn ginge es mir sicherlich schlechter.

es ist so, dass das verhältnis zu meinem vater immer sehr schwierig war, wenn überhaupt vorhanden (meine eltern leben zusammen), das verhältnis zu meiner mutter könnte nicht besser sein.
bevor ich auszog haute ich irgendwann mit der faust auf den tisch, und sagte klar und deutlich, dass ich so nicht ausziehen möchte, nicht mit einem solch unklaren verhältnis zu meinem vater. das war das erste mal seit minimum 10 jahren, dass wir uns in den arm nahmen.
die beiden waren auch schon zu besuch in berlin, und das wochenende war superschön. bis auf den letzten abend, an dem eine belanglose diskussion, wie immer, im kampf ausartete und mein vater dann irgendwann ausflippte. das problem daran ist, dass man ihn nicht mehr bremsen kann. ich habe versucht das ganze anzusprechen, und wir haben auch eine lösung gefunden, wie wir uns alle das nächste mal bremsen.

ich schrieb ihm dann einen brief, weil es mir ziemlich scheiße ging wegen dem vorfall. daraufhin schrieb er mir, ob die sache denn nicht geklärt wäre. er versteht nicht dass auch er grundlegend was ändern muss. ich hab ihm das gestern alles geschrieben, auch die wutausbrüche direkt angesprochen, immer mit der deutlichen daraufhinweisung, dass ich ihn nicht an den pranger stellen möchte, und dass ich ihn verstehen kann und möchte.


vor ein paar tagen hatte ich ne dicke wut auf auf meine freundin, die hier im haus wohnt. wir haben das auch alles geklärt, vieles beruhte auf missverständnissen. und ich habe den eindruck ich werde oft missverstanden. die leute nehmen mich zu ernst, alles wird als "ruppig" "impulsiv" "nörgelnd" etc pp aufgefasst. und obwohl ich den leuten sage, dass ich das so nicht meine, und sie nicht alles so ernst nehmen sollen was ich sage, ecke ich immer wieder an.


wo ist die grenze? wann muss ich mich ändern, und wann muss man meine persönlichkeit akzeptieren? ich weiß dass es mein leben lang so sein wird, und ich habe auch genug selbtbewusstsein, um mich nicht von jeder kleinigkeit runter ziehen zu lassen. aber ich fühle mich momentan so leer, es kommt grad alles zusammen.
ich gehe nicht zur schule weil ich lieber allein sein möchte, aber dadurch wird das loch in dem man sitzt immer tiefer.

wie kann ich mich wieder motivieren und aufbauen und von den ganzen sorgen abgrenzen?

danke für eine antwort

Sarah L. Anwort von Sarah L.

Liebe Unbekannte,

zunächst einmal möchte ich dir sagen, dass wir hier keine Profis sind, darauf wird auch deutlich auf der Seite hingewiesen! Wenn du professionellen Rat möchtest dann wende dich bitte an einen Therapeuten, den du zum Beispiel online über die Postleitzahlensuche finden kannst:
http://www.therapie.de/psychotherapie/

Ich finde es super, dass du es geschafft hast auf den Tisch zu hauen und etwas an dem Verhältnis zu deinem Vater zu ändern. Aber bedenke auch, dass das Zeit braucht. Es wird noch oft Situationen geben, in denen ihr euch streitet und in alte Verhaltensmuster zurückfallt. Das ist ganz normal und dann auch kein Grund überzureagieren. Das richtige Tempo zu finden ist da nicht so einfach - und grade bei jemandem, der ein bisschen stur zu sein scheint wie dein Vater kann es schon falsch ankommen, wenn man dann auch noch Briefe schreibt, obwohl doch "alles geklärt" war bei dem vorhergehenden Gespräch.
Wenn dein Vater gar nicht so genau versteht warum er sich ändern soll und wieso er so reagiert wie er es tut, dann wird es auch nichts bringen viele Gespräche über Ursachen mit ihm zu führen. Auch wenn du ihn gerne verstehen willst!
In dem Fall hilft dann einfach nur euer Verhalten umzulernen, in dem ihr euch beide Mühe gebt in entsprechenden Situationen nicht mehr gleich so aus der Haut zu fahren wie früher. Und das wollt ihr anscheinend beide und es klappt auch ganz gut.

Wie du das richtige Maß findest, ich fürchte darauf gibt es auch keine leichte pauschale Antwort. Ich glaube damit schlägt sich fast jeder herum. :)
Am Besten wäre es, wenn du dir ab und zu eine Rückmeldung von deiner besten Freundin und deinem Freund einholst. Die kennen dich beide gut und mögen dch so wie du bist. Wenn du ihnen Situationen schilderst und sie fragst ob sie glauben, dass du überreagiert hast, dann kannst du glaube ich davon ausgehen dass sie recht haben und das nicht sagen um dich zu verunsichern. Immerhin sind sie im Zweifelsfall bestimmt immer auf deiner Seite!
Kritik von anderen Leuten solltest du ernst nehmen, abwägen, aber nicht überbewerten. Gut ist es auch immer zu hinterfragen wie wichtig dir selbst eine Sache ist, und wie wichtig sie der Person ist mit der du deswegen aneinander gerätst. Für manche Dinge ist es schon ok auch mal impulsiv und ruppig zu werden, weil sie einem wirklich viel bedeuten. (Auch wenn das objektiv nicht unbedingt verhältnismäßig ist)
Umgekehrt schadet es aber auch nicht sich zurückzunehmen, wenn man merkt dass das Gegenüber "ausflippt", weil die Sache so wichtig ist.

Ich bin mir sicher, dass es gut für dich wäre dir wieder eine Beschäftigung zu suchen. Das muss nicht die Schule oder eine Ausbildung sein, auch was ehrenamtliches wäre ok, wenn du momentan noch nicht so genau weißt wo du hinwillst. (Oder vielleicht macht diene beste Freundin ja was, wo du einsteigen kannst?)
Hauptsache du kommst raus und tust etwas.
Erstens wird dich das ein bisschen von deinen Problemen ablenken, und zweitens sind immer noch unsere Mitmenschen der wichtigste Spiegel um herauszufinden wer wir sind und wie wir uns verhalten und verhalten dürfen.
Die Motivation zu finden wird nicht leicht, nicht wenn du dich schon eine ganze Weile nur zu Hause vergräbst. Auch das wird ein bisschen Zeit brauchen und sich nur verändern indem du damit anfängst und dann weitermachst.

Wenn das Loch in dem du steckst allerdings so tief ist, dass du alleine nicht mehr rauskommst, dann such dir bitte professionelle Hilfe.
Du kannst zuerstmal mit deinem Hausarzt reden, wenn du nicht gleich zum Therapeuten willst, oder es eventuell mit einer Selbsthilfegruppe versuchen: http://www.nakos.de/site/datenbanken/ (die roten oder grünen Adressen).
Grade im Winter machen wir manchmal richtiggehend schlapp, deshalb wäre der Weg zum Hausarzt sowieso kein verkehrter. Leichte Winterdepression kann man oft mit ganz ungefährlichen pflanzlichen Mitteln bekämpfen.

Ich wünsche dir alles Liebe und viel neuen Schwung,
Deine Sarah L.